Zu viel Weiß
Die meisten Ausstellungen finden in Räumen mit weißen Wänden statt, auch White Cubes genannt. Dabei haben Forscher der Hochschule Hannover herausgefunden, dass sich die Besucher in hellgrün gestrichenen Räumen viel besser auf die Werke einlassen können.
Weiße Wände, bunte Bilder – so ist es, wenn wir ins Museum gehen. An den White Cube als neutralen Raumcontainer für die Zurschaustellung von Kunstobjekten sind wir gewöhnt, und es fällt uns schwer, Alternativen zu denken. Das ist wohl einer der Gründe, weshalb Martina Wiedleroither, Initiatorin der Tagung, dem White Cube kritisch gegenübersteht:
"Für uns treffen sich eben im White Cube Besucher und Werk, in diesem weißen und sterilen Raum, und wir fragen uns eben auf der einen Seite, was macht dieser Raum mit dem Werk, und auf der anderen Seite, was macht dieser Raum mit dem Besucher?"
Psychologen, Architekten, Künstler und Kuratoren haben Referate gehalten, es wurde diskutiert, und die Forschungsgruppe der Hochschule Hannover präsentierte die ersten Ergebnisse einer Studie, bei der es um das Besucherverhalten in einem typischen Ausstellungsraum des Sprengel Museums geht.
"Wir haben in zwei Schritten nacheinander jeweils einen Parameter eines White Cube verändert und dann sozusagen gemessen, was hat sich da verändert in der Einschätzung der Besucher, was die Qualität der Wahrnehmungsbedingungen angeht. Wir haben zum Beispiel den Raum sehr krass hellgrün gestrichen, und tatsächlich ist es so, dass dieser Raum durchschnittlich eigentlich in jedem bedeutenden Punkt, den wir gemessen haben, bessere Ergebnisse erzielt hat. Also zum Beispiel haben einige Leute geäußert, dass sie sich besser auf die Werke einlassen konnten, dass sie einen leichteren Zugang zu den Werken gefunden haben, und wir haben auch einige Aspekte gefunden, die auf eine höhere Aktivität schließen lassen, also dass man sich mit anderen Menschen über die Werke unterhält, dass man mit den Werken interagiert."
Üblicherweise wird der White Cube als ein neutraler Raum für autonome Kunstwerke gesehen. Weiße Wände und leere Räume, die scheinbar nichts anderes wollen, als dem Kunstwerk zu dienen. Und das Publikum reagiert entsprechend.
"Wenn man sich in einem Raum, in einem White Cube in einem Museum befindet, dann sieht man doch sehr oft, dass die Leute recht eingeschüchtert sich von Werk zu Werk bewegen und eigentlich wenig aktiv sind, es wird wenig gesprochen, es ist eigentlich kein Raum, wo man sich sozial verhalten kann, sondern da ist ein ganz bestimmtes Verhalten mit verbunden. Und wir glauben eben, dass das zumindest für eine ganze Vielzahl von Kunstwerken nicht unbedingt zuträglich ist."
Es ist ein sakral aufgepepptes Ambiente. Die ausgestellten Kunstwerke werden von den meist bürgerlichen Besuchern mit dem nötigen Respekt betrachtet, falls sie nicht gerade im Coffee-Shop oder Museumsladen verschwunden sind, wo sie sich von der kontemplativen Kunstbetrachtung, die ja auch anstrengend ist, etwas erholen.
Doch vielleicht müssen Kunstwerke ja gar nicht so anstrengend sein? In einem anderen Kontext – in einer alten Fabrikhalle, in einer betagten Villa oder an einer Brandmauer in der Stadt – können sie plötzlich ganz neue Möglichkeiten entfalten. Christiane Oppermann ist bildende Künstlerin in Dresden und Hannover. Sie sagt, normalerweise finden Diskusionen um den Ausstellungsort eher ohne die Künstler statt. Ihr gefällt, dass die Hochschule Hannover in ihrer Studie auch Künstler befragt. Sie selbst glaubt …
"… dass die Maler und eher klassische Bildhauer mit den Verhältnissen des White Cube und der Neutralität eher zufrieden sind als Künstler, die performativ arbeiten oder natürlich soziale, gesellschaftliche Interessen haben, die in einer neutralen Kiste sich nicht widerspiegeln können."
Winfried Kuehn, Architekt aus Karlsruhe und Berlin, der mit Kuratoren großer Museen nach neuen Formen der Kunstvermittlung sucht, sieht den White Cube in einer ganz anderen Tradition. Er hält ihn für keine autistische Wunderkammer, wo sich Kunstobjekte ein Stelldichein geben. Für ihn sind es funktionale, vom nutzlosen Ballast befreite Räume, in denen experimentiert und gearbeitet werden kann. Es sind die legitimen Nachfolger der avantgardistischen Künstlerateliers:
"Ich glaube der White Cube ist die Ausgangsposition, von der wir alle arbeiten, der Raum der Moderne. Und es geht gar nicht darum, dass der weiß ist, sondern es geht darum, dass das ein Studio-Raum ist, dass das ein Raum ist, der wenig Festlegungen hat, in Form von Materialität, Ornament. All diese Dinge sind dort gewissermaßen entnommen, und der White Cube ist eigentlich eine Art leeres Studio, in dem man arbeiten kann. Und seit der Moderne arbeiten Künstler und Kuratoren vom Studio zur Ausstellung hin, und die Ausstellung wird immer mehr zum eigentlichen Werk."
