Zickzackkurs bei der Homo-Ehe schadet Union
Die CDU ist verunsichert und weiß nicht mehr, was konservativ ist, sagt der Politikberater Michael Spreng. Durch das Nein der Partei zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften nach einer vorsichtigen Annäherung sei auch die Kanzlerin beschädigt.
André Hatting: Die Wehrpflicht ist abgeschafft, die Atomkraft wird aufgegeben, jetzt sollen homosexuelle Lebenspartnerschaften der Ehe gleichgestellt werden, das alles mit der CDU. Gralshüterin konservativer Werte, das war einmal – nicht alle an der Basis finden das gut, sprechen von Selbstaufgabe und fehlender Verlässlichkeit. Und zumindest in Sachen Homoehe ist die Parteiführung jetzt auf die Bremse getreten: Man wolle nun doch erst auf das Bundesverfassungsgericht warten. Das entscheidet bis zum Sommer über die steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare. Hat die CDU hier gerade noch die Kurve gekriegt oder sich durch den Zickzackkurs aus der Bahn geworfen? Darüber spreche ich jetzt mit Michael Spreng. Der Journalist war Politikberater in der Union, unter anderem für Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers. Guten Morgen, Herr Spreng!
Michael Spreng: Guten Morgen!
Hatting: Ist die CDU mit dieser Vollbremse gut beraten?
Spreng: Ja, diese Vollbremsung zeigt, dass die Partei in einer Identitätskrise ist. Sie weiß nicht mehr genau, wer sie ist, was ist konservativ, was ist noch der Schutz, der im Grundgesetz vorgeschrieben ist, von Ehe und Familie – sie ist verunsichert. Und dann bricht diese Identitätskrise, die durch die strahlende Gestalt der Kanzlerin normalerweise überdeckt wird, diese Identitätskrise bricht an solchen Stellen dann auf wie bei der Diskussion um die Homoehe.
Hatting: Macht sich diese Identitätskrise auch an der Person von Angela Merkel fest, die ja vielleicht doch eigentlich einverstanden gewesen wäre mit der Gleichstellung, dann aber gemerkt hat, oh, oh, die Basis munkelt, es gibt Parteiaustritte, schnell wieder rückwärtsgehen?
Spreng: Ja, so ist es. Also Frau Merkel hat ja, wenn man so will, keine klassische CDU-DNA, sondern sie sieht das unverkrampfter und unideologischer als die konservativen Teile der Partei. Und sie wollte ihren Modernisierungskurs vorantreiben, weil sie weiß, die CDU kann als Volkspartei nur überleben, wenn sie den gesellschaftlichen Anschluss behält. Aber in diesem Fall ist sie mit ihrer Modernisierung offenbar an die Grenzen gestoßen, sonst hätte sie nicht zurückrudern müssen, und sie hat ja auch Leute wie Volker Kauder, die sie vorgeschickt hatte, hatte sie ja damit gewissermaßen im Regen stehen lassen.
Hatting: Jetzt haben wir aber – es klingt so ein bisschen wie ein Paradoxon - einerseits muss sie gesellschaftliche Entwicklungen im Prinzip mittragen, damit sie wählbar bleibt, andererseits aber sprechen Sie von einer Identitätskrise, eben weil für die Identität der CDU ja so entscheidend ist, konservative Werte zu pflegen. Wie kommt man da raus?
Spreng: Ja, das ist das Problem einer Volkspartei, einerseits voranzuschreiten und andererseits die mitzunehmen, die diese Schritte nicht mitgehen wollen. Und insofern entsteht da ein Vakuum, deshalb ist auch meine These, dass im Grunde – denn die CDU wird ja die Homoehe voll gleichstellen und akzeptieren, denn sie wird einfach durch die gesellschaftliche Wirklichkeit und das Verfassungsgericht dazu gezwungen, und in anderen Fragen ist das ja ähnlich. Es wird auch ein Mindestlohn kommen und so weiter. Das heißt, es werden welche zurückbleiben, und dadurch entsteht auch ein potenzielles Sammelbecken für eine neue konservative Partei. Es ist die Frage, wie lange gelingt es Frau Merkel noch, gleichzeitig zu modernisieren und den konservativen Teil der Partei bei der Stange zu halten?
