Zimmermann: Kultur ist keine normale Ware
Die EU-Handelsminister verhandeln heute über das Freihandelsabkommen mit den USA. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, fordert, dass sich die Bundesregierung für die Herausnahme des Kultursektors aus diesem Abkommen eintrete.
Britta Bürger: Sollte Frankreich heute von seinem Vetorecht Gebrauch machen, dann wären die europäisch-amerikanischen Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen bereits beendet, bevor sie überhaupt begonnen haben. Frankreich pocht darauf, die Kultur aus diesen Verhandlungen auszunehmen. Auch die anderen Europäer sind dafür, wollen die generellen Verhandlungen deshalb jedoch nicht torpedieren. Bevor wir darüber mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates sprechen, bringt uns Bericht von Annette Riedel (MP3-Audio) Annette Riedel auf den Stand der Diskussion.
Bürger: Und wie sicher, wie optimistisch ist der Deutsche Kulturrat? Das fragen wir jetzt dessen Geschäftsführer. Schönen guten Morgen, Olaf Zimmermann!
Olaf Zimmermann: Einen schönen guten Morgen!
Bürger: Deutschland besteht auch auf der kulturellen Ausnahme, ist aber nicht bereit, wie Frankreich das zur Voraussetzung zu machen, um überhaupt Verhandlungen zu beginnen. Ist das diplomatisch besonders geschickt oder einfach nicht mutig genug?
Zimmermann: Ich glaube, das ist einfach nicht angemessen genug, weil natürlich haben alle die recht, die sagen, dass Kultur keine normalen Waren sind wie Waschmaschinen oder Autos. Selbstverständlich hat auch Kultur einen Warencharakter, aber sie hat eben noch einen ganz starken auch kulturellen, identitätsstiftenden Charakter.
Und um den letztendlich abzusichern, braucht es diese Ausnahme, nicht nur um das jetzt abzusichern, was wir hier und heute schon haben, sondern die Ausnahme ist deshalb besonders wichtig, weil es ja auch um die Zukunft geht. Wenn ich den Kultur- und Medienbereich aus solchen Verhandlungen ausnehmen kann, dann wird es auch nachher keinerlei Vereinbarungen geben können, die möglicherweise die Zukunft, zum Beispiel die digitale Welt betreffen, von Verhandlungsstrukturen oder auch Verwertungsstrukturen, die wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen können, die aber letztendlich jetzt bei einer solchen Verhandlung schon vorgeprägt werden.
Bürger: Die größten Sorgen machen sich die Filmschaffenden, die ohne zum Beispiel die großzügige Filmförderung, die es in Deutschland gibt, mau aussehen würden, deshalb gab es ja auch bei den Filmfestspielen von Cannes einen viel beachteten Aufschrei der Filmschaffenden. Allen voran hat sich Wim Wenders sich dort sehr stark gemacht für die kulturelle Ausnahme.
Auf der anderen Seite hat aber der Europadirektor der Motion Picture Association of America erklärt, er werde die kulturelle Ausnahme anerkennen. Also da ist ein Entgegenkommen sichtbar. Wird das Drohszenario also vielleicht doch etwas aufgeblasen?
Zimmermann: Ich glaube einfach nicht, weil man muss einfach sehen, dass wir ja mit dem, was wir als Filmförderung machen, ob das in Deutschland ist oder in Europa, den Markt ja absichtlich verzerren. Also das, was wir machen, ist genau gegen die Idee eines solchen Freihandelsabkommens gerichtet. Die wollen ja einen gemeinsamen Binnenmarkt schaffen, das heißt, dann darf es keine Marktverzerrungen mehr geben.
Wenn wir aber zum Beispiel Filmförderung betreiben, dann versuchen wir ja den Markt zugunsten unserer Filme, zulasten der Hollywood-Filme zu verzerren. Und das würde eindeutig in der Zukunft nicht mehr möglich sein, weil das ja den Grundprinzipien eines solchen Freihandelsabkommens widersprechen würde, wenn der Kultur- und Medienbereich beinhaltet wäre.
Bürger: In der "Süddeutschen Zeitung" gab es einen Bericht, in dem den Kulturbewahrern vorgeworfen wurde, sie definierten die europäischen Kulturen als schutzbedürftig, nicht wettbewerbsfähig, in ihrer Vielfalt bedroht, als wären sie seltene, schwache Pflanzen. Sind die Kulturschaffenden in Deutschland vielleicht zu wenig selbstbewusst? Warum sollten sie sich nicht auch auf einem größeren Markt behaupten können?
