"Astro-Alex" trainiert für seinen zweiten Flug ins All
Bald startet Alexander Gerst zum zweiten Mal in den Weltraum. Diesmal warten deutlich mehr Aufgaben auf den Astronauten als bei der Premiere. Derzeit bereitet sich "Astro-Alex", wie er wegen seines Twitter-Accounts genannt wird, mit seiner Crew bei Moskau auf seine Mission vor.
Das Sternenstädtchen liegt tief verschneit vor den Toren Moskaus: Im Kosmonauten-Trainingszentrum Juri Gagarin, wie die Einrichtung offiziell heißt, wohnen und arbeiten viele Kosmonauten und Ingenieure mit ihren Familien. Herzstück der weitläufigen Anlage mit Montagehallen, Wohnblocks und Bürogebäuden ist eine fast 100 Meter lange und 30 Meter breite Halle. In ihr befinden sich einige Sojus-Raumkapseln, mit denen sich die Flüge ins All simulieren lassen.
Derzeit betreten jeden Morgen um kurz nach neun zwei Männer und eine Frau in weißen Raumanzügen die Halle – Alexander Gerst, sein russischer Kosmonauten-Kollege Sergej Prokopjew und die NASA-Astronautin Serena Auňón-Chancellor schreiten zur Kapsel ganz hinten in der Halle.
Vorbereitung auf die Copiloten-Rolle
"Was Sie hier sehen, ist ein Sojus-Simulator hinter uns. In dem werden wir jetzt die nächsten Stunden verbringen und trainieren, wie man von der Raumstation abdockt und in die Erdatmosphäre wieder eintritt und landet."
Alexander Gerst war vor vier Jahren schon einmal im All. Anders als 2014 ist er dieses Mal nicht nur Passagier, sondern Co-Pilot der Kapsel.
"Und natürlich wie immer werden jede Menge Sachen passieren, werden Fehler eingespielt werden, Druckabfall, Feuer und so etwas, auf die wir dann reagieren müssen. Das macht die Simulationen immer sehr interessant."
Die dreiköpfige Besatzung zwängt sich in die enge Sojus-Kapsel. Nur Astro-Alex, wie der Deutsche oft genannt wird, war bereits oben, die beiden anderen sind Weltraumneulinge. Das fiktive Kontrollzentrum befindet sich in einem kleinen Raum nur wenige Meter entfernt.
Mit simulierten Fehlern den Ernstfall proben
Auf den Monitoren blinken Messwerte und auf den Flachbildschirmen an der Wand sind Kamerabilder aus dem Innern der Kapsel zu sehen. Per Funk sprechen die Trainer und Flugingenieure mit der Besatzung, die zunächst die Raumanzüge an die zischende Sauerstoffversorgung anschließt. Es folgen zwei Stunden höchster Konzentration. Denn was hier auf den ersten Blick mehr wie ein Videospiel wirkt, soll im Ernstfall Leben retten, erklärt der Chef-Ausbilder Wladimir Osokin:
"Wir spielen alle möglichen Fehler ein: einen Defekt des Bordcomputers, ein Problem mit dem Andock-Mechanismus, ein Leck im Treibstofftank, einen Druckverlust in der Kapsel und so weiter. Wir simulieren sogar Feuer mit künstlichem Rauch und manchmal sind auch die Raumanzüge undicht. Die Besatzung wird beobachtet und bekommt hinterher Noten."
Nur wer nahe der Fünf, der besten Zensur im russischen System, landet, darf dann wirklich mit der Sojus ins All fliegen. Alexander Gerst und seine Kollegen klettern als Musterschüler aus der Kapsel – sie haben alle Probleme gemeistert.
Es könnte sofort losgehen, doch der Start wurde kürzlich von Ende April auf den 6. Juni verschoben. Da sich der Termin für die Rückkehr zur Erde aber wohl nicht ändert, verliert Alexander Gerst rund sechs Wochen im All. Er kann es verschmerzen, kommt ihm doch in der zweiten Hälfte der Mission eine besondere Ehre zu – er wird Kommandant der Raumstation sein:
"Ich werde meiner Crew helfen, wenn es irgendwo geht. Wenn einer irgendwo hinterher ist bei einer Aufgabe, wenn etwas nicht klappt, ein Werkzeug nicht gefunden wird oder so, dann ist es auch meine Aufgabe, zur Hand zu gehen, zu sagen: Pass mal auf, ich helfe dir hierbei. Ich kann auch rekoordinieren mit der Bodenkontrolle. Ok, der oder dir braucht etwas mehr Zeit mehr hierfür. Dafür kann ich dann das machen. Man ist so ein bisschen Zwischenglied zwischen der Bodenkontrolle und der Mannschaft, damit die Dinge laufen, damit es allen gut geht da oben."
Rund 80 Experimente sind geplant
Im Regelfall ist der Kommandant eine Art treusorgender Hausvater. Doch das kann sich von einer Sekunde auf die andere ändern. Wenn nämlich ein ganz ernster Zwischenfall auf der Station potentiell das Leben der Astronauten bedroht:
"Wenn es brennt oder wenn die Raumstation ein Loch hat, dann gibt es auch keine Kommunikation mit der Bodenkontrolle. Wenn wir jetzt Ammoniakalarm haben, dann ist sogar der Plan, dass wir überhaupt nicht mit der Bodenkontrolle sprechen, weil das eine Zeitverschwendung wäre für die ersten Minuten und da müssen schon wichtige Entscheidungen getroffen werden."
Die Raumfahrer brauchen noch etwas Geduld, bis sie wirklich an der Spitze einer Sojus-Rakete ins All starten. Bis dahin geht es verstärkt um das Einstudieren der rund 80 Experimente, die die Besatzung in der Umlaufbahn durchführen oder zumindest überwachen soll. Ab dem 6. Juni besteht ihr All-Tag aus einem dichten Arbeitsplan für die Forschung in der Schwerelosigkeit.
Und der Alexander Gerst freut sich, dann wieder eine ganz andere Perspektive auf den blauen Planeten zu haben:
"Gerade auch, wenn man sieht, in welchem schwarzen Nichts sich diese Erde bewegt. Da draußen ist nichts drum herum. Man kann so lang wie man will herausschauen und man sieht ein paar Objekte, Mond, Planeten und die Sonne. Dazwischen drin ist nichts.
Und das ist dieser Kontrast, der einen am meisten bewegt, als Astronaut. Hoppla. Diese Erde, die so unendlich groß erschien, das ist wirklich ein kleines Ding. Alles, was da drauf ist auf der Oberfläche oder ein bisschen unter der Oberfläche, das sind alles Ressourcen, die sehr, sehr beschränkt sind. Wenn das da unten aus ist, dann ist es aus. Dann gibt es nichts mehr."