Zerschlagt das Tafelgeschirr!
Teller, Schalen, Tassen - was sie entwirft, steht auf Tischen in gut 60 Ländern. Barbara Schmidt, die Chefdesignerin des thüringischen Porzellanwerks Kahla, entwirft alltagstaugliches und erschwingliches Geschirr. Das Berliner Bauhaus Archiv widmet ihr die Ausstellung: "Poesie & Industrie".
"Es erfordert hohe Konzentration. Wenn ich hier einmal so runterdrehe, müsste ich im Grunde die Luft anhalten und mein Eisen ganz ruhig halten, dass hier keine Unregelmäßigkeiten reinkommen."
Barbara Schmidt steht gebeugt vor der Drehscheibe in ihrem Kahlaer Atelier, das zugleich Büro ist. Langsam entsteht aus der konischen Gipsform einen Entwurf für eine Vase. Die Porzellandesignerin, mittelgroß und schlank, trägt einen hellgelben Pullover und eine dunkle Hose. Die kurzen, braunen Haare sind glattgekämmt. Die 46-Jährige ist freundlich, zurückhaltend, wirkt fast ein bisschen schüchtern. Aber wenn sie über Porzellan spricht, leuchten ihre Augen.
"Es ist ein wunderschönes Material, es hat eine große Sinnlichkeit, es klingt gut, es kann translucent sein, es kann auch ganz dick und schwer sein, es hat ein schönes Gewicht im Gegensatz zum Kunststoff. Man kann sich ganz lange immer wieder mit neuen Aspekten beschäftigen. Es hat großes Potential auch zu poetischen Dingen."
Dass sie einmal eine der erfolgreichsten Porzellandesignerinnen Deutschlands werden würde, war Barbara Schmidt nicht direkt in die Wiege gelegt worden. Sie wuchs aber in einer kreativen Familie in Ostberlin auf. Die Eltern, beide Sprachwissenschaftler, "machten Wörterbücher", so Barbara Schmidt, einer ihrer Brüder ist der Schriftsteller Jochen Schmidt, dessen Roman "Schneckenmühle" über eine Kindheit in der DDR vor kurzem erschien. Die Familie aß vom Kahlaer Zwiebelmustergeschirr, einem DDR Klassiker.
"Am Anfang hab ich beim Abwaschen die Teller umgedreht, und da stand oft Kahla drauf, ich wusste nicht, was das war."
Inzwischen weiß sie es, und die Manufaktur im thüringischen Kahla ist zu ihrem Lebensthema geworden ist. Barbara Schmidt, die an der renommierten Burg Giebichenstein Porzellandesign studierte, setzt in Kahla Bauhaus-Ideen um: mit materialgerechten Formen und klarer Reduktion auf das Wesentliche.
"Mich interessieren natürlich die großen Porzellangestalterinnen. Trude Petri ist ganz wichtig, die für die KPM (Königliche Porzellan-Manufaktur) gearbeitet hat, Marguerite Friedländer-Wildenhain, die in Halle eine prägende Figur war und dann emigriert ist."
Wilhelm Wagenfeld – einfach dieser Ansatz, dass man in einer Firma arbeitet und sich mit dieser Firma lange und intensiv auseinandersetzt und nicht einfach was entwirft und dann weitergeht – mit dem kann ich sehr viel anfangen.
Mitten im Studium: die Wende. Barbara Schmidt, damals 22 Jahre alt, erlebt den Fall der Mauer als Befreiung. Aber den Untergang ihres Landes empfindet sie auch als schmerzlich.
"Dass ich mich identifiziere mit diesem Land, das war für mich eine riesige Überraschung. Ich habe mich 22 Jahre meines Lebens eher nicht damit identifiziert und gedacht, dass ist ein Land, was man früher oder später verlassen sollte und dass es da Dinge gibt, die ich auch gern mag und wo ich die Veränderungen auch eher mit Wehmut gesehen habe, das war für mich eine große Überraschung."
