Zschäpes Schweigen vor Gericht

Von Rolf Clement |
Beate Zschäpe präsentiert sich als junge, seriöse Frau. Ihr Benehmen im Gerichtssaal soll unterstreichen, dass sie geläutert ist. Durch eine Aussage, bei der sie sich verplappern könnte, kann dieses Bild zerstört werden. Jetzt kommt es auf geschickte Verhandlungsführung des Gerichts an, meint Rolf Clement.
Die Wirren der letzten Wochen über Akkreditierung und Platzvergabe sind nun Geschichte. Seit heute stehen die Taten des Nationalistischen Untergrunds im Mittelpunkt des Münchner Verfahrens. Dieser Prozess wird mit großen Erwartungen belastet. Viele dieser Erwartungen gründen sich darauf, dass hier auch die Pannenserie aufgeklärt werden kann, die den NSU so lange unbehelligt ließ. Dies kann, ja dies darf der Prozess nicht leisten. Hier geht es um die individuelle Schuld der Angeklagten, nicht darum, festzustellen, warum man sie nicht früher erwischt hat.

Diese Aufklärungsarbeit leisten die Untersuchungsausschüsse im Bundestag und in vier Landtagen. Vor allem der im Landtag Thüringens leistet hier besonders gute Arbeit. Daraus sind auch schon Konsequenzen gezogen worden. Die Politiker waren nicht untätig. Das sollten jene bedenken, die nun politische Erwartungen an diesen Prozess knüpfen. Es ist auch nicht sicher, dass Beate Zschäpe die Mittäterschaft bei den Morden rechtlich einwandfrei nachgewiesen werden kann. Dafür muss der Plan für die Mordserie von den drei NSU-Mitgliedern gemeinsam entwickelt worden sein. Zudem muss sie einen Beitrag zum Gelingen der Tat geleistet haben, der zwingend für den Taterfolg nötig war. Dabei muss sich die Bundesanwaltschaft auf Indizien abstützen, so lange Beate Zschäpe schweigt. Dieses Schweigen ist ihr gutes Recht. Dass sie es nutzt, mag unbefriedigend sein, gehört aber zu den Regeln unseres Rechtsstaates. Hier wird also der Disput zwischen der Verteidigung und der Bundesanwaltschaft entbrennen.

Leichter beweisbar wird es sein, dass Zschäpe mit ihren damaligen Gefährten Mundlos und Böhnhardt eine terroristische Vereinigung gebildet hat. Auch die Brandstiftung nach dem Tod der beiden Gefährten wird wohl eher beweisbar sein. Aber diese beiden Vorwürfe sind weniger mit Strafe bedroht als die Mittäterschaft beim Mord. Die Taktik der Verteidigung wurde heute schon klar: Beate Zschäpe präsentiert sich als junge, seriöse Frau, vielleicht etwas unbedarft, aber jedenfalls sympathisch. Ihr Benehmen im Gerichtssaal, auch ihre Kleidung, ein dunkler Hosenanzug mit weißer Bluse, sollen unterstreichen, dass sie geläutert ist oder dass sie eigentlich zu solchen Taten gar nicht fähig war.

Durch eine Aussage, bei der sie sich verplappern könnte, kann dieses Bild zerstört werden. Also überlässt sie das Reden ihren Anwälten. Erfahrungen zeigen allerdings, dass nicht alle Täter einer solchen Strategie auf Dauer standhalten können. Im Verfahren gegen die islamistische Sauerlandgruppe haben die vier Anschlagsplaner das nicht ausgehalten, sie gestanden nach einem halben Jahr. Angeklagte werden bei einer sensiblen, geschickten Verhandlungsführung immer wieder zu Aussagen provoziert. Da liegt die Chance des Gerichts. Vielleicht hat es ja mehr Einfühlungsvermögen, als es bisher gezeigt hat.
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