Zu Besuch im "Goldenen Haus" von Nero

Von Thomas Migge |
Nach seiner Schließung 2005 und erneuter Restauration gehört das "Domus Aurea" wieder der Öffentlichkeit. Zu sehen sind fantastische Wandmalereien und wertvoller Marmor. Doch Sickerwasser und Luftfeuchtigkeit, die auch durch die Besucher erzeugt werden, bedrohen dauerhaft die Kunstwerke.
Raffael staunte. Was er in dem Erdloch entdeckte verschlug ihm den Atem. Mit einer Fackel und einigen Künstlerfreunden war der Maler in den Colle Oppio hinabgestiegen, einen der legendären sieben Hügel Roms. In dem Erdloch bekamen sie kunstvolle Stuckaturen, wertvollen Marmor aus dem gesamten Mittelmeerraum und jene fantastischen Wandmalereien zu sehen, die Menschen mit Tierköpfen und irrealen Körpern zeigten. Darstellungen, die Raffael und seine Freunde später kopierten und die als so genannte "Grottesken" in die Kunstgeschichte der späten Renaissance und des Manierismus eingingen.

Raffael hatte das "Domus Aurea", das Goldene Haus, erkundet, die einstige Luxusvilla von Kaiser Nero. Heute ist in den 150 ausgegrabenen Sälen dieser Villa eine Frau Hausherrin, die staatliche Kunsthistorikerin Pia Petrangeli. Heute Vormittag übergab sie in Anwesenheit des Kulturministers das "Domus Aurea" der Öffentlichkeit:

"Die Wiedereröffnung dieses Hauses ist ein entscheidender Schritt, denn niemand hätte nach der Aufsehen erregenden Schließung im Dezember 2005 erwartet, dass diese riesigen Räumlichkeiten schon so früh wieder öffnen. Das Goldene Haus hat ein immenses Problem. Es sickert Wasser durch. Von oben, von oberhalb der altrömischen Säle und Korridore, denn die Villa liegt ja unterhalb des heutigen Parks auf dem Oppio-Hügel. Ab heute ist nur ein Teil der Säle wieder zugänglich, aber bald werden es weitere sein."

Im Jahr 1999 war das Goldene Haus von Nero zum ersten Mal überhaupt für das zahlende Publikum geöffnet worden. Die Villa, errichtet nach dem berühmten Brand Roms im Jahr 64 nach Christus von den beiden Baumeistern Severus und Celer, nahm mehrere Hektar Grundfläche ein und umfasste Gärten, Brunnen und einen künstlichen See.

Zentrum der Anlage ist ein achteckiger großer Saal, der von einer Kuppel gekrönt wird. Immer wenn sich der Kaiser in diesem Saal aufhielt, fielen Rosenblätter durch eine Öffnung in der Kuppel auf ihn herab. Nach Neros Tod wurde die Villa zugeschüttet und andere Gebäude auf ihr errichtet. Erst in der antikenverliebten Renaissance wurden einige ihrer Säle freigelegt. Systematische Grabungen gab es erst im 20. Jahrhundert. 1999 wurde das Goldene Haus zu vorschnell geöffnet, meint Archäologin Pia Petrangeli:

"Wir hatten uns damals mit einer Improvisation zufrieden gegeben, darauf hoffend, dass die Wasserinfiltrationen und die Luftfeuchtigkeit in den Sälen schnell in den Griff zu bekommen sei. Doch bald schon entdeckten wir zu unserem Entsetzen, dass viele der antiken und bei ihrer Freilegung noch gut erhaltenen Wandmalereien vom Sickerwasser zersetzt wurden. Viele der Malereien, die Raffael noch im 15. Jahrhundert bestaunen konnte, existieren heute nicht mehr."

Die vielen Menschen, die ab 1999 die unterirdische Kaiservilla besucht hatten, erzeugten in den ausgegrabenen Sälen ein Mikroklima, das den Wandfresken gar nicht bekam. Deshalb die Schließung 2005. Jetzt sind nicht mehr alle damals noch zu besichtigenden Säle zu besuchen. Der achteckige Saal zum Beispiel wird erst im nächsten Jahr wiedereröffnet, denn noch sind nicht alle ausgegrabenen Räumlichkeiten mit modernsten Technologien ausgestattet worden, die die Stuckaturen und noch erhaltenen Wandbilder vor Sickerwasser und Luftfeuchtigkeit schützen.

Doch auch so wird der Besucher auf seine Kosten kommen. Wie in einem Labyrinth geht der Weg durch enge und meterhohe Korridore, von Saal zu Saal. Der besondere Kick wird durch das Besteigen von Gerüsten erzeugt. Gerüste, wie sie sich auch Renaissancekünstler errichtet hatten, um von Nahem die damals noch gut erhaltenen Fresken zu betrachten und zu kopieren. Dazu der Kunsthistoriker Salvatore Settis:

"Obwohl vieles durch die Wasserinfiltrationen zerstört wurde, konnte doch anderes gerettet werden. Der Besucher besteigt die Gerüste und kann sich Stuckaturen, die ungewöhnlich gut erhalten sind, und die verbliebenen Malereien anschauen. Da sind Tänzerinnen zu sehen, Faune und Gottheiten. Die Darstellungen haben viel von ihrer Farbintensität verloren, vermitteln aber einen Eindruck davon, wie prächtig diese Räumlichkeiten einmal waren. Doch das Wasser ist ein großes Problem."

Theoretisch müsste die Domus Aurea komplett und dauerhaft geschlossen werden. Nur so wäre es möglich, die Wandfresken effektiv zu schützen. Doch das Kulturministerium hofft, mit Hilfe moderner Technologie die ausgegrabenen Säle trocken halten zu können. Auf jeden Fall ist es ratsam, sich die Domus Aurea so schnell wie möglich anzuschauen. Wer weiß was in ein paar Jahren von den Wandbildern noch zu besichtigen sein wird.