Zitronenfalter und Löwenzahn
Kann der Zitronenfalter wirklich Zitronen falten und ist der Neuntöter ein Massenmörder? Die Welt von Flora und Fauna ist voll von kuriosen Namen, die sich manchmal auf den ersten Blick, manchmal aber erst auf den zweiten Blick erschließen. Klaus Richarz und Bruno Kremer haben sich für ihr Buch "Wie bissig ist der Löwenzahn?" einige dieser Tier- und Pflanzennamen genauer angesehen und ihren Ursprung erklärt.
Neun Tiere muss der Neuntöter umbringen, bevor er Nahrung aufnehmen kann. Das glaubten die Menschen noch bis Anfang des letzten Jahrhunderts und sahen deshalb kein Problem darin, diesem angeblich so mordlustigen Vogel nachzustellen. Dabei hat der Neuntöter nur eine makabre Angewohnheit: Er spießt seine Beutetiere - Insekten, kleine Vögel oder Mäuse - auf kleine Zweige oder Stacheldraht auf. Und verhält sich damit nicht viel anders, als wir Menschen beim Einkauf vor einem langen Wochenende.
"Das gelegentliche Aufspießen der Beute hat mit Mordlust überhaupt nichts zu tun. Es ist einzig und allein eine Art Vorratswirtschaft. Wenn der Neuntöter bei günstigem Wetter leicht zum Jagderfolg kommt, legt er für sich und seine Familie eine "Fleischbank" als Vorrat für schlechte Tage an. Womit der "eiskalte Würgeengel" als Vogel mit Weitsicht und "Familiensinn" rehabilitiert wäre."
Die beiden Autoren Klaus Richarz und Bruno Kremer stellen in ihrem Buch 180 Tiere, Pflanzen und Pilze vor, die ihren Namen der Fantasie der Menschen verdanken. Die meisten dieser Bezeichnungen erhielten die Arten wegen ihres Aussehens oder ihres Verhaltens. Der Zitronenfalter beispielsweise hat leuchtend gelbe Flügel, weswegen er an eine Zitrone erinnert. Und die Gottesanbeterin sieht aus, als hebe sie ihre Vorderbeine zum Gebet. Manche Namen gehen aber auf uralte Sprachwurzeln zurück und lassen sich nicht so schnell nachvollziehen. Zum Beispiel die Bezeichnung Grasmücke für einen Singvogel.
"Vom 11. Jahrhundert an und in den folgenden 300 Jahren nannte man die Grasmücken "grasimugga" oder "grasmucka", wobei der zweite Wortbestandteil "smucka" wohl als Ableitung von "smuken" gleich schlüpfen zu verstehen ist. Mit "Schlüpfer" sind die Dickicht-Liebhaber tatsächlich gut charakterisiert."
Dieses Buch liefert dem Leser gut verständliche Erklärungen für die Namen vieler bekannter, aber auch weniger bekannter Arten. Über den Pilz Hallimasch oder den Mönchspfeffer beispielsweise. Der Hallimasch bekam seinen Namen wegen seiner abführenden Eigenschaften und bedeutet soviel wie "Hölle im Arsch". Der Mönchspfeffer verdankt seine Bezeichnung seiner Wirkung auf den Hormonhaushalt, weil er keuschen Geistlichen schon im Mittelalter dabei half, Konflikte mit ihren sexuellen Trieben zu vermeiden.
"Nun schmecken die rotschwarzen Steinfrüchte des Mönchspfeffers ziemlich scharf und wurden tatsächlich wie Pfeffer verwendet. Gleichzeitig sollen sie schon mit dieser Erfahrung den Geschlechtstrieb dämpfen. Bereits der spätantike Arzt Galenos empfiehlt sie daher als Gefühlsbremse, gleichsam eine Art Antiviagra. In der Bezeichnung Mönchspfeffer schwingt somit ein wenig mitleidige Boshaftigkeit."
