Ein Jahr Atomabkommen mit dem Iran
Der Iran komme schneller zur Atombombe und das Land erhalte massenhaft Geld - weder das eine noch das andere ist ein Jahr nach dem Atomabkommen eingetreten. Der wirtschaftliche Aufschwung lässt auf sich warten, auch wegen der machtvollen iranischen Hardliner.
An Warnungen hat es nicht gefehlt: der Iran komme durch das Abkommen viel schneller zur Atombombe; der Iran werde zum Hegemon im Nahen Osten; der Iran erhalte massig Geld zur Terrorfinanzierung. Die düsteren Voraussagen haben sich ebenso wenig erfüllt wie die hohen Erwartungen und Hoffnungen.
Amir hat einen Bachelor in Chemie und einen Master in Management. Mit Taxifahren hält er sich mühsam über Wasser.
"Wenn mein Vater gute Beziehungen hätte, dann hätte ich mit meinen Abschlüssen sicher einen Job gefunden. Wer gute Beziehungen hat, kriegt einen Job, auch wenn er nichts taugt."
Aufmerksam verfolgt der 31-Jährige die politische Entwicklung in seinem Land.
"Mit der Atomvereinbarung hat das nichts zu tun. Schuld daran sind die politischen Entscheidungen hier. Sie unterstützen bestimmte Länder in der Region. Außenminister Zarif hat kürzlich gesagt, es seien etliche Milliarden nach Syrien geflossen."
Reformen lassen auf sich warten
Der versprochene Wirtschaftsaufschwung lasse weiter auf sich warten, erklärt Sadegh Zibakalam von der Uni Teheran. Bislang seien viel zu wenige Reformen auf den Weg gebracht worden. Hardliner und Nutznießer der Krise verhinderten, dass grundsätzliche Probleme angegangen würden.
"Alle große Industrieunternehmen und die großen Handelsfirmen gehören dem Staat oder halbstaatlichen Institutionen, wie den Revolutionswächtern, der Bassidji genannten Volksmiliz und vielen ähnlichen Organen."
Die Lage sei schlechter geworden, der Druck auf die Menschen nehme zu und die Arbeitslosigkeit steige weiter, klagt die Buchhalterin Masumeh im Norden Teherans.
"Ich habe einen Job. Aber seit vier Monaten hab ich kein Gehalt mehr bekommen…"
…erklärt die 35-Jährige düster.
Um nicht erkannt zu werden, hängt sich die 73-jährige Rentnerin Narges ein weißes Tuch vors Gesicht. Dann zieht sie vom Leder.
"Wir sitzen auf einem Meer von Öl, und es gibt große Reichtümer. Unsre jungen Leute sind gute ausgebildet. Aber sie haben keine Arbeit. Sie sollen das Geld nicht verschwenden. Sie sollen Fabriken errichten, Krankenhäuser bauen und Stellen schaffen."
Investoren sind zurückhaltend
Der Staat ist klamm. Durch den Ölpreisverfall verdient er spürbar weniger Geld. Hinzu kommt: Ausländische Investoren sind extrem zurückhaltend. Klaus Friedrich vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer nennt einen Hauptgrund.
"Die Bankenproblematik ist weiterhin akut. Wir haben zu wenig Finanzinstitute, zu wenig Zahlungsweg, zu wenig Engagement der Banken beim Irangeschäft. Solange die Finanzwirtschaft ihre Dienstleistungen nicht in ausreichendem Maße anbietet, können wir nichts verkaufen."
Der Finanzbedarf Irans ist riesig. 50 Milliarden Dollar sollten im laufenden Jahr an Auslandskrediten aufgenommen werden. Das Land hoffte auf Auslandsinvestitionen in dreistelliger Milliardenhöhe. Vieles stehe wegen politischer Unsicherheiten in den Sternen, resümiert der Wirtschaftsexperte Saeed Leylaz.
"Die Wirtschaft zeigt erste positive Zeichen. Aber der angerichtete Schaden ist verheerend. Das Vertrauen des Volkes, dessen Kaufkraft und Hoffnung in die Zukunft sind stark angeschlagen. Es wird lange dauern, bis diese Schäden behoben sind."
"Die Aufhebung einiger Sanktionen habe wirtschaftlich schwachen Menschen nichts gebracht…"
…stellt die Buchhalterin Masumeh anklagend fest.
"Durch steigende Transportkosten, hohen Mieten und allgemeine Teuerung hat sich die Situation der Kleinverdiener überhaupt nicht verbessert. Vielleicht haben Reiche etwas davon profitiert, die Armen haben davon nichts gemerkt."
Der Wirtschaftsaufschwung ist bislang ebenso ausgeblieben wie innenpolitische Erleichterungen. Allen Bemühungen der reformorientierten Regierung Rohani zum Trotz halten Irans Hardliner die Zügel der Macht nach wie vor fest in den ihren Händen.