"Zerstörerische Flammen der Dummheit"
Entgegen den Versprechen der brasilianischen Regierung geht die Amazonaszerstörung, die Vernichtung der tropischen Regenwälder, nahezu ungehindert weiter.
Die hohe Nachfrage nach Rindfleisch und Soja aus Ländern wie Deutschland stimuliert die Abholzung des Urwalds - in Amazonien werden derzeit bereits etwa 70 Millionen Rinder gezüchtet. 80 Prozent der gerodeten Flächen dienen der Fleischproduktion.
Gewimmel und Getümmel, Straßenmusik und Sektenprediger, schwüle Hitze von 38 Grad in der Millionenstadt Manaus am Rio Negro, mitten in Amazonien. Doch über die exotische Szenerie wabert ätzender, Krebs erzeugender Qualm, der von Brandrodungen rund um Manaus stammt.
"Es sieht aus wie dichter Nebel in der Stadt, ist aber Rauch von Urwaldfeuern Amazoniens","
erläutert eine Wetterexpertin aufgeregt in der brasilianischen Tagesschau.
Besonders viele Feuer lodern auf der anderen Seite des breiten Rio Negro. Vom Hafen aus, in dem zahllose Aasgeier Essensreste, Fleisch- und Fischabfälle der Markthalle vertilgen, prescht man mit einem der vielen Bootstaxis über den Strom und hat dann jene berüchtigten Feuerwände direkt vor sich, spürt den Gluthauch.
Das sind sie also, die "zerstörerischen Flammen der Dummheit", von denen José Bonifacio, Freund des deutschen Naturforschers Alexander von Humboldt und ein Vorkämpfer der Unabhängigkeit Brasiliens, schon 1780 spricht. Prasselnd frisst sich das Feuer vorwärts. Ungezählte Tiere, auch Jungtiere, Jungvögel im Nest, die nicht fliehen können, verbrennen lebendig.
Unweit von Manaus sind im Regenwald zahlreiche Indianerdörfer. Auf Brandrodungen, die häufig auf Naturschutzgebiete übergreifen, wird man dort sicher verzichten. Ein Fehlschluss, wie sich im Dorf der Cambéba-Indianer zeigt. Sie fackeln sogar illegal auf Staatsland den Wald ab, um Ackerland zu schaffen. Viel frische weiße Asche gleich neben dem Fußballplatz, der ebenfalls in den Wald hinein gebrannt wurde. Das Feuer, so die Landwirtschaftsexperten, tötet die nützlichen Mikroorganismen des Bodens ab, ein Großteil der Nährstoffe wird zu Rauch. Nach etwa drei Jahren geben solche Flächen gewöhnlich nichts mehr her, sodass erneut Urwald abgefackelt wird. Die 51-jährige Uika ist der weibliche Häuptling des Dorfes und sieht im Brandroden kein Problem.
""Alles, was wir zum Essen brauchen, ob Bananen oder Maniok, pflanzen wir auf unseren Feldern an. Dieses Jahr hatten wir Pech - die Überschwemmungen haben die Ernte zerstört und wir mussten vieles kaufen. Jetzt legen wir gerade neue Felder an.
Die Cambéba-Indios halten sich normalerweise auch Hausschweine - aber weil wir auf den Flächen hier noch nicht legal wohnen, haben wir das lieber erst mal aufgeschoben. Am Rio Negro gibts viel Malaria - mich hat die Krankheit schon achtmal erwischt. Wir sind übrigens alle katholisch, unser Schutzpatron ist der Heilige Thomas. Indianische Riten haben wir nicht mehr."
Das Dorf existiert erst sechs Jahre und wurde spontan direkt neben einer Siedlung von Nicht-Indios angelegt. Die Cambéba lebten zuvor zeitweise sogar in der Metropole Manaus - auch Häuptling Uika. Man trägt normale städtische Kleidung, schaut brasilianisches Fernsehen und hat Handys - in manchen der aus Brettern gezimmerten Häuser stehen Gasherde. Heute wird von den Amazonasindios meist mit Gewehren gejagt, nur noch selten mit Pfeil und Bogen.
Immer mehr Indianer wollen in Manaus wohnen, in den multinationalen Fabriken des Industrieviertels Motorräder, Fernseher oder Küchengeräte montieren. Die Indios integrieren sich in das System der Produktion, des Gewinns und des Geldes. Viele geben die eigene Sprache, Kultur und Identität auf.
