Ausstellung: "Zerrissene Moderne"

Wie "entartete Kunst" nach Basel kam

09:44 Minuten
Blick in die Auktion der Galerie Fischer während der Versteigerung von Marc Chagalls "La Prise (Rabbin)", Luzern 1939.
Das Kunstmuseum Basel ersteigerte 1939 Marc Chagalls "La Prise (Rabbin)", das von den Nationalsozialisten als entartet diffamiert und beschlagnahmt worden war. © Fotostiftung der Schweiz / Gotthard Schuh
Eva Reifert im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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1939 erwarb das Kunstmuseum Basel von den Nationalsozialisten 21 Kunstwerke, die als „entartet“ diffamiert worden waren. Darunter sind einige der heute berühmtesten Meisterwerke der Moderne. Doch der Ankauf war nicht unumstritten.
Keine andere Institution weltweit hat so viele Werke der sogenannten „Entarteten Kunst“ angekauft wie das Kunstmuseum Basel. Dort befinden sich heute einige Meisterwerke der Moderne: neben Franz Marcs „Tierschicksale“ und Paul Klees „Villa R“ das Bildnis der Eltern von Otto Dix oder Oskar Kokoschkas „Windsbraut“ – alle erworben 1939, nachdem die Nationalsozialisten sie beschlagnahmt hatten und dann auf dem internationalen Kunstmarkt monetarisierten. 
Das Baseler Kunstmuseum entwickelte aus diesem Grundstock seine Sammlung Moderner Kunst und beleuchtet diese Sammlungsgeschichte nun in der Ausstellung „Zerrissene Moderne“.

Verbrennung, Verbannung oder Verkauf

Bereits 1937 habe sich der damalige Direktor des Baseler Kunstmuseums, Otto Fischer, an den damaligen Direktor des Essener Folkwang-Museums, den Nationalsozialisten Graf von Baudissin, gewandt, wie die Kuratorin der Ausstellung, Eva Reifert, erklärt. Von ihm wollte Fischer wissen, was nach der Ausstellung „Entartete Kunst“ mit den beschlagnahmten Werken geschehen soll.
Außenaufnahme der Ausstellung "Entartete Kunst", München 1937.
Die Ausstellung „Entartete Kunst“ war eine von den Nationalsozialisten organisierte Propagandaausstellung in München. Sie wurde am 19. Juli 1937 in den Hofgartenarkaden eröffnet und endete im November desselben Jahres.© Stadtarchiv München
„Und da gibt es die wirklich gruselige Formulierung: Verbrennung, Verbannung in die Depots oder vielleicht auch Verkauf“, berichtet Reifert. Ob es auf diesen ersten Brief hin eine Reaktion gab, wisse man aber nicht. Zwei Jahre später haben die Nationalsozialisten dann beschlossen, die bekanntesten dieser beschlagnahmten Werke zu Geld zu machen und ins Ausland zu verkaufen, um Devisen ins Land zu holen.

Tausende Werke wurden verbrannt

Dafür sei ein Depot mit Werken eingerichtet worden, von denen das Regime glaubte, sie seien international verwertbar, um „wie Goebbels das formuliert, mit dem Mist auch noch Geld zu verdienen“, berichtet Reifert. Dieses befand sich im Schloss Schönhausen in Berlin. Die restlichen Werke wurden aussortiert und zum großen Teil verbrannt, darunter viele von der Weimarer Republik geförderte Nachwuchskünstler. Diese vergessene Generation ist ebenfalls Teil der Ausstellung in Basel.

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Erst 1939 seien dann die beiden Kunsthändler, die vom Propagandaministerium mit der sogenannten Verwertung dieser Kunst beauftragt wurden, Karl Buchholz und Hildebrand Gurlitt an den dann amtierenden neuen Direktor, Georg Schmidt, herangetreten. Dieser sei ein Sozialist, Antifaschist und Kenner der deutschen Moderne gewesen, so Reifert.

Vorbehalte gegen die deutsche Moderne 

In den Protokollen der Kunstkommission, die bis heute alle Ankäufe im Kunstmuseum Basel genehmigen muss, kann man nun in der Ausstellung nachlesen, wie Georg Schmidt den Kauf durchsetzen musste. Reifert berichtet von großen Vorbehalten in Basel und weiten Teilen Europas gegenüber der deutschen Moderne. Die Kommission diskutierte, ob man überhaupt solche Kunst in der eigenen Sammlung haben will und ob es moralisch vertretbar ist, einem diktatorischen Regime Devisen zu übergeben.
Werke von Karl Hofer, Wilhelm Lehmbruck, Christian Rohlfs und Otto Dix u.a..
In diesem Depot-Raum für beschlagnahmte "Entartete Kunst" im Schloss Schönhausen findet man Werke von Karl Hofer, Wilhelm Lehmbruck, Christian Rohlfs und Otto Dix und anderen.© bpk / bpk
Vor diesem Hintergrund sei auch zu erklären, warum es letztlich nur 21 Kunstwerke waren, die das Kunstmuseum Basel gekauft hat. Auf den Listen der Nationalsozialisten sollen schließlich 20.000 Kunstwerke gestanden haben.

Die Ausstellung „Zerrissene Moderne“ ist noch bis zum 19. Februar 2023 im Kunstmuseum Basel zu sehen.

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