Zu Besuch bei der Frau, die ihr Schwein liebt
Eigentlich ist immer alles Verarbeitung der eigenen Lebensgeschichte, sagt die Hamburger Fotografin Irina Ruppert über ihre Bilder. Als Achtjährige kam sie mit ihren Eltern aus Kasachstan über Moldawien nach Deutschland. Für ihre Fotoreportagen reist sie meistens wieder heimwärts - also ostwärts, etwa zu den Corturaren nach Siebenbürgen.
"Das Besondere an ihnen ist, dass sie so traditionell sind. Die Frauen haben sehr lange, rote, mit Blumen behaftete Röcke, die plissiert sind, und es ist alles sehr rot. Also Rot ist ihre Farbe. Und die Männer tragen 'ne schwarze Hose und 'n weißes Hemd und nen schwarzen Hut, 'nen riesengroßen Hut - und wenn man in die Straße kommt, hat man ein Bild wie aus einem Märchen."
Die Hamburger Fotografin Irina Ruppert sitzt im lichtdurchfluteten Pfarrhaus in rumänischen Pretai. Einem Dorf, das vor über 700 Jahren von deutschen Einwanderern, den Siebenbürger Sachsen, gegründet wurde. Die Fotografin hat die blonden Haare zu einem Zopf gebunden. Zu ihren Füßen liegt Pepe, ein kleiner hellbrauner Hund, der ihr auf der Dorfstraße zugelaufen ist.
"2004 hab' ich angefangen, die Sachsen zu suchen hier in Siebenbürgen, also in Rumänien. Die Siebenbürger Sachsen, die hier in diesen deutschen Dörfern gelebt haben. Und hab irgendwann ziemlich schnell gemerkt, dass die eigentlich gar nicht mehr hier sind. Also immer vereinzelt, ein zwei Leute noch,
und bin dabei auf die Corturaren gestoßen."
An der Wand hinter Irina Ruppert hängen zahllose bunte, postkartengroße Porträts der Corturaren von Pretai – einer sehr traditionell lebenden Roma-Gruppe am Dorfrand. Seit mehreren Wochen fotografiert sie die verschiedenen Familien. Unterstützt von Maria, einer alten Roma-Frau aus dem Dorf. Sie ist Rupperts Übersetzerin und Mittlerin vor Ort.
"Das hat eben damals angefangen, als ich die Sachsen porträtiert hab'. Und ich hab ein Bild gemacht von einer Frau, die an der Mauer stand, 'ne ältere Frau. Und neben ihr saß ein kleines Schwein, und das sah aus wie ein Hund, aber war eben ein Schwein. Und ich hab' dieses Bild von ihr gemacht und bin dann vier Jahre später noch mal hingefahren und hab’s ihr gebracht. Und sie hat ganz doll geweint, als sie mich schon von weitem gesehen hat. Weil sie das Schwein grade geschlachtet hatte, das sie so sehr geliebt hat und es war ihr ein und alles."
Die Fotografin wurde 1968 in Kasachstan geboren. In den 70er-Jahren kommt sie mit ihren Eltern, beide Russlanddeutsche, über Moldawien nach Hamburg. Sie spricht kaum Deutsch und ist völlig verloren in der neuen Welt.
"Wir haben halt auf dem Dorf gelebt, hatten ein Haus, Hühner, Garten. Meine ganzen Cousinen, Cousins waren da, meine Geschwister. Es war ein großes lebendiges Haus. Dann sind wir nach Hamburg gekommen und haben in einer Eineinhalb-Zimmer-Hochhauswohnung gelebt."
Dafür wird die Fotografie war schon sehr früh Teil ihres Lebens. In Kasachstan hatte Irina Rupperts Vater sogar ein eigenes kleines Labor, in dem er seine Fotos entwickelte.
"Es war ja nicht so, dass man irgendwie Bilder abgeben konnte, die Negative, und sie dann wieder zurückbekam. Das gab’s gar nicht. Deswegen hat er immer die Chemie selbst angemischt, und er hat unglaublich viel fotografiert. Und dann, als wir in Deutschland waren und die Kameras erschwinglich waren, hat er sich ständig neue Kameras gekauft und die, die er nicht mehr wollte, die hat er mir geschenkt."