Was können Museumsleute von solchen Diskussionen lernen? Wie sieht das Museum der Zukunft aus, nachdem die Weiße Moderne an Überzeugungskraft verloren hat und kaum noch einer an das autonome Kunstwerk glaubt? Was auch immer passiert, der White Cube bleibt zäh. Auch in Hannover war er standhaft und unverwüstlich, doch als allein selig machendes Konzept hat die leere Kiste dann doch ausgedient.
Links:
Das Symposium an der Hochschule Hannover
Sprengel Museum Hannover
"Für uns treffen sich eben im White Cube Besucher und Werk, in diesem weißen und sterilen Raum, und wir fragen uns eben auf der einen Seite, was macht dieser Raum mit dem Werk, und auf der anderen Seite, was macht dieser Raum mit dem Besucher?"
Psychologen, Architekten, Künstler und Kuratoren haben Referate gehalten, es wurde diskutiert, und die Forschungsgruppe der Hochschule Hannover präsentierte die ersten Ergebnisse einer Studie, bei der es um das Besucherverhalten in einem typischen Ausstellungsraum des Sprengel Museums geht.
"Wir haben in zwei Schritten nacheinander jeweils einen Parameter eines White Cube verändert und dann sozusagen gemessen, was hat sich da verändert in der Einschätzung der Besucher, was die Qualität der Wahrnehmungsbedingungen angeht. Wir haben zum Beispiel den Raum sehr krass hellgrün gestrichen, und tatsächlich ist es so, dass dieser Raum durchschnittlich eigentlich in jedem bedeutenden Punkt, den wir gemessen haben, bessere Ergebnisse erzielt hat. Also zum Beispiel haben einige Leute geäußert, dass sie sich besser auf die Werke einlassen konnten, dass sie einen leichteren Zugang zu den Werken gefunden haben, und wir haben auch einige Aspekte gefunden, die auf eine höhere Aktivität schließen lassen, also dass man sich mit anderen Menschen über die Werke unterhält, dass man mit den Werken interagiert."
Üblicherweise wird der White Cube als ein neutraler Raum für autonome Kunstwerke gesehen. Weiße Wände und leere Räume, die scheinbar nichts anderes wollen, als dem Kunstwerk zu dienen. Und das Publikum reagiert entsprechend.
"Wenn man sich in einem Raum, in einem White Cube in einem Museum befindet, dann sieht man doch sehr oft, dass die Leute recht eingeschüchtert sich von Werk zu Werk bewegen und eigentlich wenig aktiv sind, es wird wenig gesprochen, es ist eigentlich kein Raum, wo man sich sozial verhalten kann, sondern da ist ein ganz bestimmtes Verhalten mit verbunden. Und wir glauben eben, dass das zumindest für eine ganze Vielzahl von Kunstwerken nicht unbedingt zuträglich ist."
Es ist ein sakral aufgepepptes Ambiente. Die ausgestellten Kunstwerke werden von den meist bürgerlichen Besuchern mit dem nötigen Respekt betrachtet, falls sie nicht gerade im Coffee-Shop oder Museumsladen verschwunden sind, wo sie sich von der kontemplativen Kunstbetrachtung, die ja auch anstrengend ist, etwas erholen.
Doch vielleicht müssen Kunstwerke ja gar nicht so anstrengend sein? In einem anderen Kontext – in einer alten Fabrikhalle, in einer betagten Villa oder an einer Brandmauer in der Stadt – können sie plötzlich ganz neue Möglichkeiten entfalten. Christiane Oppermann ist bildende Künstlerin in Dresden und Hannover. Sie sagt, normalerweise finden Diskusionen um den Ausstellungsort eher ohne die Künstler statt. Ihr gefällt, dass die Hochschule Hannover in ihrer Studie auch Künstler befragt. Sie selbst glaubt …
"… dass die Maler und eher klassische Bildhauer mit den Verhältnissen des White Cube und der Neutralität eher zufrieden sind als Künstler, die performativ arbeiten oder natürlich soziale, gesellschaftliche Interessen haben, die in einer neutralen Kiste sich nicht widerspiegeln können."
Winfried Kuehn, Architekt aus Karlsruhe und Berlin, der mit Kuratoren großer Museen nach neuen Formen der Kunstvermittlung sucht, sieht den White Cube in einer ganz anderen Tradition. Er hält ihn für keine autistische Wunderkammer, wo sich Kunstobjekte ein Stelldichein geben. Für ihn sind es funktionale, vom nutzlosen Ballast befreite Räume, in denen experimentiert und gearbeitet werden kann. Es sind die legitimen Nachfolger der avantgardistischen Künstlerateliers:
"Ich glaube der White Cube ist die Ausgangsposition, von der wir alle arbeiten, der Raum der Moderne. Und es geht gar nicht darum, dass der weiß ist, sondern es geht darum, dass das ein Studio-Raum ist, dass das ein Raum ist, der wenig Festlegungen hat, in Form von Materialität, Ornament. All diese Dinge sind dort gewissermaßen entnommen, und der White Cube ist eigentlich eine Art leeres Studio, in dem man arbeiten kann. Und seit der Moderne arbeiten Künstler und Kuratoren vom Studio zur Ausstellung hin, und die Ausstellung wird immer mehr zum eigentlichen Werk."
Was können Museumsleute von solchen Diskussionen lernen? Wie sieht das Museum der Zukunft aus, nachdem die Weiße Moderne an Überzeugungskraft verloren hat und kaum noch einer an das autonome Kunstwerk glaubt? Was auch immer passiert, der White Cube bleibt zäh. Auch in Hannover war er standhaft und unverwüstlich, doch als allein selig machendes Konzept hat die leere Kiste dann doch ausgedient.
Links:
Das Symposium an der Hochschule Hannover
Sprengel Museum Hannover