Orangenrot und Zitronengelb
Die neue Saison für Zitrusfrüchte beginnt gerade. Daheim angekommen wird aus der freudigen Erwartung nicht selten eine große Enttäuschung. Die Orangen oder Mandarinen sind strohig. Zwar klingt die Frage nach der Ursache banal – doch die Antwort ist etwas ungewöhnlich.
Die ersten Früchte aus neuer Ernte erzielen bekanntlich die höchsten Preise. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer oder besser: Da hängt die Orange im Netz. Denn die Orangen haben in den ersten Erntemonaten einen Schönheitsfehler: Sie sind nicht orangefarben sondern grünlich. Und grünes Obst kauft der Deutsche nicht, weil grüne Tomaten und grüne Erdbeeren auch nicht schmecken. Doch bei Orangen, Mandarinen oder Zitronen ist selbst eine sattgrüne Schale kein Zeichen mangelnder Reife – die Schalenfarbe hat mit der inneren Qualität einer Zitrusfrucht herzlich wenig zu tun.
In der EU wurden Orangen jahrzehntelang weniger nach Reife und Süße klassifiziert – das Hauptkriterium war die passende Farbe! Verantwortlich dafür waren nicht realitätsfremde EU-Beamte sondern die südeuropäischen Erzeuger, die sich damit hochwertige Konkurrenz aus den Tropen vom Leibe halten wollten. Die Art der Färbung hängt nämlich von den nächtlichen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit während der Reife ab. In tropischen Ländern wie Thailand sind vollreife, saftige Früchte grasgrün, aufgrund des Klimas werden Orangen dort niemals orange.
Um die hiesigen Verbrauchererwartungen zu verfestigen, werden die Zitrusfrüchte für den deutschen Markt nach der Ernte eigens "entgrünt". Vor allem zu Beginn der Saison ist diese Maßnahme aus Sicht der südeuropäischen Erzeugerländer unverzichtbar. Die Früchte werden dazu mit dem Pflanzenhormon Ethylen begast. Ethylen baut das grüne Chlorophyll ab, und schon treten die Gelbfarbstoffe sichtbarer hervor.
Natürlich hat die Hormonkur Folgen für die Qualität. Höchst fragwürdige Folgen: Das Entgrünen beschleunigt die Alterung, die Orangen werden strohig, die Fruchtsäure schwindet und das Fruchtfleisch schmeckt fad. Gleichzeitig steigt die Anfälligkeit für Schimmel und Gammel. Um das zu korrigieren, werden unsere Zitrusfrüchte mit Pilzvernichtungsmitteln imprägniert. Aber damit ist noch nicht der Gipfel der Absurditäten erreicht: Da das geübte Auge ein Entgrünen an der Schale erkennen kann, werden die Früchte gern mit weiteren fragwürdigen Substanzen behandelt – zur Vertuschung.
Die kuriosesten Maßnahmen, um die Färbung in Richtung gelb und orange zu verbessern, sind das Ringeln und das Würgen der Bäume. Beim Ringeln wird ein Teil der Rinde rings um den Stamm entfernt, was den Saftstrom stark behindert. In dieser Situation versucht der Baum seine Früchte noch schnell zur Notreife zu bringen, was wiederum die Färbung verbessert. Statt Ringeln kann man den Stamm auch mit einer Drahtschlinge würgen. Ringeln und Würgen schadet natürlich dem Baum, aber der deutsche Kunde will nun mal Qualität – und die erkennt er an bunten, leuchtenden Farben.
Der Prozess funktioniert auch in der umgekehrten Richtung: Es gibt nämlich Stoffe, die verhindern, dass die Zitrusfrüchte zu schnell reif werden und ihre typische Farbe zu früh entwickeln. Also versprüht man in den Plantagen gegen Ende der Erntezeit spezielle Hormone wie Gibberelline oder auch das altbekannte Nitrat. Das bremst die Reifung und verlängert die Saison. So bekommen die Verbraucher stets das, was sie sich immer gewünscht haben: erntefrische, farbenfrohe Zitrusfrüchte - und das über viele, viele Monate.
Der Kunde ist bekanntlich König – ein König, der oft nicht merkt, dass er längst keine Kleider mehr hat. Deshalb ausnahmsweise ein kleidsamer Verbrauchertipp: Weil die Orangen, die Mandarinen und die Zitronen aus Südeuropa erst im Januar von Natur aus orange oder gelb werden, achten sie zumindest zu Beginn der Zitrussaison – also jetzt - auf grüne Ware. Die ist meist von besserer Qualität. Mahlzeit!
