Zu Gast in Deutschland
Jetzt kommen sie! Alle kommen sie, zu uns, ihren Freunden! Die Welt zu Gast bei Freunden! Hoffentlich sind wir vorbereitet. Millionen Menschen auf der Suche nach Freunden - und wir sind für sie da!
Leute, die vom Tourismus etwas verstehen, sagen: Fünf Millionen zusätzliche Übernachtungen werde die Fußball-WM nach Deutschland bringen. Und dabei bleibt es nicht: Wer einmal da war, kommt wieder! Das verpflichtet – zu allerlei. Vor allem aber zu Gastfreundschaft.
In einigen Kulturen ist Gastfreundschaft ein derart hohes Gut, dass Verletzungen der Gast-Rechte und der Pflichten dem Gast gegenüber mit einem Ehrverlust einhergehen.
Na, so weit wird es bei uns wohl kaum kommen…!
Nach der strengen Definition des Begriffs Gastfreundschaft ist der Gastgeber nicht nur verpflichtet, den Gast aufzunehmen und ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, sondern auch, diesen im Notfall mit vollem Einsatz zu verteidigen oder gar zu rächen, falls der Gast Opfer eines Angriffs werden sollte.
Na jetzt wird es aber lustig! In die Bresche werfen für einen Fremden, einen Gast? Soweit kommt es noch…
Bei nomadischen Völkern in Vorderasien zum Beispiel war ein Gast immer willkommen und gehörte während der Zeit seines Aufenthalts praktisch zum Stamm. Die Dauer eines Besuchs war traditionell auf drei Tage und vier Stunden festgelegt.
Das könnte hinkommen. Der durchschnittliche Berlin-Besucher bleibt so etwa 2,3 Tage – passt also!
LGastfreundschaft als Bestandteil religiös fundierter Praxis, damit werden wir im säkularen Berlin nicht weit kommen. Auch wenn uns ein wenig mehr davon sicher gut täte – mental wie ökonomisch. Schließlich sicherte die Gastfreundschaft in früheren Zeiten häufig das Überleben von Reisenden und war damit eine wichtige Grundlage für Handel und Austausch.
Könnte Berlin auch gut brauchen.
Übrigens fällt mir da wieder eine Zahl ein, die mit den zu erwartenden Besuchern verknüpft wird: Rund drei Milliarden Euro zusätzlich werden die Fußball-Begeisterten voraussichtlich in Deutschland lassen.
Dafür sollten wir Ihnen auch etwas bieten! Der frühere Innenminister Otto Schily wünschte sich Deutschland als Spitzenreiter im Wettbewerb der Ideen. Das 30 Millionen Euro schwere Kunst- und Kulturprogramm für die Fußball-WM ist da sicher kein schlechter Zug. Weitere 20 Millionen Euro werden gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft für die Imagekampagne "Land der Ideen" ausgegeben.
Sogar an ein einheitliches Konzept für eine Zusatzbeschilderung mit drei Feldern hat man gedacht: dem WM-Logo, dem Arena-Symbol sowie Farbrechtecke für die getrennte Führung von Zuschauergruppen. Das ist kein Witz, sondern angesichts der Millionen ausländischer und der deutschen Sprache nicht mächtiger Besucher auch notwendig.
Und was kommt uns da in den Sinn?
Die vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft vorgesehene "Freundlichkeits-, Service- und Sprachkompetenzkampagne". Bereits im Jahr 2004 hat der Präsident dieses Tourismusverbandes die WM als immense Chance für den Incoming- und Outgoing-Tourismus bezeichnet.
Ausländischen Gästen sollte schon vor der WM eine Telefon-Hotline in mehreren Landessprachen angeboten werden. Da könnte man dann sicher eventuell auch erfahren, was es mit Incoming und Outgoing so auf sich hat…
Tatsache ist, das Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" braucht mehr als intakte Verkehrsverbindungen, offene Läden oder Feuerschlucker. Freundlichkeit, Herzlichkeit, Dienstleistungsbereitschaft und vor allem Mehrsprachigkeit sind das Gebot dieses Jahres. Nicht nur, aber jetzt ganz besonders. Die WM 2006 muss ein großes Gemeinschaftswerk Deutschlands werden. Nicht der Sport allein ist Gastgeber, sondern jeder einzelne Taxifahrer oder Kellner, die den Millionen ausländischen Besuchern mit Wärme und Freundlichkeit vermitteln können, dass sie wirklich zu Gast bei Freunden sind.
