Zeugen und Träger einer unbequemen Geschichte
Es gibt einige wenige Deutsche, die ihre Sammlungen alter afrikanischer Kunst öffentlich ausgestellt und so Qualität, Wert und auch Herkunft des Erworbenen zur Debatte gestellt haben – darunter der Künstler Georg Baselitz oder der Sammler Dieter Scharf. Günter Kawik und Dorina Hecht – Sammler der eine, Kunsthistorikerin die andere – präsentieren nun Werke aus 36 deutschen Privatsammlungen in diesem opulent bebilderten Band.
Zu entdecken ist alte Kunst, die einmal Kult war: Masken, Skulpturen und Fetische, vielfach ausdrucksstärker als alles, was die westliche Moderne in Auseinandersetzung mit diesen Objekten hervorgebracht hat, geschaffen von Künstlern, deren Namen wir nie erfahren werden. Zu entdecken ist aber auch Zeitgenössisches von Künstlern, die sich selbst eben nicht als "afrikanisch" definieren, sondern als Teil einer globalen Gegenwartskunst, Künstler, die in Paris, London oder Berlin leben und arbeiten.
Ein heikles Unterfangen, denn "die Objekte sind Zeugen und Träger einer unbequemen Geschichte, die erst seit den letzten Jahren reflektiert wurde", wie die Ethnologin Heike Wintershoff in ihrem Beitrag zu diesem Band schreibt. Westliche Sammler – so stellt es bereits das Vorwort unmissverständlich klar – sind nicht nur selbstberufene Bewahrer des kulturellen Erbes Afrikas, sondern auch Profiteure der Kolonialgeschichte.
In klugen Aufsätzen wird die Geschichte dieses Sammelns beleuchtet – und auch die Problematik des entstandenen Markts. So wird die koloniale Enteignung zum wertsteigernden Faktor, wenn ein Fetisch vom Volk der Fang für eine halbe Million Euro statt der veranschlagten 800 Euro versteigert wird – weil der Einlieferer als Nachfahre eines deutschen Kolonialoffiziers die Echtheit des Objekts garantiert. So bringt die koloniale Erforschung ihre eigenen Objekte hervor, wenn im Hamburger Museum für Völkerkunde noch heute Arbeiten aus dem pazifischen Raum gezeigt werden, die von den dort lebenden Menschen eigens für die zahlkräftige Forschungsexpedition des Ethnologen Thilenius angefertigt wurden. Und so ist nicht ohne Grund ein ganzer Aufsatz in diesem Band der Frage gewidmet, wie mit naturwissenschaftlichen Methoden die Patina einer "guten Fälschung" von der einer echten, 400 Jahre alten Bronze aus Benin zu unterscheiden ist.
Interessant und klug erzählt dieser Band auch die Geschichte der zeitgenössischen afrikanischen Kunst. Zu lesen, dass der Staat Benin den Beruf des Künstlers bis heute nicht kennt – und Künstlern demgemäß auch keine Sozialversicherung und kein Visum für Ausstellungen im Ausland gewährt –, erdet alle hochfliegenden Träume von einer global vernetzten Gegenwartskunst. Genau wie die verblüffend ausdrucksstarken Masken aus Benzinkanistern, mit denen der Künstler Romuald Hazoumé – einer der wenigen internationalen Stars der afrikanischen zeitgenössischen Kunst – den westlichen Markt kommentiert, der von ihm eben "Masken erwartet".
Künstler aus Afrika können noch lange nicht zur westlichen Normalität übergehen: Das versteht man durch diesen Band - aber auch, dass dieses Ringen mit einer perversen Geschichte Großes hervorbringt, etwa wenn Georges Adéagbo aus Benin mit seinen Installationen die ethnologische Sammlung in Ulm bespielt.
Das alles ist äußerst erhellend. Aber man kann es leider nicht auf die hier anonym gezeigten 36 deutschen Privatsammlungen beziehen. Denn zur Herkunfts- und Erwerbsgeschichte der abgebildeten Werke, zur Provenienz, schweigt dieser Band. "Sammler zahlen heute angemessene Summen in Auktionen, kaufen bei seriösen Händlern oder wählen als Alternative, zunehmend zeitgenössische Kunst zu erwerben", heißt es im Vorwort. Den Beweis dafür bleiben die hier beteiligten Sammler schuldig. So werden in diesem Band die richtigen Fragen gestellt – beantwortet werden sie beim Durchblättern des reichen Bildteils nicht. Auch wenn schon allein die Betrachtung der prachtvollen Objekte eine Freude ist.
