Sehnsucht nach dem Urmythos
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In Krisen wie der Coronapandemie sehnen sich viele Menschen nach Gärten. Warum das so ist, erklärt unser Redakteur und Gartenhistoriker Hans von Trotha. Er hat zudem einige Literatur- und Filmtipps parat.
Der Garten sei ein "Urmythos", sagt Hans von Trotha, "eine Urerfahrung der abendländischen Kulturgeschichte." Es könne auch gar nicht anders sein, denn: "Der Mensch kommt nicht etwa aus der Wildnis, sondern aus dem Garten." Und aus dem Garten Eden ist er bekanntlich einst vertrieben worden.
Bereits früh habe der Garten als sicherer Ort gegolten. So zum Beispiel in Boccaccios "Decamerone", wo junge Menschen der Pest in Florenz entfliehen und sich Geschichten erzählen - der "Beginn unserer Prosaliteratur in Europa", wie von Trotha erklärt.
Doch warum sucht man die Wildnis in Krisenzeiten? "Der Garten ist ja nicht wild", so von Trotha. "Er tut nur so, als wäre er wild." Und der Rückzug dorthin sei immer auch ein Rückzug aus der Erfahrungswelt - in eine utopische Welt, "die es aber wirklich gibt".
Wildheit in englischen Gärten
Etwa tausend Jahre lang seien die Gärten in Europa regelmäßig, symmetrisch, geometrisch angelegt worden. Erst seit dem 18. Jahrhundert sei die Wildheit im so genannten englischen Garten dazugekommen.
Bei so viel Klarheit und Schönheit seien Gärten in Filmen und in der Literatur meist Orte des Bösen - denn die Ordnung sei so schön, dass man sie stören müsse.
Wer sich dem zu Hause annähern möchte, dem empfiehlt Hans von Trotha beispielweise Thomas Hettches Roman "Pfaueninsel" oder auch Rudolf Borchardts Buch "Der leidenschaftliche Gärtner". Auch Filmtipps hat er: "Der Kontrakt des Zeichners" von Peter Greenaway und "Barry Lyndon" von Stanley Kubrick.
(bth)