Hatting: Macht sie das bisher geschickt, indem sie einerseits ihre Position nicht durchdrischt gegen Widerstände in der Partei, vor allem der Basis, um niemanden vor den Kopf zu stoßen, sondern einfach sagt, na ja, seht her, Karlsruhe will es, ich kann nicht anders?
Spreng: Ja, gut, das ist ja ihr Politikstil überhaupt, sie prescht nicht vor, sie sagt nicht: Das will ich und ihr müsst mir folgen, ihr könnt nicht anders! -, sondern sie macht das ganz vorsichtig. Sie schickt erst mal Leute vor, wie in diesem Fall Kauder und andere, sie schaut, wie ist die Reaktion der Partei, hält sich bedeckt, um am Ende noch die Notbremse notfalls ziehen zu können und selbst nicht beschädigt zu werden. Nur in diesem Fall ist ja offenkundig, dass die Modernisierung von ihr ausgeht, auch in dieser Frage, und insofern ist sie diesmal mit beschädigt.
Hatting: Sie haben gerade gesagt, dass dieser Kurs der CDU oder das Problem, eben nicht alle in der Partei mitnehmen zu können, möglicherweise zu einem Sammelbecken neuer konservativer Kräfte führen könnte. Das heißt, auch die CSU erfüllt die Rolle innerhalb der Union nicht.
Spreng: Ja, sie kann sie ja nur regional erfüllen, und auch die CSU steht unter Modernisierungszwang. Das wird zwar alle vier Jahre bei Landtagswahlen verdeckt, wenn sie gewissermaßen in die alten Verhaltensmuster zurückfällt, aber ansonsten steht auch die CSU unter Modernisierungszwang als Volkspartei. Sie will ja auch eine städtische Partei bleiben, insofern ist das schon ein Unionsgesamtproblem, nur bei der CSU ist es nicht so augenfällig.
Hatting: Wenn man sich an der Basis umhört, dann sagen die, wir sind seit Jahrzehnten CDU-Wähler gewesen, wir stehen zu dieser Partei, können Sie sich wirklich vorstellen, dass es Zeit wäre für eine neue konservative Kraft in Deutschland?
Spreng: Ja, ich sehe sie nicht, weil es dafür keine Köpfe gibt, ja? Aber das Potenzial dafür ist aus meiner Sicht vorhanden, weil wirklich jetzt doch ein Teil der Partei – ich meine, kein großer Teil mehr, das sind vielleicht fünf bis zehn Prozent –, aber ein Teil bleibt zurück. Es wird CDU-Wähler geben, die den Weg beispielsweise zur vollen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften einfach nicht mitgehen werden.
Hatting: Bleibt überhaupt noch etwas vom konservativen Markenkern der CDU oder wird Ihrer Meinung nach jetzt alles scheibchenweise aufgegeben?
Spreng: Ja, das ist ja die Frage. Ich meine, selbst diejenigen, die das Konservative in der CDU pflegen wollen, können ja konservativ gar nicht mehr richtig definieren und nicht mehr an politischen Projekten festmachen. Also insofern sind auch die Konservativen in der CDU in einer Identitätskrise, aber diese Krise, wie gesagt, die kommt nicht zum Ausbruch, so lange die Kanzlerin eine so strahlende, überragende Figur ist, die Wahlerfolge garantiert. Wenn das mal nicht mehr so wäre, würde aus der Identitätskrise eine Krise der CDU.
Hatting: Sie haben ja, Herr Spreng, Erfahrungen mit dieser Partei. Was würden Sie der CDU denn jetzt empfehlen als Berater, so mitten im Wahlkampf, wie sollte sie sich verhalten?