Besprochen von Alexandra Mangel
Dorina Hecht/Günter Kawik (Hrsg.): Afrika und die Kunst. Einblicke in deutsche Privatsammlungen
Kawik Verlag, Bottrop 2010
488 Seiten, 98 Euro
Ein heikles Unterfangen, denn "die Objekte sind Zeugen und Träger einer unbequemen Geschichte, die erst seit den letzten Jahren reflektiert wurde", wie die Ethnologin Heike Wintershoff in ihrem Beitrag zu diesem Band schreibt. Westliche Sammler – so stellt es bereits das Vorwort unmissverständlich klar – sind nicht nur selbstberufene Bewahrer des kulturellen Erbes Afrikas, sondern auch Profiteure der Kolonialgeschichte.
In klugen Aufsätzen wird die Geschichte dieses Sammelns beleuchtet – und auch die Problematik des entstandenen Markts. So wird die koloniale Enteignung zum wertsteigernden Faktor, wenn ein Fetisch vom Volk der Fang für eine halbe Million Euro statt der veranschlagten 800 Euro versteigert wird – weil der Einlieferer als Nachfahre eines deutschen Kolonialoffiziers die Echtheit des Objekts garantiert. So bringt die koloniale Erforschung ihre eigenen Objekte hervor, wenn im Hamburger Museum für Völkerkunde noch heute Arbeiten aus dem pazifischen Raum gezeigt werden, die von den dort lebenden Menschen eigens für die zahlkräftige Forschungsexpedition des Ethnologen Thilenius angefertigt wurden. Und so ist nicht ohne Grund ein ganzer Aufsatz in diesem Band der Frage gewidmet, wie mit naturwissenschaftlichen Methoden die Patina einer "guten Fälschung" von der einer echten, 400 Jahre alten Bronze aus Benin zu unterscheiden ist.
Interessant und klug erzählt dieser Band auch die Geschichte der zeitgenössischen afrikanischen Kunst. Zu lesen, dass der Staat Benin den Beruf des Künstlers bis heute nicht kennt – und Künstlern demgemäß auch keine Sozialversicherung und kein Visum für Ausstellungen im Ausland gewährt –, erdet alle hochfliegenden Träume von einer global vernetzten Gegenwartskunst. Genau wie die verblüffend ausdrucksstarken Masken aus Benzinkanistern, mit denen der Künstler Romuald Hazoumé – einer der wenigen internationalen Stars der afrikanischen zeitgenössischen Kunst – den westlichen Markt kommentiert, der von ihm eben "Masken erwartet".
Künstler aus Afrika können noch lange nicht zur westlichen Normalität übergehen: Das versteht man durch diesen Band - aber auch, dass dieses Ringen mit einer perversen Geschichte Großes hervorbringt, etwa wenn Georges Adéagbo aus Benin mit seinen Installationen die ethnologische Sammlung in Ulm bespielt.
Das alles ist äußerst erhellend. Aber man kann es leider nicht auf die hier anonym gezeigten 36 deutschen Privatsammlungen beziehen. Denn zur Herkunfts- und Erwerbsgeschichte der abgebildeten Werke, zur Provenienz, schweigt dieser Band. "Sammler zahlen heute angemessene Summen in Auktionen, kaufen bei seriösen Händlern oder wählen als Alternative, zunehmend zeitgenössische Kunst zu erwerben", heißt es im Vorwort. Den Beweis dafür bleiben die hier beteiligten Sammler schuldig. So werden in diesem Band die richtigen Fragen gestellt – beantwortet werden sie beim Durchblättern des reichen Bildteils nicht. Auch wenn schon allein die Betrachtung der prachtvollen Objekte eine Freude ist.
Besprochen von Alexandra Mangel
Dorina Hecht/Günter Kawik (Hrsg.): Afrika und die Kunst. Einblicke in deutsche Privatsammlungen
Kawik Verlag, Bottrop 2010
488 Seiten, 98 Euro