Zimmermann: Nein, das ist gar nicht die Frage, ob wir uns auf einem größeren Markt behaupten können, sondern unsere Idee ist, wie kann man die Vielfalt erhalten. Also wir sehen ja sehr deutlich, was wir an sehr großen, aber eben sehr einfältigen Unternehmen aus den Vereinigten Staaten bekommen.
Wir müssen uns ja gegen Google, gegen Amazon, gegen Youtube wehren. Und wenn wir die Vielfalt in Europa erhalten wollen, müssen wir auch die Instrumentarien erhalten, die diese Vielfalt überhaupt erst möglich machen. Und wir sind sehr stark, wir sind kulturell, eindeutig auch kulturell wirtschaftlich, was die Vielfalt angeht, so stark wie auch die Vereinigten Staaten, aber wir wollen uns eben auch nicht letztendlich übernehmen lassen durch wenige Unternehmen, die jetzt in den Vereinigten Staaten so stark an Marktmacht zugenommen haben.
Bürger: Welche Bereiche der Kultur sehen Sie denn durch das geplante Freihandelsabkommen in besonderer Gefahr?
Zimmermann: Also es ist erst einmal die Filmförderung, die Sie eben schon genannt hat, es ist die grenzübergreifende Buchpreisbindung, die in Gefahr ist, es ist der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk, der in Gefahr ist, der ja auch einen solchen marktverzerrenden Sondertatbestand darstellt. Und es sind ganz besonders die neuen digitalen Vertriebsformen, von denen wir im Moment ja nur quasi die ersten Ideen haben, wohin sich das entwickeln wird.
Bürger: In den Nachrichten heißt es, es würde sich jetzt doch noch ein Kompromiss abzeichnen, die EU-Länder sollen in kulturellen Fragen ein größeres Mitspracherecht bekommen. Wie könnte dieser Kompromiss denn genau aussehen?
Zimmermann: Also was man jetzt eben hört, dass es erst mal der EU-Kommission sehr wichtig ist, dass diese Verhandlungen überhaupt stattfinden und die Sorge glücklicherweise groß ist, dass man auch an der Kultur scheitern könnte. Deswegen ist man offensichtlich ja auch zu Zugeständnissen bereit. Das, was im Moment diskutiert wird, geht ja dahin, dass, wenn man denn doch über Kultur- und Medienfragen diskutieren will - und offensichtlich wollen ja eine ganze Menge gerade darüber auch in diesem Freihandelsabkommen diskutieren -, müssen dann noch mal alle europäischen Länder vorher gefragt werden.
Das ist ein denkbarer Weg. Natürlich wäre eine Vorabausnahme noch viel, viel besser, aber wenn das nicht zu erreichen wäre, wäre eine solche, ich sag mal zweite Befragung aller europäischen Länder, wo auch wieder alle europäischen Mitgliedsstaaten ein Vetorecht hätten, auch eine Chance, zumindest den größten Schaden erst einmal abzuwenden.
Bürger: Und wie bewerten Sie den französischen Kurs?
Zimmermann: Also, ich bin dankbar, dass die Franzosen einen solchen klaren und unmissverständlichen Kurs haben. Ich würde mir sehr wünschen, unsere eigene Bundesregierung würde so hinter dem Kultur- und Medienbereich stehen, wie das im Moment die französische Regierung tut.
Bürger: Na ja, der Kulturstaatsminister Bernd Neumann denkt ja, er könnte die kulturelle Ausnahme in den Verhandlungen durchsetzen. Warum sollte das denn nicht realistisch sein?
Zimmermann: Ja, das ist genau der Punkt. Also, das was man nachher hineinverhandelt, dann kann man nicht mehr einen bestimmten Bereich ausnehmen, sondern dann kann man nur noch sagen, zum Beispiel wäre eine denkbare Möglichkeit, Filmförderung wird nicht angetastet. Dann reden wir aber nur über die heute existierenden Filmförderungsmaßnahmen.
Wir reden nicht über das, was in der Zukunft entstehen könnte, weil man kann eben nichts dann quasi originär regeln in einer solchen Verhandlung, was es noch gar nicht gibt. Ich kann das nur ausnehmen, indem ich sage, ich nehme einen gesamten Bereich aus.
Das, was also Bernd Neumann uns dort verspricht, dass das quasi möglich wäre, ist praktisch nachher nicht möglich, und deswegen wird es uns auch nichts helfen. Wir brauchen eine generelle Ausnahme des Kultur- und Medienbereiches.
