Zerschlagenes Porzellan
"Porzellan" heißt Durs Grünbeins Poem über Dresden. Damit sind vor allem die Scherben gemeint, in denen die Stadt nach den Fliegerangriffen der Allierten im Februar 1945 lag. Rund 60 Jahre später sammelt der in Dresden geborene Autor die Bruchstücke von damals literarisch auf.
Es gibt Städte, die lassen den eloquentesten Touristen schon beim Anflug auf das ersehnte Urlaubsziel ehrfürchtig verstummen. Aus der Vogelperspektive heraus wird plötzlich klar, wieviel Visionen an einer Stadtplanung beteiligt sind. Die geheimnisvolle Schönheit einer durch eigenwillige architektonische Schwünge und Lichter geprägten Stadtsilhouette ist aus diesen Gründen oft mit dem kurvenreich stilisierten Körper einer Frau verglichen worden.
Durs Grünbeins Prosagedicht "Porzellan" handelt von der sinnlosen Vernichtung einer solchen Schönheit. Er widmet sein "Poem vom Untergang meiner Stadt" dem einst prunkvollen Dresden, jenem märchenhaften "Elb-Florenz", das in den Nächten vom 13. zum 15. Februar 1945 bei Bombenangriffen anglo-amerikanischer Fliegerverbände nahezu ausradiert wurde.
Ein halbes Jahrhundert danach versucht der 1962 in Dresden geborene Autor, wie ein Scherbensammler in 49 Texten diese Bruchstücke einzusammeln und wieder zusammenzufügen, was in Minuten zerbarst und seiner Schönheit wie Logik beraubt wurde:
"…es hat
Eine Opernpause nur gedauert, Zeit zum Zigarettenholen."
Grünbeins Titel Porzellan verweist aber auch auf jenes berühmte Meißner Porzellan, das der Stadt Weltruhm bescherte und nach dem Inferno funkelnder Teil der Ruinenlandschaft war. Beim Auf-Lesen der in Grünbeins Poem enthaltenen Scherben reflektiert jede ein Moment von Geschichte, das verschiedene Perspektiven eröffnet. Im Lichtstrahl bündeln sich die Zeiten und begegnen sich die Blicke der Generationen. Der Erzähler schaut dabei auf die Kindheit eines Du zurück, die von vielen kleinen Wundern erfüllt war. Zwischen den Pinguinen im Zoo und dem fein ziselierten Kirschkern im Dresdner Zwinger, jener "Großtat eines Juweliers", wandert er reflektierend hin und her.
Doch die glücklichen Erinnerungen werden durch das Aufblitzen eines anderen Lichts immer wieder durchbrochen. Das Bild der zerstörten "Frauenkirche" schiebt sich dem "Spätgeborenen" plötzlich störend dazwischen. Ihm verlangte ihre Geschichte Respekt ab, als er hörte,
"sie sei erst eingestürzt
Tage später, als der Spuk vorbei war, aufrecht bis zuletzt.
Frauenkirche: wahrlich Frau war sie."
Der elegante Schwung, mit dem sich die Elbe damals wie heute durch Dresden schlängelt, lockte bereits 4000 v. Chr. zu ersten Niederlassungen und half noch dem Bombengeschwader in jenen Nächten des Februar 1945, aus "Venedigs Schwester" ein Trümmerfeld zu machen.
Durs Grünbeins "Poem vom Untergang meiner Stadt" – geschrieben zwischen 1992 und 2005 – ist mehr als die Hommage eines Nachgeborenen an seine Geburtsstadt. Eingebettet in eine reiche Kunstlandschaft, die zum staunenden Verweilen einlädt, wird sein Dresden zum Symbol einer sinnlosen Zerstörung, in der sich das Einzelschicksal in menschheitsgeschichtlicher Dimension spiegelt.
Durs Grünbein: Porzellan - Poem vom Untergang meiner Stadt
Suhrkamp Verlag 2005
70 Seiten; 17, 90 Euro.
Durs Grünbeins Prosagedicht "Porzellan" handelt von der sinnlosen Vernichtung einer solchen Schönheit. Er widmet sein "Poem vom Untergang meiner Stadt" dem einst prunkvollen Dresden, jenem märchenhaften "Elb-Florenz", das in den Nächten vom 13. zum 15. Februar 1945 bei Bombenangriffen anglo-amerikanischer Fliegerverbände nahezu ausradiert wurde.
Ein halbes Jahrhundert danach versucht der 1962 in Dresden geborene Autor, wie ein Scherbensammler in 49 Texten diese Bruchstücke einzusammeln und wieder zusammenzufügen, was in Minuten zerbarst und seiner Schönheit wie Logik beraubt wurde:
"…es hat
Eine Opernpause nur gedauert, Zeit zum Zigarettenholen."
Grünbeins Titel Porzellan verweist aber auch auf jenes berühmte Meißner Porzellan, das der Stadt Weltruhm bescherte und nach dem Inferno funkelnder Teil der Ruinenlandschaft war. Beim Auf-Lesen der in Grünbeins Poem enthaltenen Scherben reflektiert jede ein Moment von Geschichte, das verschiedene Perspektiven eröffnet. Im Lichtstrahl bündeln sich die Zeiten und begegnen sich die Blicke der Generationen. Der Erzähler schaut dabei auf die Kindheit eines Du zurück, die von vielen kleinen Wundern erfüllt war. Zwischen den Pinguinen im Zoo und dem fein ziselierten Kirschkern im Dresdner Zwinger, jener "Großtat eines Juweliers", wandert er reflektierend hin und her.
Doch die glücklichen Erinnerungen werden durch das Aufblitzen eines anderen Lichts immer wieder durchbrochen. Das Bild der zerstörten "Frauenkirche" schiebt sich dem "Spätgeborenen" plötzlich störend dazwischen. Ihm verlangte ihre Geschichte Respekt ab, als er hörte,
"sie sei erst eingestürzt
Tage später, als der Spuk vorbei war, aufrecht bis zuletzt.
Frauenkirche: wahrlich Frau war sie."
Der elegante Schwung, mit dem sich die Elbe damals wie heute durch Dresden schlängelt, lockte bereits 4000 v. Chr. zu ersten Niederlassungen und half noch dem Bombengeschwader in jenen Nächten des Februar 1945, aus "Venedigs Schwester" ein Trümmerfeld zu machen.
Durs Grünbeins "Poem vom Untergang meiner Stadt" – geschrieben zwischen 1992 und 2005 – ist mehr als die Hommage eines Nachgeborenen an seine Geburtsstadt. Eingebettet in eine reiche Kunstlandschaft, die zum staunenden Verweilen einlädt, wird sein Dresden zum Symbol einer sinnlosen Zerstörung, in der sich das Einzelschicksal in menschheitsgeschichtlicher Dimension spiegelt.
Durs Grünbein: Porzellan - Poem vom Untergang meiner Stadt
Suhrkamp Verlag 2005
70 Seiten; 17, 90 Euro.