Irina Ruppert beginnt ihre Freunde zu fotografieren, ihre Familie, ihr Leben. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bereist sie den Osten, immer wieder und oft monatelang, besucht Verwandte, vor allem ihre drei älteren Geschwistern, die damals nicht mit nach Deutschland ausreisen durften.
"Die waren auch in ganz Osteuropa und Russland verteilt. Also zum Beispiel mein Bruder Sascha hat in Weißrussland gelebt, der andere Bruder war im Kaukasus, die Schwester, die große, hat in Sibirien gelebt. Und so hab ich angefangen alle zu besuchen und auch die Tante Berta in Kasachstan."
Nach ihrem Studium an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften arbeitet Irina Ruppert als freie Fotografin in Hamburg. 2011 erscheint ihr erster Fotoband "Rodina", russisch für Heimat, mit ihren ganz eigenen Bildern aus Osteuropa, Russland und Kasachstan. Auf den letzten Seiten des Buches wird eine tote Frau im Sarg durch eine Wiese getragen.
"Es ist tatsächlich nicht das Beerdigungsbild das letzte Bild, sondern es ist so’n Bild, das in die Weite geht. Das ist, glaub' ich, auch für mich, Reingehen in diese Landschaft, in diese Weite auch. Noch weiter 'ne Auseinandersetzung mit sowohl der Natur als auch den Menschen dort. Wird immer mein Thema bleiben. Es nicht beenden, sterben lassen, sondern mich weiter damit auseinandersetzen und auch offen dafür sein."
Im Corturar-Dorf im rumänischen Pretai fahren Pferdefuhrwerke über die Straße, in vielen Höfen werden Kupfertöpfe gehämmert. Maria, die Frau mit dem Schwein, begleitet Irina Ruppert bei ihren Gängen zu den Corturar-Familien – und auch Mihal, Rupperts rumänischer Fotoassistent.
"Ja, ich hab angefangen so ein Tuch zu spannen und die Leute davor zu stellen und sie zu porträtieren. Und abends hab' ich die Bilder ausgedruckt, und am nächsten Tag hab' ich den Leuten die Bilder wiedergebracht. Das hat sich ziemlich schnell rumgesprochen, dass das Bilder sind wie in einem Studio. Dass die auch schön sind. Und so werde ich immer weitergereicht. Und mittlerweile ist es schon so, dass ich das Gefühl hab', die Leute haben Respekt davor. Da ist jemand gekommen, die nimmt nicht nur, sondern, sie gibt auch was. Und deswegen funktioniert das, glaub ich."
Die Hamburger Fotografin Irina Ruppert sitzt im lichtdurchfluteten Pfarrhaus in rumänischen Pretai. Einem Dorf, das vor über 700 Jahren von deutschen Einwanderern, den Siebenbürger Sachsen, gegründet wurde. Die Fotografin hat die blonden Haare zu einem Zopf gebunden. Zu ihren Füßen liegt Pepe, ein kleiner hellbrauner Hund, der ihr auf der Dorfstraße zugelaufen ist.
"2004 hab' ich angefangen, die Sachsen zu suchen hier in Siebenbürgen, also in Rumänien. Die Siebenbürger Sachsen, die hier in diesen deutschen Dörfern gelebt haben. Und hab irgendwann ziemlich schnell gemerkt, dass die eigentlich gar nicht mehr hier sind. Also immer vereinzelt, ein zwei Leute noch,
und bin dabei auf die Corturaren gestoßen."
An der Wand hinter Irina Ruppert hängen zahllose bunte, postkartengroße Porträts der Corturaren von Pretai – einer sehr traditionell lebenden Roma-Gruppe am Dorfrand. Seit mehreren Wochen fotografiert sie die verschiedenen Familien. Unterstützt von Maria, einer alten Roma-Frau aus dem Dorf. Sie ist Rupperts Übersetzerin und Mittlerin vor Ort.
