Abschlussarbeiten des Leipziger Literaturinstituts nun im Netz
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Lange lagerten sie in einem Schrank in Leipzig, die Abschlussarbeiten am Literaturinstitut „Johannes R. Becher“. Die Forschung machte sie zugänglich. Die Texte der angehenden Schriftstellerinnen und Schriftsteller der DDR sind nun auch im Netz nachzulesen.
Das Leipziger Literaturinstitut beherbergt einen Fundus von über 470 Abschlussarbeiten aus DDR- und Wende-Zeiten, darunter Texte von Sarah Kirsch oder Erich Loest. Etliche davon kann man nun online nachlesen. Die alten, an der Schreibmaschine getippten Texte wurden dazu im Original - Seite für Seite - abfotografiert.
Lange wusste man um einen geheimnisumwitterten Schrank im Institut, in dem die Arbeiten lagern sollten. Die Schriftstellerin Isabelle Lehn hat den Schatz schließlich gehoben.
"Wir haben tatsächlich mehrere Stunden lang alphabetische Stapel auf dem Tisch sortiert", sagt sie im Deutschlandfunk Kultur.
Eine künstlerische und eine theoretische Arbeit
Die Studierenden hätten damals immer zwei Abschlussarbeiten einreichen müssen – eine künstlerische und eine essayistische oder theoretische.
"Die künstlerische Abschlussarbeit war bei Sarah Kirsch beispielsweise schon veröffentlicht, das waren Gedichte, die sie mit ihrem Mann Rainer Kirsch in dem Band ‚Gespräch mit dem Saurier‘ 1965 veröffentlicht hat."
Unveröffentlicht war noch ihre essayistische Abschlussarbeit, eine so genannte poetische Konfession, in der Kirsch auf ihr eigenes Schreiben blickt und wortwörtlich in einem kleinen Text ihren Schreibtisch in den Spiegel rückt, um zu betrachten, was sie da eigentlich macht, wenn sie schreibt.
50er Jahre: Glaube an die Utopie
Studiert wurde am Institut von Mitte der 50er bis in die frühen 90er Jahre. Thematisch geht es in den Anfangsjahren in den Abschlussarbeiten noch um Kriegserfahrung oder Holocaust, so Lehn.
"Und natürlich sind sie noch dem Geist des Aufbaus verpflichtet. Sie erzählen vom Aufbau der sozialistischen Gesellschaft, von der Arbeitswelt in den LPGs, in den Bergwerken, auf den Baustellen, den Brennpunkten des Sozialismus, und das alles sehr idealtypisch."
In den 60er Jahren - in der DDR auch als "Ankunftsliteratur" bekannt - herrschte unter den Heranwachsenden zunächst ein ganz neues Selbstbewusstsein. Der Jugend-Sound war beeinflusst von der Beat-Generation, sagt die Schriftstellerin.
Zensur und Flucht ins Private
Mitte der 60er Jahre - nach dem so genannten Kahlschlag-Plenum des Zentralkomitees der SED - geht die Zensur gegen vermeintlich dekadente, vulgäre Tendenzen vor. In dieser Zeit zeichne sich in den Abschlussarbeiten eine Flucht ins Private ab.
"Dann durchzieht eine Lyrikwelle das Land, die auch am Institut brandet - mit Autoren wie den Kirschs", sagt Lehn, während in den 80er Jahren experimentelle Tendenzen vorherrschten.
Die jüngsten Abschlussarbeiten entstanden unter dem Eindruck der Umbruchserfahrung der Wende. 1993 wurde das Literaturinstitut "Johannes R. Becher" geschlossen.
(huc)