Russische Annexionsfeier

Putins "Scheinaktivitäten"

09:17 Minuten
Wladimir Putin steht an einem Rednerpult. Hinter ihm vier russische Flaggen. Neben ihm stehen vier Soldaten.
Wladimir Putin kündigte die Annexion von vier weiteren Gebieten der Ukraine an und erhebt Anklage gegen den Westen. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Dmitry Astakhov
Kateryna Mishchenko im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
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Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Annexion von vier weiteren Gebieten in der Ukraine feierlich verkündet. Doch für die Verlegerin Kateryna Mishchenko soll die "Show" nur vom eigenen Versagen ablenken. Sie rät zu Gelassenheit.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die Annexion der vier ukrainischen Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson angekündigt. Im Kreml wurden entsprechende Verträge unterzeichnet, die auf angeblichen Resultaten bei Scheinreferenden in den genannten Gebieten basieren. Dabei machte Putin in seiner im Staatsfernsehen übertragenen Rede dem Westen schwere Vorwürfe.
„Wir haben heute wieder ein Signal bekommen, dass unsere eigene Agenda eine Rolle spielt, und wir nicht darauf warten müssen, was er noch sagt, was er noch tut", sagt die Autorin und Verlegerin Kateryna Mishchenko, die aus Kiew kommt und derzeit am Wissenschaftskolleg in Berlin arbeitet, anlässlich der Rede. "Man kann sich das sparen und wissen: Alles, was er sagt, ist Hass und Lüge. Alles, was er tut, sind Kriegsverbrechen und weitere Aggressionen und auch Terrorakte.“
Das Team des ukrainischen Präsidenten habe sich zum Beispiel diese Rede erst gar nicht live angehört, sondern währenddessen entschieden, den NATO-Beitritt zu beschleunigen. "Ich glaube, das ist ein guter Ansatz in dem Sinne, dass man wirklich seine eigene Agenda durchsetzen muss", so Mishchenko.

Scheinaktivitäten und ablenken

Für Mishchenko war diese Zeremonie im Kreml nichts weiter als eine „Show, wo die Kriegsverbrecher zusammengekommen sind“ und etwas unterzeichnet haben, was aus einer rechtlichen oder menschlichen Perspektive niemand ernst nimmt. „Das bedeutet, dass auf dem Kampffeld in der Ukraine keine Erfolge zu sehen sind. Deshalb muss man auf eine andere Weise eskalieren. Das zeigt nur, dass die ukrainische Armee alles richtigmacht, und man sie weiter unterstützen muss.“
In Putins Rede gehe es thematisch wild durcheinander. Sie sei eine Anklage des Liberalismus, der Genderpolitik, aber auch des Kolonialismus und Neoliberalismus, so Mishchenko. Trotzdem erkennt die Autorin in Putins Rede eine Strategie. Diese kreise um die beiden Stichworte Angst und Zeit.
Einerseits solle in den Gesellschaften Europas durch Putins Rede Angst geschürt werden. Andererseits gehe es darum, Zeit zu gewinnen, um sich auf die Gegenoffensive der Ukraine vorzubereiten, da die Mobilmachung nicht so schnell vonstattengehe wie erhofft. „Deshalb gibt es jetzt diese Shows, die Referenden, diese Scheinaktivitäten. Schein nicht in dem Sinne, dass nichts passiert, sondern in dem Sinne, dass uns etwas anderes vorgeführt wird, als das, was in der Wirklichkeit ist.“

Angst schüren

In der Tat wächst in Europa die Angst vor dem kommenden Winter und steigenden Energiepreisen. Doch auch dieser Winter werde vorbeigehen, sagt Mishchenko. "Es gibt schlimmere Sachen auf der Welt – und die passieren jetzt in Europa.“ Diese müssten nun gestoppt werden. Man dürfe sich nicht vom Kreml einschüchtern lassen.
"Was Europa nicht vergessen soll, ist, dass Demokratie auch Menschen stark macht – und die Gesellschaften, die Vernunft, die Denkweisen", sagt Mishchenko. "Das heißt: Man kann Strategien finden, aus dieser Krise rauszukommen und dabei etwas Gutes für die Zukunft und für die Kinder zu machen. Man muss bloß ohne Angst in die Zukunft schauen und aktiv sein.“

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