"Ein Clown muss immer überraschen”
Kurz vor dem Abitur schmiss Raoul Schoregge die Schule und heuerte als Clown beim Zirkus an. Außerdem managt er den Chinesischen Nationalcircus. Manager und Clown: Klingt wie ein Widerspruch, hat aber mehr Gemeinsamkeiten, als man glaubt.
Seine Eltern waren nicht begeistert, als der damals 18-jährige Raoul Schoregge der Einladung eines spanischen Clowns folgte. Dieser hatte Schoregge angeboten, mit ihm mitzureisen und ihn zum Clown auszubilden.
Seine Mutter versuchte, seinen Plan mit rechtlichen Mitteln zu vereiteln. Sein Vater – von Beruf Kunstmaler und eigentlich als Freigeist der Familie bekannt – ließ ihn zwar ziehen, stellte aber die eigentlich unerfüllbare Bedingung, sein Sohn solle doch wenigstens so werden wie Oleg Popow, bis heute einer der berühmtesten Clowns der Welt. "Das wäre so ähnlich, wenn Sie jemandem sagen, der Maler werden will, dass er so werden soll wie Picasso", sagt Schoregge heute.
Oleg Popow wird Lehrer und Freund
Raoul Schoregge blieb beim Zirkus: "Wenn man einmal Sägespäne unter den Füßen hat, dann kommt man nicht davon los." Seine Mutter konnte nichts dagegen tun, da er schon volljährig war. Schoregge ging beim großen russischen Clown Popow in die Lehre, freundete sich sogar mit ihm an. Sein Vater erlebte das – zu Schoregges Bedauern – nicht mehr mit.
Erst vor kurzem erfuhr Schoregge durch alte Briefe, dass in seinem Vater einst eine heimliche Liebe zum Zirkus geschlummert hatte. So konnte Schoregge mit seinem anspruchsvollen Vater Frieden schließen. "Eigentlich habe ich nichts falsch gemacht", sagt er rückblickend, "eigentlich habe ich sein Leben wirklich gelebt, was er sich vielleicht nicht getraut hat."
Dolmetscher und Mutmacher
Mittlerweile kann Schoregge mehrere Jahrzehnte Erfahrung in der Manege aufweisen. Er reiste mit dem Zirkus Krone und mit dem Zirkus Sarrasani von Stadt zu Stadt. Stets mit dabei: sein Alter Ego, der Clown Corregio. In seiner zweiten, rotnäsigen Identität erfüllt Schoregge in jeder Vorstellung gleich mehrere Aufgaben.
Der Clown wird zum "Dolmetscher", wie er sagt, "zwischen der Attraktion, die auf der Bühne stattfindet, und der Normalität der Menschen". Er wird zu einer Art Mutmacher: "Er stolpert, ohne hinzufallen. Und selbst wenn er hinfällt, steht er wieder auf und findet das Hinfallen nicht schlimm."
Wichtig sei auch, dass ein Clown immer überrascht: "Ein Clown, rutscht nie auf einer Bananenschale aus. Ein Clown sieht die Bananenschale, braucht eine halbe Stunde, um vorsichtig an ihr vorbeizukommen, um dann in den Gullyschacht zu fallen."
Zweitjob für den Chinesischen Nationalcirkus
Überraschend scheint auf den ersten Blick auch Schoregges zweiter Job. Im Chinesischen Nationalcircus steht er nämlich nicht nur als Clown in der Manege, er managt den Zirkus auch - schon seit 20 Jahren. "Ich habe mich immer dafür interessiert, Theater und Zirkus und Kultur zu machen. Ich wollte nicht nur immer ein Teil davon sein", sagt Schoregge.
Dabei profitiert er nicht nur von seiner Liebe zur chinesischen Kultur, sondern auch sein Alter Ego, der Clown Corregio, kann dem Manager Schoregge in manchen Belangen helfen: "Weil er durch seine Komik aus den brenzligsten Situationen herauskommen kann."
(nino)