Zoologische Begeisterung
Der Umweltschützer Tim Flannery erzählt in seinem Buch von seinen Reisen, die er als junger Wissenschaftler unternommen hat. Sie führten ihn von den Inseln vor der Küste Papua-Neuguineas über die Salomonen bis hinaus auf die Fidschi-Inseln.
Vor100 Millionen Jahren stiegen sie aus dem Meer, ausgespuckt von unterseeischen Vulkanen: Manche wurden winzige Atolle, andere die höchsten Inseln der Erde. Zehn Jahre lang bereiste der Zoologe Tim Flannery die große pazifische Inselkette, die auf gigantischen sechstausend Kilometern den Äquator quert. Sein neues Buch "Im Reich der Inseln" ist Forschungsbericht, zoologische Begeisterung, erstaunliche Anekdotensammlung und Protokoll des allmählichen Untergangs der fernen Region zugleich.
Mitte der 1980er-Jahre stach Tim Flannery erstmals in See, ein junger Biologe mit geringen Forschungsmitteln und großen Ambitionen. Seine Reisen führten ihn von der Admiralitäts-Insel vor der Küste Papua-Neuguineas über die Salomonen bis hinaus auf die entlegenen Fidschi-Inseln. Sein Ziel: Die Säugetierarten zu kartieren, um dem Artenschutz Daten und Argumente zu liefern. Viele der Inseln waren damals noch weiße Flecken auf der Landkarte und manch eine Fledermausart das letzte Mal von wagemutigen Entdeckern aus der Zeit der Segelschifffahrt beschrieben worden.
Auch Tim Flannery braucht seine Portion Wagemut, um die Herausforderungen der Reisen zu überstehen - und was er davon talentiert und humorvoll erzählt, gibt seinem Buch Saft und Kraft. Gemeinsam mit dem Autor schwankt man in Nussschalen auf haushohen Pazifikwellen, erreicht mit Mühe das rettende Ufer, wo die absonderlichsten Begebenheiten warten. Auf der idyllischen Insel Sideia etwa erzählt der Tierpräparator George seine Geschichte.
Blind stürzt er sich auf die bunten Käfer vor Ort, und es dämmert ihm erst nach Wochen, warum so vielen Einheimischen hier ein Finger und dort ein großer Zeh fehlen - mitten in einem von aller Welt verlassenen Lepra-Dorf ist er gelandet. Panisch tritt George die Flucht an, verirrt sich in einem Mangrovensumpf und fällt vom wackeligen Steg - bis zum Hals in die Jauchegrube des Dorfes. Nur durch ein Wunder bleibt er gesund.
Auch die kannibalischen Riten der Region bescheren dem Buch manch schauerliche Episode, zumal Tim Flannery immer wieder in vergangene Jahrhunderte zurück wandert, Eroberungsgeschichte und kulturelle Widerspenstigkeit der Inselbewohner erzählt - und dazu gehörten bisweilen auch gedünstete oder anderweitig genießbar gemachte Missionare. Auch Deutschland hatte seinen Anteil an der Kolonialgeschichte, wovon der Name des Bismarck-Archipels bis heute zeugt.
Dort trifft Tim Flannery einen steinalten, einheimischen Mann, der Mund blutrot vom lebenslangen Betelblätter-Kauen, am Kinn ein mächtiger Backenbart wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten und im Wortschatz bei Bedarf ein zackiges "Achtung!" oder "Raus!".
Auch wenn wohl nur eingefleischte Biologen Tim Flannerys Begeisterung für die vor allem aus Ratten bestehende Fauna der pazifischen Inseln teilen - sein neues Buch ist Lesegenuss pur. Allerdings liegen diese Forschungsreisen dreißig Jahre zurück. Regenwälder und einheimische Kulturen sind inzwischen zu weiten Teilen zunichtegemacht. Ein Jammer ist das - und ein schönes Buch.
Besprochen von Susanne Billig
Mitte der 1980er-Jahre stach Tim Flannery erstmals in See, ein junger Biologe mit geringen Forschungsmitteln und großen Ambitionen. Seine Reisen führten ihn von der Admiralitäts-Insel vor der Küste Papua-Neuguineas über die Salomonen bis hinaus auf die entlegenen Fidschi-Inseln. Sein Ziel: Die Säugetierarten zu kartieren, um dem Artenschutz Daten und Argumente zu liefern. Viele der Inseln waren damals noch weiße Flecken auf der Landkarte und manch eine Fledermausart das letzte Mal von wagemutigen Entdeckern aus der Zeit der Segelschifffahrt beschrieben worden.
Auch Tim Flannery braucht seine Portion Wagemut, um die Herausforderungen der Reisen zu überstehen - und was er davon talentiert und humorvoll erzählt, gibt seinem Buch Saft und Kraft. Gemeinsam mit dem Autor schwankt man in Nussschalen auf haushohen Pazifikwellen, erreicht mit Mühe das rettende Ufer, wo die absonderlichsten Begebenheiten warten. Auf der idyllischen Insel Sideia etwa erzählt der Tierpräparator George seine Geschichte.
Blind stürzt er sich auf die bunten Käfer vor Ort, und es dämmert ihm erst nach Wochen, warum so vielen Einheimischen hier ein Finger und dort ein großer Zeh fehlen - mitten in einem von aller Welt verlassenen Lepra-Dorf ist er gelandet. Panisch tritt George die Flucht an, verirrt sich in einem Mangrovensumpf und fällt vom wackeligen Steg - bis zum Hals in die Jauchegrube des Dorfes. Nur durch ein Wunder bleibt er gesund.
Auch die kannibalischen Riten der Region bescheren dem Buch manch schauerliche Episode, zumal Tim Flannery immer wieder in vergangene Jahrhunderte zurück wandert, Eroberungsgeschichte und kulturelle Widerspenstigkeit der Inselbewohner erzählt - und dazu gehörten bisweilen auch gedünstete oder anderweitig genießbar gemachte Missionare. Auch Deutschland hatte seinen Anteil an der Kolonialgeschichte, wovon der Name des Bismarck-Archipels bis heute zeugt.
Dort trifft Tim Flannery einen steinalten, einheimischen Mann, der Mund blutrot vom lebenslangen Betelblätter-Kauen, am Kinn ein mächtiger Backenbart wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten und im Wortschatz bei Bedarf ein zackiges "Achtung!" oder "Raus!".
Auch wenn wohl nur eingefleischte Biologen Tim Flannerys Begeisterung für die vor allem aus Ratten bestehende Fauna der pazifischen Inseln teilen - sein neues Buch ist Lesegenuss pur. Allerdings liegen diese Forschungsreisen dreißig Jahre zurück. Regenwälder und einheimische Kulturen sind inzwischen zu weiten Teilen zunichtegemacht. Ein Jammer ist das - und ein schönes Buch.
Besprochen von Susanne Billig
Tim Flannery: Im Reich der Inseln - Meine Suche nach unentdeckten Arten und andere Abenteuer im Südpazifik
Übersetzt von Jürgen Neubauer
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2013
272 Seiten, 19,99 Euro
Übersetzt von Jürgen Neubauer
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2013
272 Seiten, 19,99 Euro