Schade ist an dieser Stelle, dass die Autoren nicht erwähnen, dass der Mönchspfeffer auch heute noch zur Behandlung von Hormonstörungen eingesetzt wird. Frauen mit Menstruationsbeschwerden schwören auf die Wirkung dieser Heilpflanze. Auch an anderen Stellen fehlen zumindest aus sicht des informierten Lesers nützliche und interessante Informationen über die betreffende Art. Zum Beispiel über ihre Lebensweise oder ihr Verbreitungsgebiet. Vögel sind dagegen ausführlich beschrieben, worin sich zumindest die Passion des Autoren Klaus Richarz widerspiegelt. Er ist Leiter einer Vogelschutzwarte. Bruno Kremer ist Botaniker.
Ärgerlich ist zudem, dass es zu keiner der beschriebenen Namen Fotos oder Zeichnungen gibt. Das wäre vor allem bei den Pflanzen, Tier- oder Pilznamen sinnvoll, die sich vom Aussehen der Arten ableiten. Dafür gibt es viele schwarzweiß gezeichnete Cartoons, die die Namen auf witzige Weise illustrieren sollen.
Geschrieben ist das Buch in einem Plauderton, der zwar über weite Strecken amüsant ist, manchmal aber auch auf die Nerven gehen kann. Zum Beispiel bei der Beschreibung des Ohrwurms oder Ohrenkneifers, eines nützlichen Insekts, das sich vor allem von Pflanzenschädlingen ernährt.
"Mit diesem Ohrwurm ist nicht der aktuelle Hit gemeint, der von allen Radiostationen täglich so lange herauf und herunter abgespielt wird, bis er uns bald nicht mehr aus dem Ohr geht. Heute ist der Ohrwurm als Verzehrer von Blattläusen Ökogärtners Liebling, für den man schon mal Ohrwurmhäuschen als Luxusappartments aufhängt. Selbst wenn Forficula auricularia außer an Blattläusen gelegentlich auch an zarten Pflänzchen nascht."
Seinen Namen verdankt der Ohrwurm seinem Fluchtreflex: Bei Gefahr verzieht er sich blitzschnelle in enge Spalten oder Ritzen. Deswegen glaubten die Menschen früher, dass sich dieses Insekt zur Not auch in unsere Ohren verkriecht.
Geschichten wie diese machen das Buch interessant für botanische und zoologische Laien, erfährt man doch viel Ungewöhnliches über Pflanzen- Tier- und Pilznamen. Für biologische Profis bietet "Wie bissig ist der Löwenzahn?" jedoch nicht viel Neues.
Richarz, Klaus/Kremer, Bruno:
Wie bissig ist der Löwenzahn?
Kosmos Verlag
159 Seiten, 12,95 Euro.
"Das gelegentliche Aufspießen der Beute hat mit Mordlust überhaupt nichts zu tun. Es ist einzig und allein eine Art Vorratswirtschaft. Wenn der Neuntöter bei günstigem Wetter leicht zum Jagderfolg kommt, legt er für sich und seine Familie eine "Fleischbank" als Vorrat für schlechte Tage an. Womit der "eiskalte Würgeengel" als Vogel mit Weitsicht und "Familiensinn" rehabilitiert wäre."
Die beiden Autoren Klaus Richarz und Bruno Kremer stellen in ihrem Buch 180 Tiere, Pflanzen und Pilze vor, die ihren Namen der Fantasie der Menschen verdanken. Die meisten dieser Bezeichnungen erhielten die Arten wegen ihres Aussehens oder ihres Verhaltens. Der Zitronenfalter beispielsweise hat leuchtend gelbe Flügel, weswegen er an eine Zitrone erinnert. Und die Gottesanbeterin sieht aus, als hebe sie ihre Vorderbeine zum Gebet. Manche Namen gehen aber auf uralte Sprachwurzeln zurück und lassen sich nicht so schnell nachvollziehen. Zum Beispiel die Bezeichnung Grasmücke für einen Singvogel.
"Vom 11. Jahrhundert an und in den folgenden 300 Jahren nannte man die Grasmücken "grasimugga" oder "grasmucka", wobei der zweite Wortbestandteil "smucka" wohl als Ableitung von "smuken" gleich schlüpfen zu verstehen ist. Mit "Schlüpfer" sind die Dickicht-Liebhaber tatsächlich gut charakterisiert."