"Das hat eben damals angefangen, als ich die Sachsen porträtiert hab'. Und ich hab ein Bild gemacht von einer Frau, die an der Mauer stand, 'ne ältere Frau. Und neben ihr saß ein kleines Schwein, und das sah aus wie ein Hund, aber war eben ein Schwein. Und ich hab' dieses Bild von ihr gemacht und bin dann vier Jahre später noch mal hingefahren und hab’s ihr gebracht. Und sie hat ganz doll geweint, als sie mich schon von weitem gesehen hat. Weil sie das Schwein grade geschlachtet hatte, das sie so sehr geliebt hat und es war ihr ein und alles."
Die Fotografin wurde 1968 in Kasachstan geboren. In den 70er-Jahren kommt sie mit ihren Eltern, beide Russlanddeutsche, über Moldawien nach Hamburg. Sie spricht kaum Deutsch und ist völlig verloren in der neuen Welt.
"Wir haben halt auf dem Dorf gelebt, hatten ein Haus, Hühner, Garten. Meine ganzen Cousinen, Cousins waren da, meine Geschwister. Es war ein großes lebendiges Haus. Dann sind wir nach Hamburg gekommen und haben in einer Eineinhalb-Zimmer-Hochhauswohnung gelebt."
Dafür wird die Fotografie war schon sehr früh Teil ihres Lebens. In Kasachstan hatte Irina Rupperts Vater sogar ein eigenes kleines Labor, in dem er seine Fotos entwickelte.
"Es war ja nicht so, dass man irgendwie Bilder abgeben konnte, die Negative, und sie dann wieder zurückbekam. Das gab’s gar nicht. Deswegen hat er immer die Chemie selbst angemischt, und er hat unglaublich viel fotografiert. Und dann, als wir in Deutschland waren und die Kameras erschwinglich waren, hat er sich ständig neue Kameras gekauft und die, die er nicht mehr wollte, die hat er mir geschenkt."
Irina Ruppert beginnt ihre Freunde zu fotografieren, ihre Familie, ihr Leben. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bereist sie den Osten, immer wieder und oft monatelang, besucht Verwandte, vor allem ihre drei älteren Geschwistern, die damals nicht mit nach Deutschland ausreisen durften.
"Die waren auch in ganz Osteuropa und Russland verteilt. Also zum Beispiel mein Bruder Sascha hat in Weißrussland gelebt, der andere Bruder war im Kaukasus, die Schwester, die große, hat in Sibirien gelebt. Und so hab ich angefangen alle zu besuchen und auch die Tante Berta in Kasachstan."
Nach ihrem Studium an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften arbeitet Irina Ruppert als freie Fotografin in Hamburg. 2011 erscheint ihr erster Fotoband "Rodina", russisch für Heimat, mit ihren ganz eigenen Bildern aus Osteuropa, Russland und Kasachstan. Auf den letzten Seiten des Buches wird eine tote Frau im Sarg durch eine Wiese getragen.
"Es ist tatsächlich nicht das Beerdigungsbild das letzte Bild, sondern es ist so’n Bild, das in die Weite geht. Das ist, glaub' ich, auch für mich, Reingehen in diese Landschaft, in diese Weite auch. Noch weiter 'ne Auseinandersetzung mit sowohl der Natur als auch den Menschen dort. Wird immer mein Thema bleiben. Es nicht beenden, sterben lassen, sondern mich weiter damit auseinandersetzen und auch offen dafür sein."
Im Corturar-Dorf im rumänischen Pretai fahren Pferdefuhrwerke über die Straße, in vielen Höfen werden Kupfertöpfe gehämmert. Maria, die Frau mit dem Schwein, begleitet Irina Ruppert bei ihren Gängen zu den Corturar-Familien – und auch Mihal, Rupperts rumänischer Fotoassistent.
"Ja, ich hab angefangen so ein Tuch zu spannen und die Leute davor zu stellen und sie zu porträtieren. Und abends hab' ich die Bilder ausgedruckt, und am nächsten Tag hab' ich den Leuten die Bilder wiedergebracht. Das hat sich ziemlich schnell rumgesprochen, dass das Bilder sind wie in einem Studio. Dass die auch schön sind. Und so werde ich immer weitergereicht. Und mittlerweile ist es schon so, dass ich das Gefühl hab', die Leute haben Respekt davor. Da ist jemand gekommen, die nimmt nicht nur, sondern, sie gibt auch was. Und deswegen funktioniert das, glaub ich."