"Nur wenige kehren in die Natur, in den Wald zurück","
sagt Ana Delia von der katholischen Indianerseelsorge. "Die Hälfte der brasilianischen Indios wird in den Städten leben. Dort zerbricht die Clan-Struktur, sucht sich die jüngere Generation zunehmend Nicht-Indios als Beziehungspartner, fühlt sich gerade vom Andersartigen angezogen."
Direkt an einer lauten Straße von Manaus liegt hinter einem hohen Stahlgitterzaun das Amazonas-Forschungszentrum der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace". Immer wieder werden in der Region Umweltaktivisten ermordet, hat daher auch Greenpeace Wachpersonal. Man muss durch eine Sicherheitsschleuse, wird überprüft und fotografiert. Greenpeace-Experte André Muggiati hat selbst hier immer wieder Brandrodungsrauch in der Nase:
""Ideal wäre, Landwirtschaft wie in Europa ohne Feuer zu betreiben, denn natürlich ginge das auch in Amazonien. Aber hier in Brasilien sind diese Brandrodungen nun einmal Teil der Kultur des Volkes. Die Asche soll den Boden düngen - doch in Wahrheit wird er immer unfruchtbarer. Und der Rauch bewirkt den Treibhauseffekt. Die Abholzung ist Hauptursache der Treibhausgase aus Brasilien. Das Land ist daher der viertgrößte Luftvergifter der Welt - nach Indonesien, China und den USA."
Hatte man sich so die "grüne Lunge" des Erdballs vorgestellt?
Mit dem Boot geht es den Rio Negro hinauf, dorthin, wo Vieh meist für den Export gezüchtet wird. Wieder eine Überraschung. Auf enormen Weideflächen sieht man nur ganz verstreut relativ wenige Rinder, aber viele verkohlte Baumstümpfe, die an die Brandrodungen erinnern.
"Viehzucht wird nur sehr uneffizient betrieben", erläutert André Muggiati von Greenpeace."In Amazonien kommt auf einen Hektar Weidefläche statistisch nicht mal ein Rind. Auf 10000 Hektar stehen also höchstens 10000 Tiere - das ist doch Wahnsinn. 70 Millionen Rinder weiden derzeit in Amazonien - und 80 Prozent der abgeholzten Flächen werden für diese Art von Viehzucht genutzt."
Außer durch Brandrodungen erzeugtes CO2 kommen noch die klimaschädlichen Methan-Ausscheidungen der Millionen Rinder hinzu.
"Damit Brasilien zum größten Rindfleischexporteur der Welt werden konnte, hat die Regierung das Wachstum und die internationale Expansion der Viehindustrie auch noch mit staatlichen Entwicklungsgeldern subventioniert und ist an diesen Firmen beteiligt. Die Partnerschaft führt zu noch mehr Urwaldzerstörung und Sklavenarbeit. Denn Sklavenarbeiter werden vor allem zum Abholzen eingesetzt."
Aber hat die wirtschaftliche Ausbeutung den etwa 20 Millionen Amazonensern wenigstens zu besserem Lebensstandard, gar bescheidenem Wohlstand verholfen? Nur ein paar Schritte vom Greenpeace-Büro entfernt beginnen die Slums, in denen sage und schreibe drei Viertel der Manaus-Bewohner hausen. Dort grassieren Aids und Tuberkulose.
"Wir haben viel Hunger, Misere und Armut in Manaus. Angestellte der Viehfarmen essen oft gar kein Fleisch, weil sie nicht genug verdienen, um es zu kaufen."
Für Greenpeace und auch die Kirche Brasiliens ist es ein weiterer Grund, das jetzige nationale Entwicklungsmodell abzulehnen.
Der brasilianische Umweltexperte Roberto Smeraldi nennt einen weiteren Knackpunkt dieses Entwicklungsmodells. In nur sieben Jahren Amtszeit habe die Regierung von Staatschef Lula im Zuge der Agrarreform etwa 2,2 Millionen Menschen ausgerechnet nach Amazonien transferiert, die zu dieser Region gar keine Beziehung hätten und nun ebenfalls abholzten.
"80 Prozent des Bodens für Neuansiedlungen liegt in Amazonien. Jene, die man dorthin schickt, sind arme, verelendete Städter des Südens. Anstatt ihnen Arbeitsplätze zu schaffen, ihnen sozialpolitisch zu helfen, will man sich dieser Leute entledigen, will sie loswerden – und katapultiert sie dorthin, wo der Boden ganz billig ist. Wieder einmal werden Probleme Rest-Brasiliens auf Kosten von Amazonien gelöst."