Dieses Buch liefert dem Leser gut verständliche Erklärungen für die Namen vieler bekannter, aber auch weniger bekannter Arten. Über den Pilz Hallimasch oder den Mönchspfeffer beispielsweise. Der Hallimasch bekam seinen Namen wegen seiner abführenden Eigenschaften und bedeutet soviel wie "Hölle im Arsch". Der Mönchspfeffer verdankt seine Bezeichnung seiner Wirkung auf den Hormonhaushalt, weil er keuschen Geistlichen schon im Mittelalter dabei half, Konflikte mit ihren sexuellen Trieben zu vermeiden.
"Nun schmecken die rotschwarzen Steinfrüchte des Mönchspfeffers ziemlich scharf und wurden tatsächlich wie Pfeffer verwendet. Gleichzeitig sollen sie schon mit dieser Erfahrung den Geschlechtstrieb dämpfen. Bereits der spätantike Arzt Galenos empfiehlt sie daher als Gefühlsbremse, gleichsam eine Art Antiviagra. In der Bezeichnung Mönchspfeffer schwingt somit ein wenig mitleidige Boshaftigkeit."
Schade ist an dieser Stelle, dass die Autoren nicht erwähnen, dass der Mönchspfeffer auch heute noch zur Behandlung von Hormonstörungen eingesetzt wird. Frauen mit Menstruationsbeschwerden schwören auf die Wirkung dieser Heilpflanze. Auch an anderen Stellen fehlen zumindest aus sicht des informierten Lesers nützliche und interessante Informationen über die betreffende Art. Zum Beispiel über ihre Lebensweise oder ihr Verbreitungsgebiet. Vögel sind dagegen ausführlich beschrieben, worin sich zumindest die Passion des Autoren Klaus Richarz widerspiegelt. Er ist Leiter einer Vogelschutzwarte. Bruno Kremer ist Botaniker.
Ärgerlich ist zudem, dass es zu keiner der beschriebenen Namen Fotos oder Zeichnungen gibt. Das wäre vor allem bei den Pflanzen, Tier- oder Pilznamen sinnvoll, die sich vom Aussehen der Arten ableiten. Dafür gibt es viele schwarzweiß gezeichnete Cartoons, die die Namen auf witzige Weise illustrieren sollen.
Geschrieben ist das Buch in einem Plauderton, der zwar über weite Strecken amüsant ist, manchmal aber auch auf die Nerven gehen kann. Zum Beispiel bei der Beschreibung des Ohrwurms oder Ohrenkneifers, eines nützlichen Insekts, das sich vor allem von Pflanzenschädlingen ernährt.
"Mit diesem Ohrwurm ist nicht der aktuelle Hit gemeint, der von allen Radiostationen täglich so lange herauf und herunter abgespielt wird, bis er uns bald nicht mehr aus dem Ohr geht. Heute ist der Ohrwurm als Verzehrer von Blattläusen Ökogärtners Liebling, für den man schon mal Ohrwurmhäuschen als Luxusappartments aufhängt. Selbst wenn Forficula auricularia außer an Blattläusen gelegentlich auch an zarten Pflänzchen nascht."
Seinen Namen verdankt der Ohrwurm seinem Fluchtreflex: Bei Gefahr verzieht er sich blitzschnelle in enge Spalten oder Ritzen. Deswegen glaubten die Menschen früher, dass sich dieses Insekt zur Not auch in unsere Ohren verkriecht.
Geschichten wie diese machen das Buch interessant für botanische und zoologische Laien, erfährt man doch viel Ungewöhnliches über Pflanzen- Tier- und Pilznamen. Für biologische Profis bietet "Wie bissig ist der Löwenzahn?" jedoch nicht viel Neues.
Richarz, Klaus/Kremer, Bruno:
Wie bissig ist der Löwenzahn?
Kosmos Verlag
159 Seiten, 12,95 Euro.