Spreng: Da kann ich Ihnen nichts empfehlen, nein. Das ist ein so grundsätzliches Problem, also das überfordert einen Wahlkampf- oder Politikberater, nein, das ist etwas, was ausdiskutiert werden muss, und das macht man halt nicht in Wahlkämpfen, das macht man danach. Aber die CDU hat ja gerade auf ihrem Parteitag diskutiert, aber es muss ausdiskutiert werden. Die CDU muss sich endlich drüber klar werden, wie weit geht ihre Modernisierung, was trägt die ganze Partei mit, aber da kann man von außen jetzt keinen Ratschlag geben.
Hatting: Der Journalist und ehemalige Politikberater Michael Spreng über die Identitätskrise der CDU. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Spreng!
Spreng: Ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Spreng: Guten Morgen!
Hatting: Ist die CDU mit dieser Vollbremse gut beraten?
Spreng: Ja, diese Vollbremsung zeigt, dass die Partei in einer Identitätskrise ist. Sie weiß nicht mehr genau, wer sie ist, was ist konservativ, was ist noch der Schutz, der im Grundgesetz vorgeschrieben ist, von Ehe und Familie – sie ist verunsichert. Und dann bricht diese Identitätskrise, die durch die strahlende Gestalt der Kanzlerin normalerweise überdeckt wird, diese Identitätskrise bricht an solchen Stellen dann auf wie bei der Diskussion um die Homoehe.
Hatting: Macht sich diese Identitätskrise auch an der Person von Angela Merkel fest, die ja vielleicht doch eigentlich einverstanden gewesen wäre mit der Gleichstellung, dann aber gemerkt hat, oh, oh, die Basis munkelt, es gibt Parteiaustritte, schnell wieder rückwärtsgehen?
Spreng: Ja, so ist es. Also Frau Merkel hat ja, wenn man so will, keine klassische CDU-DNA, sondern sie sieht das unverkrampfter und unideologischer als die konservativen Teile der Partei. Und sie wollte ihren Modernisierungskurs vorantreiben, weil sie weiß, die CDU kann als Volkspartei nur überleben, wenn sie den gesellschaftlichen Anschluss behält. Aber in diesem Fall ist sie mit ihrer Modernisierung offenbar an die Grenzen gestoßen, sonst hätte sie nicht zurückrudern müssen, und sie hat ja auch Leute wie Volker Kauder, die sie vorgeschickt hatte, hatte sie ja damit gewissermaßen im Regen stehen lassen.
Hatting: Jetzt haben wir aber – es klingt so ein bisschen wie ein Paradoxon - einerseits muss sie gesellschaftliche Entwicklungen im Prinzip mittragen, damit sie wählbar bleibt, andererseits aber sprechen Sie von einer Identitätskrise, eben weil für die Identität der CDU ja so entscheidend ist, konservative Werte zu pflegen. Wie kommt man da raus?
Spreng: Ja, das ist das Problem einer Volkspartei, einerseits voranzuschreiten und andererseits die mitzunehmen, die diese Schritte nicht mitgehen wollen. Und insofern entsteht da ein Vakuum, deshalb ist auch meine These, dass im Grunde – denn die CDU wird ja die Homoehe voll gleichstellen und akzeptieren, denn sie wird einfach durch die gesellschaftliche Wirklichkeit und das Verfassungsgericht dazu gezwungen, und in anderen Fragen ist das ja ähnlich. Es wird auch ein Mindestlohn kommen und so weiter. Das heißt, es werden welche zurückbleiben, und dadurch entsteht auch ein potenzielles Sammelbecken für eine neue konservative Partei. Es ist die Frage, wie lange gelingt es Frau Merkel noch, gleichzeitig zu modernisieren und den konservativen Teil der Partei bei der Stange zu halten?
Hatting: Macht sie das bisher geschickt, indem sie einerseits ihre Position nicht durchdrischt gegen Widerstände in der Partei, vor allem der Basis, um niemanden vor den Kopf zu stoßen, sondern einfach sagt, na ja, seht her, Karlsruhe will es, ich kann nicht anders?