Bürger: Heute entscheidet sich, ob die 27 EU-Länder geschlossen dafür stimmen, Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen aufzunehmen oder eben, ob Frankreichs konsequentes Pochen auf die kulturelle Ausnahme das Ganze torpediert. Olaf Zimmermann, herzlichen Dank für das Gespräch!
Zimmermann: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Bürger: Und wie sicher, wie optimistisch ist der Deutsche Kulturrat? Das fragen wir jetzt dessen Geschäftsführer. Schönen guten Morgen, Olaf Zimmermann!
Olaf Zimmermann: Einen schönen guten Morgen!
Bürger: Deutschland besteht auch auf der kulturellen Ausnahme, ist aber nicht bereit, wie Frankreich das zur Voraussetzung zu machen, um überhaupt Verhandlungen zu beginnen. Ist das diplomatisch besonders geschickt oder einfach nicht mutig genug?
Zimmermann: Ich glaube, das ist einfach nicht angemessen genug, weil natürlich haben alle die recht, die sagen, dass Kultur keine normalen Waren sind wie Waschmaschinen oder Autos. Selbstverständlich hat auch Kultur einen Warencharakter, aber sie hat eben noch einen ganz starken auch kulturellen, identitätsstiftenden Charakter.
Und um den letztendlich abzusichern, braucht es diese Ausnahme, nicht nur um das jetzt abzusichern, was wir hier und heute schon haben, sondern die Ausnahme ist deshalb besonders wichtig, weil es ja auch um die Zukunft geht. Wenn ich den Kultur- und Medienbereich aus solchen Verhandlungen ausnehmen kann, dann wird es auch nachher keinerlei Vereinbarungen geben können, die möglicherweise die Zukunft, zum Beispiel die digitale Welt betreffen, von Verhandlungsstrukturen oder auch Verwertungsstrukturen, die wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen können, die aber letztendlich jetzt bei einer solchen Verhandlung schon vorgeprägt werden.
Bürger: Die größten Sorgen machen sich die Filmschaffenden, die ohne zum Beispiel die großzügige Filmförderung, die es in Deutschland gibt, mau aussehen würden, deshalb gab es ja auch bei den Filmfestspielen von Cannes einen viel beachteten Aufschrei der Filmschaffenden. Allen voran hat sich Wim Wenders sich dort sehr stark gemacht für die kulturelle Ausnahme.
Auf der anderen Seite hat aber der Europadirektor der Motion Picture Association of America erklärt, er werde die kulturelle Ausnahme anerkennen. Also da ist ein Entgegenkommen sichtbar. Wird das Drohszenario also vielleicht doch etwas aufgeblasen?
Zimmermann: Ich glaube einfach nicht, weil man muss einfach sehen, dass wir ja mit dem, was wir als Filmförderung machen, ob das in Deutschland ist oder in Europa, den Markt ja absichtlich verzerren. Also das, was wir machen, ist genau gegen die Idee eines solchen Freihandelsabkommens gerichtet. Die wollen ja einen gemeinsamen Binnenmarkt schaffen, das heißt, dann darf es keine Marktverzerrungen mehr geben.
Wenn wir aber zum Beispiel Filmförderung betreiben, dann versuchen wir ja den Markt zugunsten unserer Filme, zulasten der Hollywood-Filme zu verzerren. Und das würde eindeutig in der Zukunft nicht mehr möglich sein, weil das ja den Grundprinzipien eines solchen Freihandelsabkommens widersprechen würde, wenn der Kultur- und Medienbereich beinhaltet wäre.
Bürger: In der "Süddeutschen Zeitung" gab es einen Bericht, in dem den Kulturbewahrern vorgeworfen wurde, sie definierten die europäischen Kulturen als schutzbedürftig, nicht wettbewerbsfähig, in ihrer Vielfalt bedroht, als wären sie seltene, schwache Pflanzen. Sind die Kulturschaffenden in Deutschland vielleicht zu wenig selbstbewusst? Warum sollten sie sich nicht auch auf einem größeren Markt behaupten können?
Zimmermann: Nein, das ist gar nicht die Frage, ob wir uns auf einem größeren Markt behaupten können, sondern unsere Idee ist, wie kann man die Vielfalt erhalten. Also wir sehen ja sehr deutlich, was wir an sehr großen, aber eben sehr einfältigen Unternehmen aus den Vereinigten Staaten bekommen.