Die erste Stelle: 1991 in Kahla. Das Unternehmen schlingert wie ein untergehender Dampfer durch die Nachwendzeiten. Die Produkte: schwere Tassen, plumpe Teller, viel Dekorgold. Barbara Schmidt erlebt die erste erfolglose Privatisierung des einstigen "VEB Feinkeramik" mit Stammsitz in Kahla – mit damals insgesamt 18.000 Mitarbeitern. 1994 – ein erneuter Privatisierungsversuch. Günther Raithel übernimmt das Unternehmen. Seitdem geht es bergauf: Kahla hat sich zu einem Vorreiter der Tischkultur entwickelt. Barbara Schmidt ist daran maßgeblich beteiligt. Inspiriert haben sie Auslandsaufenthalte in Helsinki und den Niederlanden. Und vor allem in Japan.
"Wie dort Essen angerichtet wird, wie mit den Zutaten umgegangen wird, das hat mich sehr beeindruckt. Dass da Rakuschälchen benutzt werden kann zusammen mit nem Lacktablett, zusammen mit einem Brett aus Holz, mit einem Kännchen aus Metall, mit einer feinen Porzellanarbeit, dass das alles fein komponiert wird, das Sachen, die total unterschiedlich sind, zusammengestellt werden zu einer Gruppe."
Ihre Idee: flexible Porzellankonzepte für die moderne Gesellschaft statt starrer Tischetikette. "Zerschlagt das Service" – das ist ein Satz, den Barbara Schmidt gern benutzt. Ein Traditionsbruch für die Branche – und für Kahla der Durchbruch. "Aronda", "Update" "Touch" ,"Cumulus" oder "Sommelier" heißen einige ihrer preisgekrönten Serien. Sie sind kombinier- und stapelbar, multifunktional. In Kahla laufen die Teller, Tassen, Schalen und Platten unermüdlich vom Band.
"Es ist schon ein eigenartiges Gefühl hier durchzugehen und Sachen zu sehen, die ich irgendwann an der Drehscheibe entworfen habe und plötzlich gibt es viele davon."
Zwei Tage in der Woche arbeitet Barbara Schmidt im Kahlaer Werk, die übrige Zeit verbringt sie in ihrem Atelier in Berlin – um näher bei ihrem Mann und den beiden fünf- und achtjährigen Kindern zu sein. Ab Herbst wird die Porzellandesignerin zusätzlich an der Kunsthochschule Weißensee lehren. Aber Kahla, wo sie nun schon 23 Jahre arbeitet, wird auch in Zukunft der Mittelpunkt ihres Lebens sein.
Die Ausstellung "Poesie & Industrie" im Berliner Bauhaus Archiv ist vom 21. August bis 4. November zu sehen.
Mehr Informationen:
www.bauhaus.de
www.kahlaporzellan.com
Barbara Schmidt steht gebeugt vor der Drehscheibe in ihrem Kahlaer Atelier, das zugleich Büro ist. Langsam entsteht aus der konischen Gipsform einen Entwurf für eine Vase. Die Porzellandesignerin, mittelgroß und schlank, trägt einen hellgelben Pullover und eine dunkle Hose. Die kurzen, braunen Haare sind glattgekämmt. Die 46-Jährige ist freundlich, zurückhaltend, wirkt fast ein bisschen schüchtern. Aber wenn sie über Porzellan spricht, leuchten ihre Augen.
"Es ist ein wunderschönes Material, es hat eine große Sinnlichkeit, es klingt gut, es kann translucent sein, es kann auch ganz dick und schwer sein, es hat ein schönes Gewicht im Gegensatz zum Kunststoff. Man kann sich ganz lange immer wieder mit neuen Aspekten beschäftigen. Es hat großes Potential auch zu poetischen Dingen."
Dass sie einmal eine der erfolgreichsten Porzellandesignerinnen Deutschlands werden würde, war Barbara Schmidt nicht direkt in die Wiege gelegt worden. Sie wuchs aber in einer kreativen Familie in Ostberlin auf. Die Eltern, beide Sprachwissenschaftler, "machten Wörterbücher", so Barbara Schmidt, einer ihrer Brüder ist der Schriftsteller Jochen Schmidt, dessen Roman "Schneckenmühle" über eine Kindheit in der DDR vor kurzem erschien. Die Familie aß vom Kahlaer Zwiebelmustergeschirr, einem DDR Klassiker.
"Am Anfang hab ich beim Abwaschen die Teller umgedreht, und da stand oft Kahla drauf, ich wusste nicht, was das war."
