"Wir wussten nicht wohin"
12:11 Minuten
Staatliche Hilfen bleiben aus, dafür sind die Nachbarn nett. Nach einem abgesagten Gastspiel in Beelitz bleibt die Zirkusfamilie Renz in Brandenburg auf einem Spargelhof hängen. Dank vieler Spenden werden auch die Zirkustiere satt.
Tamara Renz kann ihr Glück immer noch nicht so ganz fassen. Dass die Leute so viel spenden!
"Knäckebrot und Möhren für die Tiere. Eine Tüte Gummi-Bonbons für uns und die Kinder. Ja, wirklich: Jeden Tag kommt hier irgendetwas an. Es ist wie Weihnachten und Ostern und alle Feiertage zusammen."
Die Wiese verwandelt sich in einen Feuchtbiotop
Es ist Mittwochvormittag, und in Beelitz, dem Spargel-Hotspot Deutschlands herrscht Land unter. Schon seit den frühen Morgenstunden taut der Schnee in der Sonne. Das wäre an sich nicht dramatisch, wenn sich die Wiese, auf der ihr Zirkus kampiert, nicht langsam in eine Art Feuchtbiotop verwandeln würde. Doch der Matsch stört die drahtige Frau kaum:
"So viele Lebensmittel, wie ich momentan habe, hatte ich manchmal zu ganz normalen Zeiten nicht - vor Corona. Wenn wir mit dem Zirkus gastiert haben, dann hatte ich manchmal zehn, elf Euro und habe mich gefragt: Was koche ich denn jetzt?"
Die Familie der 51-Jährigen ist groß: acht Personen. "Alles Familie. Kinder. Enkelkinder. Mein Mann und ich." Zusammen sind sie: Zirkus Renz. Aber Vorsicht: Renz ist nicht gleich Renz.
"Zirkus Renz ist eine riesige Familien-Dynastie. Sie wurde 1846 ins Leben gerufen. In Berlin. Wir befinden uns gerade in der siebten Zirkus-Generation. Unsere Familie ist in ganz Deutschland unterwegs. Wir haben Familien-Mitglieder in Bayern. In Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen. Und bisher ist von uns noch niemand an Corona erkrankt. Und wir sind wirklich viele. Ganz, ganz viele."
"So viele Lebensmittel, wie ich momentan habe, hatte ich manchmal zu ganz normalen Zeiten nicht - vor Corona. Wenn wir mit dem Zirkus gastiert haben, dann hatte ich manchmal zehn, elf Euro und habe mich gefragt: Was koche ich denn jetzt?"
Die Familie der 51-Jährigen ist groß: acht Personen. "Alles Familie. Kinder. Enkelkinder. Mein Mann und ich." Zusammen sind sie: Zirkus Renz. Aber Vorsicht: Renz ist nicht gleich Renz.
"Zirkus Renz ist eine riesige Familien-Dynastie. Sie wurde 1846 ins Leben gerufen. In Berlin. Wir befinden uns gerade in der siebten Zirkus-Generation. Unsere Familie ist in ganz Deutschland unterwegs. Wir haben Familien-Mitglieder in Bayern. In Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen. Und bisher ist von uns noch niemand an Corona erkrankt. Und wir sind wirklich viele. Ganz, ganz viele."
Berlin und Brandenburg: Das ist das Revier von Tamara und ihrem Mann Hermann. Deshalb sind sie jetzt auch in Beelitz. Und zwar schon seit Anfang November. Eigentlich war ein Gastspiel auf dem "Spargelhof Jakobs" geplant.
"Wir wussten nicht wohin im November, als das Gastspiel hier nicht stattfinden konnte. Wegen des zweiten Lockdowns. Dann hat Familie Jakobs gesagt: Macht euch keine Gedanken! Ihr bleibt hier! Und da ist uns erst mal ein Riesen-Stein vom Herzen gefallen."
Jürgen Jakobs kommt: "Frau Renz! Hallo. Guten Tag. Ja, schön." Ab und zu schaut der Spargel-Bauer bei seinen Untermietern vorbei. Um Post vorbeizubringen. Oder einfach nur, um zu fragen, wie es denn so läuft.
Und plötzlich wieder Lockdown
Der Landwirt musste nicht lange überlegen, ob der Zirkus bei ihm überwintern kann. Kann er. Quasi kostenlos, zahlen müssen die Renz nur für den Strom, ungefähr achtzig Euro pro Woche.
Jakobs: "Na gut, wir hatten ja alle unsere Schwierigkeiten mit dieser Entscheidung, dass plötzlich wieder ein Lockdown da vor der Tür stand."
Auch der Geschäftsmann entstammt einer Dynastie: Einer Spargel-Dynastie. Seit gut 70 Jahren bauen die Jakobs Spargel an, ursprünglich im Rheinland, seit einem Vierteljahrhundert auch im Brandenburgischen.