Literatur:
Bickelmann U: Entgrünung von Zitrusfrüchten –Fluch oder Segen für die Qualität. 26. Internationale Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst & Gemüse. BLE, 5.-7. März 2007
Alos E et al: Regulation of color break in citrus fruits. Changes in pigment profiling and gene expression induced by gibberellins and nitrate, two ripening retardants. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2006; 54: 4888-4895
Smilanick JL et al: Pre- and postharvest treatments to control green mold of citrus fruit during ethylene degreening. Plant Disease 2006; 90: 89-96
Traverner P: Early season degreening and associated practices. Packer Newsletter 2011; No 100: 1-5
Salvador A et al: The use of auxins to maintain postharvest quality of citrus fruit. Acta Horticulturae 2010; 877: 671-677
Sdiri S et al: Postharvest application of a new growth regulator reduces calyx alterations of citrus fruit induced by degreening treatment. Postharvest Biology and Technology 2013; 75: 68–74
Montesinos-Herrero C et al: Control of citrus postharvest decay by ammonia gas fumigation and its influence on the efficacy of the fungicide imazalil. Postharvest Biology and Technology 2011; 59: 85–93
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011. Vermarktungsnormen für Zitrusfrüchte, Anhang I, Teil B, Teil 2, Amtsblatt der EU L 157
In der EU wurden Orangen jahrzehntelang weniger nach Reife und Süße klassifiziert – das Hauptkriterium war die passende Farbe! Verantwortlich dafür waren nicht realitätsfremde EU-Beamte sondern die südeuropäischen Erzeuger, die sich damit hochwertige Konkurrenz aus den Tropen vom Leibe halten wollten. Die Art der Färbung hängt nämlich von den nächtlichen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit während der Reife ab. In tropischen Ländern wie Thailand sind vollreife, saftige Früchte grasgrün, aufgrund des Klimas werden Orangen dort niemals orange.
Um die hiesigen Verbrauchererwartungen zu verfestigen, werden die Zitrusfrüchte für den deutschen Markt nach der Ernte eigens "entgrünt". Vor allem zu Beginn der Saison ist diese Maßnahme aus Sicht der südeuropäischen Erzeugerländer unverzichtbar. Die Früchte werden dazu mit dem Pflanzenhormon Ethylen begast. Ethylen baut das grüne Chlorophyll ab, und schon treten die Gelbfarbstoffe sichtbarer hervor.
Natürlich hat die Hormonkur Folgen für die Qualität. Höchst fragwürdige Folgen: Das Entgrünen beschleunigt die Alterung, die Orangen werden strohig, die Fruchtsäure schwindet und das Fruchtfleisch schmeckt fad. Gleichzeitig steigt die Anfälligkeit für Schimmel und Gammel. Um das zu korrigieren, werden unsere Zitrusfrüchte mit Pilzvernichtungsmitteln imprägniert. Aber damit ist noch nicht der Gipfel der Absurditäten erreicht: Da das geübte Auge ein Entgrünen an der Schale erkennen kann, werden die Früchte gern mit weiteren fragwürdigen Substanzen behandelt – zur Vertuschung.
Die kuriosesten Maßnahmen, um die Färbung in Richtung gelb und orange zu verbessern, sind das Ringeln und das Würgen der Bäume. Beim Ringeln wird ein Teil der Rinde rings um den Stamm entfernt, was den Saftstrom stark behindert. In dieser Situation versucht der Baum seine Früchte noch schnell zur Notreife zu bringen, was wiederum die Färbung verbessert. Statt Ringeln kann man den Stamm auch mit einer Drahtschlinge würgen. Ringeln und Würgen schadet natürlich dem Baum, aber der deutsche Kunde will nun mal Qualität – und die erkennt er an bunten, leuchtenden Farben.
Der Prozess funktioniert auch in der umgekehrten Richtung: Es gibt nämlich Stoffe, die verhindern, dass die Zitrusfrüchte zu schnell reif werden und ihre typische Farbe zu früh entwickeln. Also versprüht man in den Plantagen gegen Ende der Erntezeit spezielle Hormone wie Gibberelline oder auch das altbekannte Nitrat. Das bremst die Reifung und verlängert die Saison. So bekommen die Verbraucher stets das, was sie sich immer gewünscht haben: erntefrische, farbenfrohe Zitrusfrüchte - und das über viele, viele Monate.
Der Kunde ist bekanntlich König – ein König, der oft nicht merkt, dass er längst keine Kleider mehr hat. Deshalb ausnahmsweise ein kleidsamer Verbrauchertipp: Weil die Orangen, die Mandarinen und die Zitronen aus Südeuropa erst im Januar von Natur aus orange oder gelb werden, achten sie zumindest zu Beginn der Zitrussaison – also jetzt - auf grüne Ware. Die ist meist von besserer Qualität. Mahlzeit!
Literatur:
Bickelmann U: Entgrünung von Zitrusfrüchten –Fluch oder Segen für die Qualität. 26. Internationale Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst & Gemüse. BLE, 5.-7. März 2007
Alos E et al: Regulation of color break in citrus fruits. Changes in pigment profiling and gene expression induced by gibberellins and nitrate, two ripening retardants. Journal of Agricultural and Food Chemistry 2006; 54: 4888-4895
Smilanick JL et al: Pre- and postharvest treatments to control green mold of citrus fruit during ethylene degreening. Plant Disease 2006; 90: 89-96
Traverner P: Early season degreening and associated practices. Packer Newsletter 2011; No 100: 1-5
Salvador A et al: The use of auxins to maintain postharvest quality of citrus fruit. Acta Horticulturae 2010; 877: 671-677
Sdiri S et al: Postharvest application of a new growth regulator reduces calyx alterations of citrus fruit induced by degreening treatment. Postharvest Biology and Technology 2013; 75: 68–74
Montesinos-Herrero C et al: Control of citrus postharvest decay by ammonia gas fumigation and its influence on the efficacy of the fungicide imazalil. Postharvest Biology and Technology 2011; 59: 85–93
Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011. Vermarktungsnormen für Zitrusfrüchte, Anhang I, Teil B, Teil 2, Amtsblatt der EU L 157