Rio de Janeiro beispielsweise ist von Manaus über 4000 Kilometer entfernt.
"”Quente demais, quente!""
Merkwürdig - alle Welt in Manaus stöhnt über die Hitze und müsste doch eigentlich dran gewöhnt sein. Der Grund ist - es wird in der Tat heißer, es häufen sich früher unbekannte Hitzewellen am Rio Negro. Amazonien spürt bereits den Klimawandel.
Mehr Hitze fördert das Absterben der Tropenbäume, sagt Edwin Kayser aus Holland, der bei Greenpeace die Satellitenfotos auswertet. Kayser entdeckt nicht nur Brandrodungen, sondern auch die Ungereimtheiten der offiziellen Umweltpolitik. Brasilia macht immer mehr Regenwälder zu Schutzgebieten – doch nur theoretisch:
"Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Naturschutzgebiete werden zwar öffentlich deklariert, aber dann meist gar nicht eingerichtet, bleiben nur auf dem Papier."
Auch für Kayser ist absurd, dass in Amazonien die meisten Grundbesitzurkunden gefälscht sind. Viehzüchter, Siedler und Großagrarier begehen schlichtweg Bodenraub und der Staat sieht auch noch zu, seit Jahrhunderten. In einem Land hoher Korruption und fehlender Rechtsstaatlichkeit ist das möglich und auch sehr einfach. Wer bis 1500 Hektar Staatswald illegal besetzte und abholzte, kriegt ab sofort sogar eine Besitzurkunde vom Staat. Brasiliens Umweltschützer nennen das desaströs, weil es die weitere illegale Waldzerstörung stimuliere.
Greenpeace erreichte mit Druck und Protesten, dass sich große internationale Unternehmen, darunter aus Deutschland, verpflichteten, kein Fleisch, kein Rindsleder und auch keine Soja mehr zu kaufen, die von neu gerodeten Urwaldflächen oder überhaupt aus Amazonien stammen. Das Problem ist – solche freiwilligen Selbstverpflichtungen lassen sich umgehen, wie Greenpeace weiß. Auch aus Europa steigt beispielsweise die Soja-Nachfrage – und kein einziger brasilianischer Soja-Fazendeiro, der brutal wunderbare Regenwälder abfackelte, bleibt auf seiner Ware sitzen.
Gewimmel und Getümmel, Straßenmusik und Sektenprediger, schwüle Hitze von 38 Grad in der Millionenstadt Manaus am Rio Negro, mitten in Amazonien. Doch über die exotische Szenerie wabert ätzender, Krebs erzeugender Qualm, der von Brandrodungen rund um Manaus stammt.
"Es sieht aus wie dichter Nebel in der Stadt, ist aber Rauch von Urwaldfeuern Amazoniens","
erläutert eine Wetterexpertin aufgeregt in der brasilianischen Tagesschau.
Besonders viele Feuer lodern auf der anderen Seite des breiten Rio Negro. Vom Hafen aus, in dem zahllose Aasgeier Essensreste, Fleisch- und Fischabfälle der Markthalle vertilgen, prescht man mit einem der vielen Bootstaxis über den Strom und hat dann jene berüchtigten Feuerwände direkt vor sich, spürt den Gluthauch.
Das sind sie also, die "zerstörerischen Flammen der Dummheit", von denen José Bonifacio, Freund des deutschen Naturforschers Alexander von Humboldt und ein Vorkämpfer der Unabhängigkeit Brasiliens, schon 1780 spricht. Prasselnd frisst sich das Feuer vorwärts. Ungezählte Tiere, auch Jungtiere, Jungvögel im Nest, die nicht fliehen können, verbrennen lebendig.
Unweit von Manaus sind im Regenwald zahlreiche Indianerdörfer. Auf Brandrodungen, die häufig auf Naturschutzgebiete übergreifen, wird man dort sicher verzichten. Ein Fehlschluss, wie sich im Dorf der Cambéba-Indianer zeigt. Sie fackeln sogar illegal auf Staatsland den Wald ab, um Ackerland zu schaffen. Viel frische weiße Asche gleich neben dem Fußballplatz, der ebenfalls in den Wald hinein gebrannt wurde. Das Feuer, so die Landwirtschaftsexperten, tötet die nützlichen Mikroorganismen des Bodens ab, ein Großteil der Nährstoffe wird zu Rauch. Nach etwa drei Jahren geben solche Flächen gewöhnlich nichts mehr her, sodass erneut Urwald abgefackelt wird. Die 51-jährige Uika ist der weibliche Häuptling des Dorfes und sieht im Brandroden kein Problem.