Spreng: Ja, gut, das ist ja ihr Politikstil überhaupt, sie prescht nicht vor, sie sagt nicht: Das will ich und ihr müsst mir folgen, ihr könnt nicht anders! -, sondern sie macht das ganz vorsichtig. Sie schickt erst mal Leute vor, wie in diesem Fall Kauder und andere, sie schaut, wie ist die Reaktion der Partei, hält sich bedeckt, um am Ende noch die Notbremse notfalls ziehen zu können und selbst nicht beschädigt zu werden. Nur in diesem Fall ist ja offenkundig, dass die Modernisierung von ihr ausgeht, auch in dieser Frage, und insofern ist sie diesmal mit beschädigt.
Hatting: Sie haben gerade gesagt, dass dieser Kurs der CDU oder das Problem, eben nicht alle in der Partei mitnehmen zu können, möglicherweise zu einem Sammelbecken neuer konservativer Kräfte führen könnte. Das heißt, auch die CSU erfüllt die Rolle innerhalb der Union nicht.
Spreng: Ja, sie kann sie ja nur regional erfüllen, und auch die CSU steht unter Modernisierungszwang. Das wird zwar alle vier Jahre bei Landtagswahlen verdeckt, wenn sie gewissermaßen in die alten Verhaltensmuster zurückfällt, aber ansonsten steht auch die CSU unter Modernisierungszwang als Volkspartei. Sie will ja auch eine städtische Partei bleiben, insofern ist das schon ein Unionsgesamtproblem, nur bei der CSU ist es nicht so augenfällig.
Hatting: Wenn man sich an der Basis umhört, dann sagen die, wir sind seit Jahrzehnten CDU-Wähler gewesen, wir stehen zu dieser Partei, können Sie sich wirklich vorstellen, dass es Zeit wäre für eine neue konservative Kraft in Deutschland?
Spreng: Ja, ich sehe sie nicht, weil es dafür keine Köpfe gibt, ja? Aber das Potenzial dafür ist aus meiner Sicht vorhanden, weil wirklich jetzt doch ein Teil der Partei – ich meine, kein großer Teil mehr, das sind vielleicht fünf bis zehn Prozent –, aber ein Teil bleibt zurück. Es wird CDU-Wähler geben, die den Weg beispielsweise zur vollen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften einfach nicht mitgehen werden.
Hatting: Bleibt überhaupt noch etwas vom konservativen Markenkern der CDU oder wird Ihrer Meinung nach jetzt alles scheibchenweise aufgegeben?
Spreng: Ja, das ist ja die Frage. Ich meine, selbst diejenigen, die das Konservative in der CDU pflegen wollen, können ja konservativ gar nicht mehr richtig definieren und nicht mehr an politischen Projekten festmachen. Also insofern sind auch die Konservativen in der CDU in einer Identitätskrise, aber diese Krise, wie gesagt, die kommt nicht zum Ausbruch, so lange die Kanzlerin eine so strahlende, überragende Figur ist, die Wahlerfolge garantiert. Wenn das mal nicht mehr so wäre, würde aus der Identitätskrise eine Krise der CDU.
Hatting: Sie haben ja, Herr Spreng, Erfahrungen mit dieser Partei. Was würden Sie der CDU denn jetzt empfehlen als Berater, so mitten im Wahlkampf, wie sollte sie sich verhalten?
Spreng: Da kann ich Ihnen nichts empfehlen, nein. Das ist ein so grundsätzliches Problem, also das überfordert einen Wahlkampf- oder Politikberater, nein, das ist etwas, was ausdiskutiert werden muss, und das macht man halt nicht in Wahlkämpfen, das macht man danach. Aber die CDU hat ja gerade auf ihrem Parteitag diskutiert, aber es muss ausdiskutiert werden. Die CDU muss sich endlich drüber klar werden, wie weit geht ihre Modernisierung, was trägt die ganze Partei mit, aber da kann man von außen jetzt keinen Ratschlag geben.
Hatting: Der Journalist und ehemalige Politikberater Michael Spreng über die Identitätskrise der CDU. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Spreng!
Spreng: Ich danke auch!
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