Mit fünfzehn Hektar haben die Jakobs angefangen, inzwischen sind daraus 250 Hektar geworden. Samt "Spargel-Erlebniswelt". Sie produzieren eineinhalb Millionen Tonnen Spargel.
"Wir haben hier am Wochenende schon tausende Besucher - unter normalen Gegebenheiten. Wir haben in der Woche die Bus-Gruppen, am Wochenende die Familien, im Laufe der Woche auch manchmal Geschäftsessen."
Jakobs: "Na gut, wir hatten ja alle unsere Schwierigkeiten mit dieser Entscheidung, dass plötzlich wieder ein Lockdown da vor der Tür stand."
Auch der Geschäftsmann entstammt einer Dynastie: Einer Spargel-Dynastie. Seit gut 70 Jahren bauen die Jakobs Spargel an, ursprünglich im Rheinland, seit einem Vierteljahrhundert auch im Brandenburgischen.
Mit fünfzehn Hektar haben die Jakobs angefangen, inzwischen sind daraus 250 Hektar geworden. Samt "Spargel-Erlebniswelt". Sie produzieren eineinhalb Millionen Tonnen Spargel.
"Wir haben hier am Wochenende schon tausende Besucher - unter normalen Gegebenheiten. Wir haben in der Woche die Bus-Gruppen, am Wochenende die Familien, im Laufe der Woche auch manchmal Geschäftsessen."
Noch glimpflich durch den ersten Lockdown
Letztes Jahr ist der Spargel-König noch halbwegs glimpflich über die Runden gekommen, trotz Umsatzeinbußen. Im Frühling gab es Corona-Hilfen und Kurzarbeitergeld für sein Gastro-Team. Doch wie es dieses Jahr weitergehen soll, weiß er nicht.
Die ersten dreißig Saison-Arbeitskräfte aus Polen und Rumänien sind bereits da, frisch getestet - und sicherheitshalber zunächst für vierzehn Tage in "Arbeits-Quarantäne", jeweils zu dritt oder viert.
Keine Dezember-Hilfen - aber nun ein neuer Anlauf
Jakobs schaut auf seine Uhr. Er muss los. Zurück an den Schreibtisch. Das mit den November- und Dezember-Hilfen hat nicht geklappt, aber sein Steuerberater hat ihm geraten, Überbrückungs-Hilfe III zu beantragen.
Erfahrungen mit den November- und Dezember-Hilfen hat auch Tamara Renz gemacht. Nicht die besten: Die gelernte Erzieherin verzieht das Gesicht, während sie versucht, den Schäferhund Hektor davon abzubringen, mit Karacho in eine Pfütze zu springen.
Erfahrungen mit den November- und Dezember-Hilfen hat auch Tamara Renz gemacht. Nicht die besten: Die gelernte Erzieherin verzieht das Gesicht, während sie versucht, den Schäferhund Hektor davon abzubringen, mit Karacho in eine Pfütze zu springen.
Die Sache ist nämlich: Ein kleiner Zirkus kann diese Hilfen nicht einfach beantragen: Das geht nur über einen Steuerberater. Und den mag vielleicht ein "Zirkus Krone" haben, Europas größter mit über 40 Pferden und 23 Löwen, aber kein "Zirkus-Renz" mit vier Pferden und zwei Kamelen.
Renz: "Weil wir uns den einfach nicht leisten könnten. Das sind ja geringe Einnahmen, die wir als Familien-Zirkus haben."
Sie hätten auch ein paar Fahrzeuge abgemeldet, um sich die Versicherungen zu sparen.
"Es ist schon so, dass einen die ganze Situation ziemlich stresst und nervt. Und es geht an die Substanz. Aber das sind wirklich nur so kurze Momente. Und dann fangen wir uns wieder und sagen uns: Hey, wie gut geht’s uns eigentlich in dieser schweren Zeit?!"
Renz: "Weil wir uns den einfach nicht leisten könnten. Das sind ja geringe Einnahmen, die wir als Familien-Zirkus haben."
Sie hätten auch ein paar Fahrzeuge abgemeldet, um sich die Versicherungen zu sparen.
"Es ist schon so, dass einen die ganze Situation ziemlich stresst und nervt. Und es geht an die Substanz. Aber das sind wirklich nur so kurze Momente. Und dann fangen wir uns wieder und sagen uns: Hey, wie gut geht’s uns eigentlich in dieser schweren Zeit?!"
Die Kamele haben Hunger
Die Kamele Schorschi und Mogli sind mit ihrem braunen Winterfell nicht nur hübsch anzusehen, sondern auch mit gesundem Hunger gesegnet: Dreißig Kilo Möhren pro Tag und Nase sind nichts.
