Der Zufall in Kunst und Wissenschaft
Die Macht des Kairos
Der Zufall ist jener glückliche Moment, der ein Projekt oder eine Forschung auf eine neue Ebene führt. Das wussten schon die antiken Philosophen, sagt die Kunsthistorikerin Birgit Möckel und verweist auf die griechische Gottheit Kairos.
Es gibt dieses Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, plötzlich dem richtigen Menschen begegnet zu sein und daraus Neues zu entwickeln – neue Denkräume zum Beispiel.
Solche Denkräume sind Thema beim "Raumwelten"-Kongress in Ludwigsburg, einer Plattform für Szenografie, Architektur und Medien. Es geht um das Erschaffen neuer Räume und welche Rolle der Zufall dabei spielt.
Die Kunsthistorikerin Birgit Möckel begibt sich in ihrem Vortrag auf dem Ludwigsburger Kongress auf die Spuren des Zufalls – und seiner Bedeutung in der Kunst und in der Wissenschaft.
Plötzlich aus der Spur geraten
Den Zufall definiert sie als einen „am liebsten glücklichen Moment, der uns begegnet, wenn wir am Tun, am Handeln sind und vielleicht auf einer Spur sind – und plötzlich aus dieser Spur geraten und etwas ganz Anderes finden, was uns vielleicht weiter bringt als das, was wir eigentlich gesucht haben“.
Der Zufall brauche aber immer etwas Raum zwischen Glück und Pech. Diese Momente müssten wir zu fassen versuchen, sagt sie: „Das haben schon die antiken Philosophen versucht darzustellen, es gibt wunderbare Bilder: Der Kairos hat eine dicke Haarlocke im Gesicht und einen glatten, kahlköpfigen Hinterkopf. Das formuliert ganz schön im Bild, wie man diesen Zufall am Schopfe packen kann, aber er ist auch ganz schnell entschwunden und die Hand gleitet ab an der Glatze, an dem kahlen Kopf.“
Den Zufall steuern und kontrollieren
Künstlerinnen und Künstler würden sich natürlich gern überraschen lassen und fänden Strategien, wie sie ihre „Überraschungsgeneratoren“ als Experimentalsysteme quasi erfahrbar machen: „Sie suchen möglichst offene Räume, machen Zufallsfunde, und wenn sie einmal gefunden sind, dann nutzen sie solche Ideen, um weiter daran zu arbeiten und den Zufall in dem Moment sogar zu steuern und zu kontrollieren.“
Alles in allem sei der Zufall ein positiver Faktor: „Ich muss Freiraum schaffen, um diese Dinge auf mich wirken zu lassen“, sagt Möckel, „um sie anzunehmen als einen glücklichen Moment, der mein Projekt oder meine Forschung weiterbringt und auf eine neue Ebene vielleicht auch führt.“