Zitierfähige Quelle für die akademische Welt

Von Georg Gruber |
Vor kurzem ist <papaya:link href="http://www.zeno.org" text="zeno.org" title="zeno.org" target="_self" /> gestartet, ein Portal, von dem die Macher behaupten, es beinhalte die größte deutschsprachige Volltextbibliothek: Literatur, Philosophie, historische Lexika. Allerdings nur solche Werke, bei denen das Urheberrecht bereits abgelaufen ist: Goethe und Schiller also, aber kein Walser oder Grass.
Die ältesten Texte, die man auf diesem neuen Internetportal finden kann, sind mehr als 2500 Jahre alt. Philosophische Reflexionen der Vorsokratiker Demokrit, Heraklit und Anaximandros:

"Anfang der Dinge ist das Unendliche"

Das Portal erscheint wie der Versuch, das Unendliche zu fassen.

"Wir haben uns auch immer wieder die Frage gestellt: Wie viel ist es denn nun, was wir schon haben, und wir haben uns der Größe befleißigt, dass wir einfach die Wörter zählen und die Anzahl der Wörter liegt bei etwa einer halben Milliarde, also etwas über 500 Millionen Wörter sind jetzt versammelt."
Der Name, zeno Punkt org ist ein Wortspiel, auf englisch zeno-dot-org. Der Geschäftsführer Ralf Szymanski:

"Zenodot war der erste Bibliothekar der Bibliothek von Alexandria, die Ptolemäer haben ihm damals viel Geld und viel Macht gegeben, damit er das Wissen der Welt versammeln kann, er ist dabei ziemlich rigoros vorgegangen, er hatte Agenten mit Geld und auch mit Waffen ausgestattet, um in der damals bekannten Welt, dem Mittelmeerraum, nach allem zu fahnden, was archivierungswürdig schien.

So wuchs in Alexandria sehr schnell ein ungeheurer Bestand. Und wir beziehen uns ausdrücklich auf diesen Anspruch, das Wissen der Welt zu versammeln - und in großem Unterschied zu Zenodot wollen wir es auch jedem zugänglich machen."

Die Bestände, die man über die Online-Bibliothek kostenlos im Volltext lesen kann, sind wirklich beeindruckend. Von der Antike bis ins frühe 20. Jahrhundert, nicht nur die großen Philosophen bis hin zu Kant und seiner "Kritik der reinen Vernunft", sondern auch literarische Klassiker: Goethe, Schiller, Heine, Fontane, Balzac, Flaubert, Zola, Dostojewski, Tolstoj, Ibsen, Wilde. Die Autoren haben eines gemeinsam: Sie sind mehr als 70 Jahre tot.

"Die Texte, die wir jetzt eingestellt haben, sind frei von Rechten Dritter, das ist nach deutschem und internationalem Urheberrecht so geregelt, dass der Schöpfer 70 Jahre verstorben sein muss, bevor sein Werk so genannt gemeinfrei ist. Tucholsky ist einer der Prominenten, die unlängst frei geworden sind."

""Sag mal, verehrtes Publikum:
Bist du wirklich so dumm?
Ja dann ...
Es lastet auf dieser Zeit
Der Fluch der Mittelmäßigkeit."

"Ein zweiter wichtiger Bestandteil des Bestandes sind die historischen Lexika, wo die Möglichkeit besteht, stichwortorientiert sich vorwiegend in Beständen des 19. Jahrhunderts zu bewegen."

In alten Brockhaus-Ausgaben, in "Pierer's Universal-Lexikon" oder auch in einem "Damen Conversations Lexikon" aus den 1830er-Jahren. Da heißt es dann zum Beispiel über die Liebe:

"Zwei Menschen begegnen sich, ihre Blicke treffen sich, ihre Seelen verschmelzen sich, ihr Leben wird eins; fragen sie nach, wie sie sich gefunden, wie sie sich vereint, sie ergründen es nie."

"Das 'Damen Conversations Lexion', das erscheint dem Titel nach ein skurriler Bestand, das ist es gar nicht so sehr, ich lade jeden ein, da ein bisschen zu stöbern, ich glaube, das ist eine interessante Quellen über den Umgang der Menschen untereinander im 19. Jahrhundert."

Auf zeno.org findet sich auch die wohl umfangreichste Online-Datenbank zur Geschichte der Kunst: 40.000 Kunstwerke von rund 4.500 Künstlern. Malerei, Grafik, Zeichnungen, nicht nur aus dem europäischen Kulturkreis, sondern auch aus Japan, Indien, China, Ägypten.

Zeno.org ist ein Ableger der "Digitalen Bibliothek", der Berliner Firma "Direct Media", die seit den 90er-Jahren urheberrechtsfreie Werke als CD-Rom auf den Markt bringt. Die Bücher werden in Deutschland gescannt und im Ausland weiterverarbeitet, wie der Mitbegründer Ralf Szymanski erklärt:

"Und dort machen wir den größten Teil der Handarbeit, hier in Deutschland passiert das Lektorat und die Qualitätssicherung. Die Produktion im Sinne von der digitalen Aufnahme, darunter verstehen wir auch das Auszeichnen der Texte, also auch das Einpflegen von Meta-Informationen, das Strukturieren von Texten, das sind ja durchaus sehr qualifizierte Tätigkeiten, das passiert fast ausschließlich in unserer Schwestergesellschaft in Kronstadt in Rumänien."

Eine zitierfähige Quelle für die akademische Welt soll zenodot sein und zugleich Knotenpunkt für ähnliche Digitalisierungs-Projekte, etwa von Universitäten. Aber natürlich geht es bei diesem Projekt auch darum, Geld zu verdienen. Über Werbung, die sehr dezent auf den klar strukturierten Seiten platziert ist.

Downloaden kann man Aristoteles, Schiller, Weber, Kant und Co bis jetzt noch nicht. Zum Offline-Lesen eines großen Meisters braucht man also entweder die CD-Rom oder, wie vor Anbruch des digitalen Zeitalters, das Buch selbst.