Tamara Renz krault Schorschi. Seelen-Balsam. Schwierig, das Ganze. Für Kamel und Frauchen gleichermaßen. Schließlich ist da nicht nur die Ungewissheit, sondern auch die Sache mit dem Tierschutz.
Natürlich weiß auch die Zirkusfrau, dass die Bundeslandwirtschaftsministerin findet: Wildtiere gehören nicht in die Manege. Julia Klöckner will es Zirkussen verbieten, Elefanten, Giraffen oder Affen neu anzuschaffen.
Renz: "Wir hatten in letzter Zeit auch Tierschützer, die Futter gebracht haben. Die gesagt haben: Wir sind Tierschützer, wir wollen mal gucken. Und da wir nichts zu verbergen haben, sagen wir immer: Natürlich! Geht gerne in den Stall und guckt einfach mal. Überzeugt euch!"
Renz: "Wir hatten in letzter Zeit auch Tierschützer, die Futter gebracht haben. Die gesagt haben: Wir sind Tierschützer, wir wollen mal gucken. Und da wir nichts zu verbergen haben, sagen wir immer: Natürlich! Geht gerne in den Stall und guckt einfach mal. Überzeugt euch!"
Ein Zirkus ohne Tiere: Tamara Renz kann sich das beim besten Willen nicht vorstellen. Sie lässt sich auf einen Sessel vor ihrem Wohnwagen fallen – ihrer Kommandozentrale. Eine kurze Verschnaufpause, bevor es in die Küche geht, Mittagessen vorbereiten. Ohne Mogli, Schorschi und Co. – ist sie sich sicher – hätten sie noch weniger Publikum.
"Und dann ist es wichtig, dass du nicht so viele Ausgaben hast. Unsere Kinder bauen das Zelt auf. Reparaturen. Das passiert alles innerhalb der Familie. Unsere Kinder sind auch unsere Artisten."
Mercedes: "Ich bin oben an den seidenen Tüchern. Dann mache ich Hula-Hoop. Ich bin auf dem Drahtseil, mache mit meinem Friesen-Hengst eine Dressur-Reiterei. Ja, da ist einiges dabei."
Drahtseil, Dressur, Hula-Hoop - all das fällt derzeit weg
Das alles fällt jetzt für die 18-jährige Mercedes flach. Wobei: So ganz stimmt das nicht. Schließlich trainiert das Allround-Talent täglich, um sich fit zu halten. Sie läuft nach Anbruch der Dunkelheit von Tür zu Tür, um ihre LED-Ballons zu verkaufen, 3,50 Euro das Stück. Näht Kostüme.
Mercedes: "Jetzt gerade, wo ich meine Kostüme sehe, denke ich: Ach, wie schön das wäre, die wieder anzuziehen. Drinnen in der Manege zu stehen. Und zu arbeiten. Ja, doch, man vermisst es einfach. Das ist ja unser Leben. Unser Job."
Ein Leben im Pausen-Modus: Mercedes versucht das Beste draus zu machen. Ab und zu fährt sie zu Verwandten nach Berlin, zu "Zirkus Berolina", zum Training für ihre Trapez-Nummer. Chattet. Macht und tut.
Mercedes: "Jetzt gerade, wo ich meine Kostüme sehe, denke ich: Ach, wie schön das wäre, die wieder anzuziehen. Drinnen in der Manege zu stehen. Und zu arbeiten. Ja, doch, man vermisst es einfach. Das ist ja unser Leben. Unser Job."
Ein Leben im Pausen-Modus: Mercedes versucht das Beste draus zu machen. Ab und zu fährt sie zu Verwandten nach Berlin, zu "Zirkus Berolina", zum Training für ihre Trapez-Nummer. Chattet. Macht und tut.
Zu Beginn der Spargelsaison müssen sie wieder los
Mercedes: "In den Wohnwagen wird jeden Tag sauber gemacht. Meine Brüder machen’s ja nicht, weil die immer draußen im Stall sind. Klar, wir haben uns auch manchmal in den Haaren." - Im Familien-Zirkus, dem reich beschenkten.
Tamara Renz: "Guck mal! Das ist auch gerade gekommen..."
Tamara Renz packt die Tüten mit den Möhren zur Seite. Anfang April müssen sie ihre Zelte in Beelitz abbrechen, zu Beginn der Spargel-Saison.
Tamara Renz: "Guck mal! Das ist auch gerade gekommen..."
Tamara Renz packt die Tüten mit den Möhren zur Seite. Anfang April müssen sie ihre Zelte in Beelitz abbrechen, zu Beginn der Spargel-Saison.
Falls der Lockdown bis dahin Geschichte sein sollte, will "Zirkus Renz" auf dem Hof auftreten. Mit Tamara im Glitzer-Kostüm, Mercedes auf dem Drahtseil, den Kamelen. Kostenlos. Als Dankeschön.