Und, seien wir ehrlich: Da hat die deutsche Hauptstadt, nein, da hat ganz Deutschland noch eine Menge aufzuholen, aber nicht mehr viel Zeit! Wenn Sie mal mit ausländischen Besuchern in einem Museum waren, oder an einer Kinokasse, oder auf der Rückbank eines Taxis, dann wissen Sie, was ich meine. Von den 14 000 Berliner Taxifahrern haben übrigens ganze 75 bislang an einem WM-Sprachkurs der Taxi-Innung teilgenommen. Da ist noch Verbesserungspotenzial, wie auch beim Berliner Olympiastadion - immerhin Austragungsort des Endspiels. Rund 150 Tage vor dem Anpfiff entschuldigt man sich da noch für fehlende englischsprachige Inhalte. Das ist allenfalls - höflich.
Die gastfreundliche Geste, sich mit ausländischen Gästen wenigstens einigermaßen in Englisch oder Französisch verständigen zu können, sollte nicht nur von der Aussicht auf einen schnellen Euro diktiert werden. Dann wären wir schlechte Gastgeber. Das Fußballfest wird vor allem zum Prüfstein für unsere Toleranz und unsere Integrationsfähigkeit werden.
Denken Sie immer an das Fachgespräch, dass sich anlässlich der WM-Auslosung zwischen Bundespräsident Horst Köhler und dem Fotomodel Heidi Klum abgespielt hat, und das in der Fernsehgeschichte ohne Beispiel ist:
Klum fragte: "Herr Bundespräsident, die ganze Welt schaut auf Deutschland. Was bedeutet das?"
Darauf Köhler: "Ja, dass die ganze Welt auf uns schaut." Vergessen wir das NIE!
Harald Prokosch, geboren 1959, ist Redakteur und Fernsehmoderator mit den Stationen "Stuttgarter Zeitung", Süddeutscher Rundfunk, SAT 1, n-tv, Hauptabteilungsleiter Regionales SFB, jetzt Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Siemens Deutschland, Berlin.
In einigen Kulturen ist Gastfreundschaft ein derart hohes Gut, dass Verletzungen der Gast-Rechte und der Pflichten dem Gast gegenüber mit einem Ehrverlust einhergehen.
Na, so weit wird es bei uns wohl kaum kommen…!
Nach der strengen Definition des Begriffs Gastfreundschaft ist der Gastgeber nicht nur verpflichtet, den Gast aufzunehmen und ihn mit dem Nötigsten zu versorgen, sondern auch, diesen im Notfall mit vollem Einsatz zu verteidigen oder gar zu rächen, falls der Gast Opfer eines Angriffs werden sollte.
Na jetzt wird es aber lustig! In die Bresche werfen für einen Fremden, einen Gast? Soweit kommt es noch…
Bei nomadischen Völkern in Vorderasien zum Beispiel war ein Gast immer willkommen und gehörte während der Zeit seines Aufenthalts praktisch zum Stamm. Die Dauer eines Besuchs war traditionell auf drei Tage und vier Stunden festgelegt.
Das könnte hinkommen. Der durchschnittliche Berlin-Besucher bleibt so etwa 2,3 Tage – passt also!
LGastfreundschaft als Bestandteil religiös fundierter Praxis, damit werden wir im säkularen Berlin nicht weit kommen. Auch wenn uns ein wenig mehr davon sicher gut täte – mental wie ökonomisch. Schließlich sicherte die Gastfreundschaft in früheren Zeiten häufig das Überleben von Reisenden und war damit eine wichtige Grundlage für Handel und Austausch.
Könnte Berlin auch gut brauchen.
Übrigens fällt mir da wieder eine Zahl ein, die mit den zu erwartenden Besuchern verknüpft wird: Rund drei Milliarden Euro zusätzlich werden die Fußball-Begeisterten voraussichtlich in Deutschland lassen.