Inzwischen weiß sie es, und die Manufaktur im thüringischen Kahla ist zu ihrem Lebensthema geworden ist. Barbara Schmidt, die an der renommierten Burg Giebichenstein Porzellandesign studierte, setzt in Kahla Bauhaus-Ideen um: mit materialgerechten Formen und klarer Reduktion auf das Wesentliche.
"Mich interessieren natürlich die großen Porzellangestalterinnen. Trude Petri ist ganz wichtig, die für die KPM (Königliche Porzellan-Manufaktur) gearbeitet hat, Marguerite Friedländer-Wildenhain, die in Halle eine prägende Figur war und dann emigriert ist."
Wilhelm Wagenfeld – einfach dieser Ansatz, dass man in einer Firma arbeitet und sich mit dieser Firma lange und intensiv auseinandersetzt und nicht einfach was entwirft und dann weitergeht – mit dem kann ich sehr viel anfangen.
Mitten im Studium: die Wende. Barbara Schmidt, damals 22 Jahre alt, erlebt den Fall der Mauer als Befreiung. Aber den Untergang ihres Landes empfindet sie auch als schmerzlich.
"Dass ich mich identifiziere mit diesem Land, das war für mich eine riesige Überraschung. Ich habe mich 22 Jahre meines Lebens eher nicht damit identifiziert und gedacht, dass ist ein Land, was man früher oder später verlassen sollte und dass es da Dinge gibt, die ich auch gern mag und wo ich die Veränderungen auch eher mit Wehmut gesehen habe, das war für mich eine große Überraschung."
Die erste Stelle: 1991 in Kahla. Das Unternehmen schlingert wie ein untergehender Dampfer durch die Nachwendzeiten. Die Produkte: schwere Tassen, plumpe Teller, viel Dekorgold. Barbara Schmidt erlebt die erste erfolglose Privatisierung des einstigen "VEB Feinkeramik" mit Stammsitz in Kahla – mit damals insgesamt 18.000 Mitarbeitern. 1994 – ein erneuter Privatisierungsversuch. Günther Raithel übernimmt das Unternehmen. Seitdem geht es bergauf: Kahla hat sich zu einem Vorreiter der Tischkultur entwickelt. Barbara Schmidt ist daran maßgeblich beteiligt. Inspiriert haben sie Auslandsaufenthalte in Helsinki und den Niederlanden. Und vor allem in Japan.
"Wie dort Essen angerichtet wird, wie mit den Zutaten umgegangen wird, das hat mich sehr beeindruckt. Dass da Rakuschälchen benutzt werden kann zusammen mit nem Lacktablett, zusammen mit einem Brett aus Holz, mit einem Kännchen aus Metall, mit einer feinen Porzellanarbeit, dass das alles fein komponiert wird, das Sachen, die total unterschiedlich sind, zusammengestellt werden zu einer Gruppe."
Ihre Idee: flexible Porzellankonzepte für die moderne Gesellschaft statt starrer Tischetikette. "Zerschlagt das Service" – das ist ein Satz, den Barbara Schmidt gern benutzt. Ein Traditionsbruch für die Branche – und für Kahla der Durchbruch. "Aronda", "Update" "Touch" ,"Cumulus" oder "Sommelier" heißen einige ihrer preisgekrönten Serien. Sie sind kombinier- und stapelbar, multifunktional. In Kahla laufen die Teller, Tassen, Schalen und Platten unermüdlich vom Band.
"Es ist schon ein eigenartiges Gefühl hier durchzugehen und Sachen zu sehen, die ich irgendwann an der Drehscheibe entworfen habe und plötzlich gibt es viele davon."
Zwei Tage in der Woche arbeitet Barbara Schmidt im Kahlaer Werk, die übrige Zeit verbringt sie in ihrem Atelier in Berlin – um näher bei ihrem Mann und den beiden fünf- und achtjährigen Kindern zu sein. Ab Herbst wird die Porzellandesignerin zusätzlich an der Kunsthochschule Weißensee lehren. Aber Kahla, wo sie nun schon 23 Jahre arbeitet, wird auch in Zukunft der Mittelpunkt ihres Lebens sein.
Die Ausstellung "Poesie & Industrie" im Berliner Bauhaus Archiv ist vom 21. August bis 4. November zu sehen.
Mehr Informationen:
www.bauhaus.de
www.kahlaporzellan.com