Darüber diskutieren:
Andreas Krüger, Leiter des Instituts für Psychotraumatologie des Kindes- und Jugendalters, Hamburg
Cordula Lasner-Tietze, Deutscher Kinderschutzbund, Geschäftsführerin Bundesverband
Michael Winterhoff, Kinder- und Jugendpsychiater, Bestsellerautor
Wie viel Gewalt gibt es noch in der Kinderziehung?
53:47 Minuten
Seit 19 Jahren haben Kinder und Jugendliche das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung – körperliche Bestrafungen und seelische Verletzungen sind unzulässig. Doch viele Kinder erleben nach wie vor Gewalt und diese hat viele Gesichter.
Am 30. April ist der "Tag der gewaltfreien Erziehung". Zwar lehnen 90 Prozent aller Eltern Gewalt ab, fast die Hälfte sagt aber auch, ein Klaps auf den Po könne gelegentlich nicht schaden. Kinder und Jugendliche sind immer noch unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Körperliche Züchtigungen nehmen ab, psychische Gewalt und andere Formen von Vernachlässigung dagegen zu.
In digitalen Zeiten sind sie häufig sich selbst überlassen – und der Begriff, was Kindheit ausmacht, geht in der Gesellschaft verloren, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff. Mit dramatischen gesellschaftlichen Folgen – immer mehr Kinder seien mit dem Verlassen der Schule nicht reif für eine Ausbildung und den Start in ein eigenverantwortliches Leben, so Winterhoff, dessen neues Buch "Deutschland verdummt" in den nächsten Wochen erscheint.
"Zunehmende Verrohungstendenzen" in der Gesellschaft
Gewaltfreiheit in der Erziehung ist in Deutschland aber immer noch die Norm und seit den 90er-Jahren habe sich viel zum Positiven entwickelt. Er erlebe aber in seiner täglichen Praxis als Psychotraumatologe für Kinder und Jugendliche in Hamburg zunehmende Verrohungstendenzen in der Gesellschaft, sagt Andreas Krüger. Deutschland habe in Europa eine Insellage und sei immer mehr Einflüssen zum Beispiel aus Osteuropa ausgesetzt, wo Gewalt gegen Kinder immer noch zum Alltag gehöre.
Umso wichtiger sind Beratung, Behandlung und psychosoziale Betreuung – nicht nur im interkulturellen Bereich – dafür plädiert auch die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes, Cordula Lasner-Tietze. Kinder müssten angehört und ernst genommen werden – allerdings gebe es bundesweit immer noch viel zu wenig Einrichtungen.