""Alles, was wir zum Essen brauchen, ob Bananen oder Maniok, pflanzen wir auf unseren Feldern an. Dieses Jahr hatten wir Pech - die Überschwemmungen haben die Ernte zerstört und wir mussten vieles kaufen. Jetzt legen wir gerade neue Felder an.
Die Cambéba-Indios halten sich normalerweise auch Hausschweine - aber weil wir auf den Flächen hier noch nicht legal wohnen, haben wir das lieber erst mal aufgeschoben. Am Rio Negro gibts viel Malaria - mich hat die Krankheit schon achtmal erwischt. Wir sind übrigens alle katholisch, unser Schutzpatron ist der Heilige Thomas. Indianische Riten haben wir nicht mehr."
Das Dorf existiert erst sechs Jahre und wurde spontan direkt neben einer Siedlung von Nicht-Indios angelegt. Die Cambéba lebten zuvor zeitweise sogar in der Metropole Manaus - auch Häuptling Uika. Man trägt normale städtische Kleidung, schaut brasilianisches Fernsehen und hat Handys - in manchen der aus Brettern gezimmerten Häuser stehen Gasherde. Heute wird von den Amazonasindios meist mit Gewehren gejagt, nur noch selten mit Pfeil und Bogen.
Immer mehr Indianer wollen in Manaus wohnen, in den multinationalen Fabriken des Industrieviertels Motorräder, Fernseher oder Küchengeräte montieren. Die Indios integrieren sich in das System der Produktion, des Gewinns und des Geldes. Viele geben die eigene Sprache, Kultur und Identität auf.
"Nur wenige kehren in die Natur, in den Wald zurück","
sagt Ana Delia von der katholischen Indianerseelsorge. "Die Hälfte der brasilianischen Indios wird in den Städten leben. Dort zerbricht die Clan-Struktur, sucht sich die jüngere Generation zunehmend Nicht-Indios als Beziehungspartner, fühlt sich gerade vom Andersartigen angezogen."
Direkt an einer lauten Straße von Manaus liegt hinter einem hohen Stahlgitterzaun das Amazonas-Forschungszentrum der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace". Immer wieder werden in der Region Umweltaktivisten ermordet, hat daher auch Greenpeace Wachpersonal. Man muss durch eine Sicherheitsschleuse, wird überprüft und fotografiert. Greenpeace-Experte André Muggiati hat selbst hier immer wieder Brandrodungsrauch in der Nase:
""Ideal wäre, Landwirtschaft wie in Europa ohne Feuer zu betreiben, denn natürlich ginge das auch in Amazonien. Aber hier in Brasilien sind diese Brandrodungen nun einmal Teil der Kultur des Volkes. Die Asche soll den Boden düngen - doch in Wahrheit wird er immer unfruchtbarer. Und der Rauch bewirkt den Treibhauseffekt. Die Abholzung ist Hauptursache der Treibhausgase aus Brasilien. Das Land ist daher der viertgrößte Luftvergifter der Welt - nach Indonesien, China und den USA."
Hatte man sich so die "grüne Lunge" des Erdballs vorgestellt?
Mit dem Boot geht es den Rio Negro hinauf, dorthin, wo Vieh meist für den Export gezüchtet wird. Wieder eine Überraschung. Auf enormen Weideflächen sieht man nur ganz verstreut relativ wenige Rinder, aber viele verkohlte Baumstümpfe, die an die Brandrodungen erinnern.
"Viehzucht wird nur sehr uneffizient betrieben", erläutert André Muggiati von Greenpeace."In Amazonien kommt auf einen Hektar Weidefläche statistisch nicht mal ein Rind. Auf 10000 Hektar stehen also höchstens 10000 Tiere - das ist doch Wahnsinn. 70 Millionen Rinder weiden derzeit in Amazonien - und 80 Prozent der abgeholzten Flächen werden für diese Art von Viehzucht genutzt."
Außer durch Brandrodungen erzeugtes CO2 kommen noch die klimaschädlichen Methan-Ausscheidungen der Millionen Rinder hinzu.