Dafür sollten wir Ihnen auch etwas bieten! Der frühere Innenminister Otto Schily wünschte sich Deutschland als Spitzenreiter im Wettbewerb der Ideen. Das 30 Millionen Euro schwere Kunst- und Kulturprogramm für die Fußball-WM ist da sicher kein schlechter Zug. Weitere 20 Millionen Euro werden gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft für die Imagekampagne "Land der Ideen" ausgegeben.
Sogar an ein einheitliches Konzept für eine Zusatzbeschilderung mit drei Feldern hat man gedacht: dem WM-Logo, dem Arena-Symbol sowie Farbrechtecke für die getrennte Führung von Zuschauergruppen. Das ist kein Witz, sondern angesichts der Millionen ausländischer und der deutschen Sprache nicht mächtiger Besucher auch notwendig.
Und was kommt uns da in den Sinn?
Die vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft vorgesehene "Freundlichkeits-, Service- und Sprachkompetenzkampagne". Bereits im Jahr 2004 hat der Präsident dieses Tourismusverbandes die WM als immense Chance für den Incoming- und Outgoing-Tourismus bezeichnet.
Ausländischen Gästen sollte schon vor der WM eine Telefon-Hotline in mehreren Landessprachen angeboten werden. Da könnte man dann sicher eventuell auch erfahren, was es mit Incoming und Outgoing so auf sich hat…
Tatsache ist, das Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" braucht mehr als intakte Verkehrsverbindungen, offene Läden oder Feuerschlucker. Freundlichkeit, Herzlichkeit, Dienstleistungsbereitschaft und vor allem Mehrsprachigkeit sind das Gebot dieses Jahres. Nicht nur, aber jetzt ganz besonders. Die WM 2006 muss ein großes Gemeinschaftswerk Deutschlands werden. Nicht der Sport allein ist Gastgeber, sondern jeder einzelne Taxifahrer oder Kellner, die den Millionen ausländischen Besuchern mit Wärme und Freundlichkeit vermitteln können, dass sie wirklich zu Gast bei Freunden sind.
Und, seien wir ehrlich: Da hat die deutsche Hauptstadt, nein, da hat ganz Deutschland noch eine Menge aufzuholen, aber nicht mehr viel Zeit! Wenn Sie mal mit ausländischen Besuchern in einem Museum waren, oder an einer Kinokasse, oder auf der Rückbank eines Taxis, dann wissen Sie, was ich meine. Von den 14 000 Berliner Taxifahrern haben übrigens ganze 75 bislang an einem WM-Sprachkurs der Taxi-Innung teilgenommen. Da ist noch Verbesserungspotenzial, wie auch beim Berliner Olympiastadion - immerhin Austragungsort des Endspiels. Rund 150 Tage vor dem Anpfiff entschuldigt man sich da noch für fehlende englischsprachige Inhalte. Das ist allenfalls - höflich.
Die gastfreundliche Geste, sich mit ausländischen Gästen wenigstens einigermaßen in Englisch oder Französisch verständigen zu können, sollte nicht nur von der Aussicht auf einen schnellen Euro diktiert werden. Dann wären wir schlechte Gastgeber. Das Fußballfest wird vor allem zum Prüfstein für unsere Toleranz und unsere Integrationsfähigkeit werden.
Denken Sie immer an das Fachgespräch, dass sich anlässlich der WM-Auslosung zwischen Bundespräsident Horst Köhler und dem Fotomodel Heidi Klum abgespielt hat, und das in der Fernsehgeschichte ohne Beispiel ist:
Klum fragte: "Herr Bundespräsident, die ganze Welt schaut auf Deutschland. Was bedeutet das?"
Darauf Köhler: "Ja, dass die ganze Welt auf uns schaut." Vergessen wir das NIE!
Harald Prokosch, geboren 1959, ist Redakteur und Fernsehmoderator mit den Stationen "Stuttgarter Zeitung", Süddeutscher Rundfunk, SAT 1, n-tv, Hauptabteilungsleiter Regionales SFB, jetzt Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Siemens Deutschland, Berlin.