Comic-Autobiografie

Depression als schwarzes Schreckgespenst

06:50 Minuten
Cover des Buchs „It’s Lonely at the Centre of the Earth“ von Zoe Thorogood
© Cross Cult

Zoe Thorogood

Stephanie Pannen

It’s Lonely at the Centre of the EarthCross Cult, Ludwigsburg 2024

192 Seiten

25,00 Euro

Von Jule Hoffmann · 06.07.2024
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Voller Humor, Nachdenklichkeit, aber auch Selbsthass erzählt die gefeierte britische Nachwuchsautorin Zoe Thorogood in ihrer zweiten Graphic Novel aus ihrem Leben mit Depressionen. Sie reflektiert dabei das autobiografische Erzählen in Comicform.

„Wenn das hier ein Film wäre, würde diese Szene die Protagonistin vorstellen. Aber das hier ist kein Film. Und ich denke darüber nach, mir mit einem scharfen Messer in den Hals zu stechen.“

aus der Graphic Novel „It’s Lonely at the Centre of the Earth“

So drastisch beginnt der Comic, in dem Zoe Thorogood sich mit ihren Depressionen auseinandersetzt, unter denen sie seit ihrem 14. Lebensjahr leidet. Nur: Wie von sich selbst erzählen, wenn man voller Selbstabwertung steckt und nicht gern im Mittelpunkt steht?
Der kreative Schaffensprozess selbst bildet den roten Faden des Comics, in dem wir die Autorin bei einem Urlaub mit ihren Eltern, auf eine Comicconvention und schließlich auf eine Reise in die USA begleiten. Überschattet wird das alles von einem großen schwarzen Gespenst mit schrecklicher Visage: der Depression als Monstergestalt.

Kommunikation mit der Leserschaft

Um von sich selbst zu erzählen, greift Thorogood zu verschiedenen Mitteln wie dem Wechsel zwischen auktorialer Perspektive - also aus der Sicht des Autors - mit ironischer Distanz und dem Erzählen aus Ich-Perspektive. Oder sie stellt sich in Begleitung verschiedener Versionen ihrer selbst dar, die miteinander im Dialog sind. Eine hat dunkle Augenringe und ist stets mies gelaunt, eine andere ist ein kindlich süßes Mädchen mit großen Kulleraugen, eine dritte ist eine nahezu formlose Gestalt, deren weißes, rundes Gesicht Zoe wie eine ausdruckslose Maske trägt, um den Schein zu wahren.
An erster Stelle steht dabei die Kommunikation mit ihrem Publikum. Die ist geradezu rührend, wenn Thorogood – weil sie „so viel über sich selbst geredet“ hat – Seiten frei lässt für die Leserinnen und Leser. Und auch, wenn nach dem erneuten Titel des Comics steht: „Von Zoe Thorogood und …… (euer Name hier)“.
Dabei kann ihre ständige Angst zu langweilen, auch mal nerven, wenn sie sich alle paar Panels selbst kommentiert: „Das ist ein Comic. Kannst du deinen Monolog nicht halten, während du Riesenwürmer aus dem Weltall bekämpfst?“ Gelungener sind die Kommentare mit grafischen Mitteln, wenn sie einfach eine Taube ins Bild und damit vor ihre Sprechblase fliegen lässt.

Kunst als Überlebensstrategie

Ästhetisch kommt dieser Comic aus der Feder einer Mitte-20-Jährigen, die sich in der Welt der Webcomics und Videogames bewegt und das Horror- und Superhelden-Genre liebt. Schon im Teenageralter hat sie als Außenseiterin gegen die „bösen“ Kids an der Schule gekämpft und das in Superhelden-Fantasien verarbeitet.
Das Zeichnen und Erzählen von Geschichten, das wird deutlich, sind ihre Art, der Welt einen Sinn zu verleihen und mit anderen in Kontakt zu treten – etwas, das sie im echten Leben stets überfordert. Kunst gehört für Thorogood zur Überlebensstrategie. Auf der Comicseite kann sie alles sein.
„It’s Lonely at the Centre oft he Earth“ ist bereits die zweite Graphic Novel der Britin, die mit ihren 26 Jahren schon für den Eisner Award nominiert war. Allein für den Mut, die eigene psychische Erkrankung zum Gegenstand zu machen und damit das Thema aus der Tabuzone zu holen, verdient dieser Comic Anerkennung.

Hilfsangebote für Menschen mit Depressionen: Wenn Sie das Gefühl haben, an einer psychischen Krankheit zu leiden, oder Suizidgedanken Sie beschäftigen, wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Lebenssituation befinden: Zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen. Hilfe bietet unter anderem die Telefonseelsorge in Deutschland unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (gebührenfrei) und im Internet unter telefonseelsorge.de.

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