"Damit Brasilien zum größten Rindfleischexporteur der Welt werden konnte, hat die Regierung das Wachstum und die internationale Expansion der Viehindustrie auch noch mit staatlichen Entwicklungsgeldern subventioniert und ist an diesen Firmen beteiligt. Die Partnerschaft führt zu noch mehr Urwaldzerstörung und Sklavenarbeit. Denn Sklavenarbeiter werden vor allem zum Abholzen eingesetzt."
Aber hat die wirtschaftliche Ausbeutung den etwa 20 Millionen Amazonensern wenigstens zu besserem Lebensstandard, gar bescheidenem Wohlstand verholfen? Nur ein paar Schritte vom Greenpeace-Büro entfernt beginnen die Slums, in denen sage und schreibe drei Viertel der Manaus-Bewohner hausen. Dort grassieren Aids und Tuberkulose.
"Wir haben viel Hunger, Misere und Armut in Manaus. Angestellte der Viehfarmen essen oft gar kein Fleisch, weil sie nicht genug verdienen, um es zu kaufen."
Für Greenpeace und auch die Kirche Brasiliens ist es ein weiterer Grund, das jetzige nationale Entwicklungsmodell abzulehnen.
Der brasilianische Umweltexperte Roberto Smeraldi nennt einen weiteren Knackpunkt dieses Entwicklungsmodells. In nur sieben Jahren Amtszeit habe die Regierung von Staatschef Lula im Zuge der Agrarreform etwa 2,2 Millionen Menschen ausgerechnet nach Amazonien transferiert, die zu dieser Region gar keine Beziehung hätten und nun ebenfalls abholzten.
"80 Prozent des Bodens für Neuansiedlungen liegt in Amazonien. Jene, die man dorthin schickt, sind arme, verelendete Städter des Südens. Anstatt ihnen Arbeitsplätze zu schaffen, ihnen sozialpolitisch zu helfen, will man sich dieser Leute entledigen, will sie loswerden – und katapultiert sie dorthin, wo der Boden ganz billig ist. Wieder einmal werden Probleme Rest-Brasiliens auf Kosten von Amazonien gelöst."
Rio de Janeiro beispielsweise ist von Manaus über 4000 Kilometer entfernt.
"”Quente demais, quente!""
Merkwürdig - alle Welt in Manaus stöhnt über die Hitze und müsste doch eigentlich dran gewöhnt sein. Der Grund ist - es wird in der Tat heißer, es häufen sich früher unbekannte Hitzewellen am Rio Negro. Amazonien spürt bereits den Klimawandel.
Mehr Hitze fördert das Absterben der Tropenbäume, sagt Edwin Kayser aus Holland, der bei Greenpeace die Satellitenfotos auswertet. Kayser entdeckt nicht nur Brandrodungen, sondern auch die Ungereimtheiten der offiziellen Umweltpolitik. Brasilia macht immer mehr Regenwälder zu Schutzgebieten – doch nur theoretisch:
"Theorie und Praxis klaffen weit auseinander. Naturschutzgebiete werden zwar öffentlich deklariert, aber dann meist gar nicht eingerichtet, bleiben nur auf dem Papier."
Auch für Kayser ist absurd, dass in Amazonien die meisten Grundbesitzurkunden gefälscht sind. Viehzüchter, Siedler und Großagrarier begehen schlichtweg Bodenraub und der Staat sieht auch noch zu, seit Jahrhunderten. In einem Land hoher Korruption und fehlender Rechtsstaatlichkeit ist das möglich und auch sehr einfach. Wer bis 1500 Hektar Staatswald illegal besetzte und abholzte, kriegt ab sofort sogar eine Besitzurkunde vom Staat. Brasiliens Umweltschützer nennen das desaströs, weil es die weitere illegale Waldzerstörung stimuliere.
Greenpeace erreichte mit Druck und Protesten, dass sich große internationale Unternehmen, darunter aus Deutschland, verpflichteten, kein Fleisch, kein Rindsleder und auch keine Soja mehr zu kaufen, die von neu gerodeten Urwaldflächen oder überhaupt aus Amazonien stammen. Das Problem ist – solche freiwilligen Selbstverpflichtungen lassen sich umgehen, wie Greenpeace weiß. Auch aus Europa steigt beispielsweise die Soja-Nachfrage – und kein einziger brasilianischer Soja-Fazendeiro, der brutal wunderbare Regenwälder abfackelte, bleibt auf seiner Ware sitzen.