Zerstörte Räume und andere Repressalien

Deutsches Historisches Institut in Moskau vor dem Aus

Soldaten der Roten Armee bei einer Veranstaltung in den 80er Jahren
Soldaten der Roten Armee: Geldbußen oder Arbeitsdienst für den, der an der Grossartigkeit des Sieges im Zweiten Weltkrieg zweifelt. © dpa picture alliance / Frank Leonhardt
Von Sabine Adler |
Russland hat den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Und das ist großartig. Punkt. Wer sich um eine differenziertere Sicht bemüht, macht sich in Russland schnell strafbar. So kann auch das Deutsche Historische Institut in Moskau seiner Forschungsarbeit nur noch mit Mühe nachgehen.
Der Weg zur Arbeit mit der Metro durch die 15-Millionen-Einwohner-Metropole Moskau ist für die 17 Mitarbeiter des Deutschen Historischen Instituts noch ein Stück länger geworden. Daran ändert auch die allgegenwärtige Beschallung unter Tage nichts.
Niemand beklagt sich, denn alle sind alle froh, ihre Stelle überhaupt noch zu haben. Bei einem schweren Brand Ende Januar in der Russischen Akademie der Wissenschaften wurden ihre Räume zerstört, die doch gerade erst erweitert worden waren. Ein Schlag, sagt Institutsleiter Nikolaus Katzer.
"Unsere Räume sind durch Wasser, Rauch und Ruß geschädigt worden. Oben waren Glaskuppeln, die hat man zerstört, damit der Rauch abziehen konnte, dort schneite es rein. Wir hatten erst im Herbst die Fläche unseres Institutes um das Doppelte erweitert, mit eigenen Mitteln ausgebaut, einen eigenen Veranstaltungsbereich gehabt, den wir bis dahin nicht hatten. Vier Monate haben wir davon gezehrt, ein paar Veranstaltungen haben stattgefunden, das war wunderbar, mit einer abgetrennten Übersetzerkabine. Wir kamen nicht einmal mehr dazu, Bilder aufzuhängen."
Die Akkreditierung als Institution läuft im Herbst aus
Als wäre dieser Verlust nicht genug macht die russische Bürokratie dem Deutschen Historischen Institut Moskau derzeit das Leben so schwer wie noch nie. Die Akkreditierung als Institution läuft im Herbst aus, eine Verlängerung ist nicht in Sicht.
"Es gibt im Augenblick nur zwei Formen, sich zu akkreditieren. Das eine ist als NGO, das sind wir nicht und das wollen wir nicht. Das ist für ein Forschungsinstitut natürlich auch nicht angemessen. Und die andere Form sind kommerzielle Unternehmen und das sind wir auch nicht. Die GRP, die staatliche Registrierungskammer, hat für uns diese Registrierungsnummer ausgestellt, aber die GRP haben sie zum Jahresende aufgelöst und wir hängen in der Luft."
Zusätzlich erhalten neue Mitarbeiter nur noch ein 90-Tage-Visum, was bedeutet, dass man danach ausreisen und drei Monate nicht nach Russland einreisen darf.
Der Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg wirft alljährlich seine Schatten voraus, in diesem Jahr sind sie deutlich länger. Im staatlichen russischen Fernsehen wird die Kriegsgeschichte wird mehr und mehr schwarz-weiß, denn mit abgestuften Grautönen gezeichnet, stellt auch Nikolaus Katzer fest.
"Die Gewalttätigkeiten beim Vormarsch der Roten Armee, die Opfer unter der Zivilbevölkerung, die Zerstörung – das kann man ja nicht einfach als unvermeidbare Kollateralschäden abtun, sondern darüber muss man sich im wissenschaftlichen und öffentlichen Dialog austauschen. Im Augenblick ist eine Tendenz zu spüren, nur die eine Sicht und nur die eigene Sicht und auch die sehr gefiltert gelten zu lassen."
Sieg im Weltkrieg: Wer das nicht großartig findet, bekommt Probleme
Öffentlich an der Großartigkeit des Sieges vor 70 Jahren zu zweifeln, steht seit Mai vorigen Jahres unter Strafe, das Gesetz Nr.128 FS sieht Geldbußen oder Arbeitsdienst für den vor, der öffentlich seine Nichtachtung für den militärischen Sieg bezeugt und öffentlichen Symbole des Sieges schändet.
Für den Leiter des Deutsch-Russischen Historischen Instituts Nikolaus Katzer ein bedrohliches Signal, vor allem in Richtung seiner russischen Kollegen.
"Wir haben das so noch nicht gespürt, aber für russische Wissenschaftler gilt das natürlich, dass man vorsichtiger wird, vor allem bei öffentlichen Äußerungen. Ich würde schon sagen, dass es einen Kernbereich in der Wissenschaft gibt, in dem unbeeindruckt wissenschaftliche Forschung möglich ist. Aber es endet, wenn es um Öffentlichkeit geht. Das spürt man schon, dass es eine große Vorsicht gibt. Bei wissenschaftlichen Konferenzen merkt man das so nicht."
Zudem sieht so mancher deutsche Wissenschaftler derzeit von einem Russlandbesuch ab, sogar beim Historischen Institut Moskau, um damit ein persönliches Zeichen zu setzen gegen die Annexion der Krim und den Krieg in der Ostukraine.
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