Wir müssen uns ja gegen Google, gegen Amazon, gegen Youtube wehren. Und wenn wir die Vielfalt in Europa erhalten wollen, müssen wir auch die Instrumentarien erhalten, die diese Vielfalt überhaupt erst möglich machen. Und wir sind sehr stark, wir sind kulturell, eindeutig auch kulturell wirtschaftlich, was die Vielfalt angeht, so stark wie auch die Vereinigten Staaten, aber wir wollen uns eben auch nicht letztendlich übernehmen lassen durch wenige Unternehmen, die jetzt in den Vereinigten Staaten so stark an Marktmacht zugenommen haben.
Bürger: Welche Bereiche der Kultur sehen Sie denn durch das geplante Freihandelsabkommen in besonderer Gefahr?
Zimmermann: Also es ist erst einmal die Filmförderung, die Sie eben schon genannt hat, es ist die grenzübergreifende Buchpreisbindung, die in Gefahr ist, es ist der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk, der in Gefahr ist, der ja auch einen solchen marktverzerrenden Sondertatbestand darstellt. Und es sind ganz besonders die neuen digitalen Vertriebsformen, von denen wir im Moment ja nur quasi die ersten Ideen haben, wohin sich das entwickeln wird.
Bürger: In den Nachrichten heißt es, es würde sich jetzt doch noch ein Kompromiss abzeichnen, die EU-Länder sollen in kulturellen Fragen ein größeres Mitspracherecht bekommen. Wie könnte dieser Kompromiss denn genau aussehen?
Zimmermann: Also was man jetzt eben hört, dass es erst mal der EU-Kommission sehr wichtig ist, dass diese Verhandlungen überhaupt stattfinden und die Sorge glücklicherweise groß ist, dass man auch an der Kultur scheitern könnte. Deswegen ist man offensichtlich ja auch zu Zugeständnissen bereit. Das, was im Moment diskutiert wird, geht ja dahin, dass, wenn man denn doch über Kultur- und Medienfragen diskutieren will - und offensichtlich wollen ja eine ganze Menge gerade darüber auch in diesem Freihandelsabkommen diskutieren -, müssen dann noch mal alle europäischen Länder vorher gefragt werden.
Das ist ein denkbarer Weg. Natürlich wäre eine Vorabausnahme noch viel, viel besser, aber wenn das nicht zu erreichen wäre, wäre eine solche, ich sag mal zweite Befragung aller europäischen Länder, wo auch wieder alle europäischen Mitgliedsstaaten ein Vetorecht hätten, auch eine Chance, zumindest den größten Schaden erst einmal abzuwenden.
Bürger: Und wie bewerten Sie den französischen Kurs?
Zimmermann: Also, ich bin dankbar, dass die Franzosen einen solchen klaren und unmissverständlichen Kurs haben. Ich würde mir sehr wünschen, unsere eigene Bundesregierung würde so hinter dem Kultur- und Medienbereich stehen, wie das im Moment die französische Regierung tut.
Bürger: Na ja, der Kulturstaatsminister Bernd Neumann denkt ja, er könnte die kulturelle Ausnahme in den Verhandlungen durchsetzen. Warum sollte das denn nicht realistisch sein?
Zimmermann: Ja, das ist genau der Punkt. Also, das was man nachher hineinverhandelt, dann kann man nicht mehr einen bestimmten Bereich ausnehmen, sondern dann kann man nur noch sagen, zum Beispiel wäre eine denkbare Möglichkeit, Filmförderung wird nicht angetastet. Dann reden wir aber nur über die heute existierenden Filmförderungsmaßnahmen.
Wir reden nicht über das, was in der Zukunft entstehen könnte, weil man kann eben nichts dann quasi originär regeln in einer solchen Verhandlung, was es noch gar nicht gibt. Ich kann das nur ausnehmen, indem ich sage, ich nehme einen gesamten Bereich aus.
Das, was also Bernd Neumann uns dort verspricht, dass das quasi möglich wäre, ist praktisch nachher nicht möglich, und deswegen wird es uns auch nichts helfen. Wir brauchen eine generelle Ausnahme des Kultur- und Medienbereiches.
Bürger: Heute entscheidet sich, ob die 27 EU-Länder geschlossen dafür stimmen, Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen aufzunehmen oder eben, ob Frankreichs konsequentes Pochen auf die kulturelle Ausnahme das Ganze torpediert. Olaf Zimmermann, herzlichen Dank für das Gespräch!
Zimmermann: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.