Zukunftspläne für das "Bombodrom" nach endgültigem Rückzug der Bundeswehr

Dieter Herm im Gespräch mit Nana Brink |
Der stellvertretende Bürgermeister von Wittstock/Dosse, Dieter Herm (parteilos), hat den endgültigen Verzicht der Bundeswehr auf das langjährige Übungsgelände im Norden Brandenburgs begrüßt. Die Stadt Wittstock und die umliegenden Gemeinden könnten nun für die Zukunft planen, sagte Herm.
Nana Brink: 17 Jahre ging der Streit, und er wurde leidenschaftlich geführt von beiden Seiten. Bekannt geworden ist er unter dem Begriff Bombodrom, und gemeint ist das Gelände eines Schießplatzes in der Nähe von Wittstock in der Kyritzer Heide in Brandenburg. Die Bundeswehr hat den Standort nun endgültig aufgegeben. Verteidigungsminister zu Guttenberg teilte dem Verteidigungsausschuss gestern nüchtern mit: Wir haben keinen Bedarf mehr.

Die Bürgerinitiative Freie Heide, die um die Stilllegung des ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatzes lange gekämpft hat, jubelt natürlich, und die große Frage ist jetzt, was wird aus dem 14.000 Hektar großen Gebiet. Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen mit Dieter Herm. Er ist stellvertretender Bürgermeister von Wittstock an der Dosse und zuständig für die Wirtschaftsförderung. Einen schönen guten Morgen, Herr Herm!

Dieter Herm: Schönen guten Morgen!

Brink: Freuen Sie sich, dass das Bombodrom Geschichte ist?

Herm: Das Bombodrom ist ja seit dem letzten Jahr Geschichte.

Brink: Aber nun endgültig.

Herm: Der Truppenübungsplatz ist nun sozusagen endgültig Geschichte, und ja, letztendlich sind wir auch froh, dass hier eine abschließende Klärung erfolgt ist, weil dadurch die Anrainer und die ringsum liegenden Gemeinden Klarheit haben für die Zukunft, wie sie also sozusagen ihre Zukunft planen können, ohne militärische Nutzung.

Brink: Was bedeutet denn die Schließung konkret für die Stadt Wittstock?

Herm: Konkret für die Stadt Wittstock bedeutet, dass wir auf der einen Seite nun noch intensiver drüber nachdenken müssen, wie wir mit dieser Liegenschaft in Zukunft umgehen können, und zum anderen müssen wir natürlich jetzt Maßnahmen finden, die bis jetzt Zivilbeschäftigten, die dort tätig waren, die ja in großem Maße aus dem Raum Wittstock gekommen sind, nun in neue Arbeit zu bringen. Und da werden wir sicherlich auch auf die Unterstützung der Bundeswehr und des Kreises angewiesen sein.

Brink: Das heißt, Sie sind eigentlich nicht nur glücklich darüber?

Herm: Wir haben mittlerweile also, wie gesagt, dort 80 Zivilbeschäftigte, und die haben ihre wirtschaftliche Existenz, Privatexistenz darauf aufgebaut, und wir haben momentan keine alternativen Arbeitsplätze für diese Leute. Wir müssen also überlegen, wie wir die hier in der Region noch behalten können, denn ich sage mal, sie können natürlich von der Bundeswehr Angebote annehmen, woanders ihrer Arbeit nachzugehen, aber dann wären sie für uns in der Region verloren, und das wollen wir nicht.

Brink: Das heißt Steuerausfälle. Wie viel ...

Herm: Nicht nur Steuerausfälle. Wir brauchen Menschen hier, wir brauchen die Leute hier. Sie sind ja nicht nur die einzigen Beschäftigten, sondern hier hängen ja ganze Familien dran.

Brink: Das Bombodrom war jahrelang verwaist, ein Wolf ist dort schon gesichtet worden und auch ein Seeadlerpaar, aber es ist wohl nicht die Idee, das Areal den Wölfen zu überlassen. Wie sehen denn die Pläne für eine zivile Nutzung aus? Gibt es schon solche Pläne?

Herm: Wir sind in einer Arbeitsgruppe mit den umliegenden Gemeinden, ebenso auch mit den Bürgerinitiativen, also Freie Heide und so weiter, um hier eine zivile Nachnutzung abzustimmen. Sicherlich wird es nicht einfach werden, weil viele Flächen ja noch zu entsorgen sind.

Ich glaube persönlich nicht, dass man alles entsorgen kann, weil dahinter ein sehr hoher Kostenaufwand steht und zum anderen die Natur sich vieles zurückgeholt hat. Sie sprachen von Wölfen und Seeadlern - wenn wir also sozusagen eine komplette Entmunitionierung dort vornehmen wollten, würden wir auch diese Naturräume wieder zerstören müssen.

Brink: Aber Sie haben doch bestimmt eine Vorstellung, das ist ja ein riesiges Areal, man hat jahrelang, fast jahrzehntelang darum gekämpft, da muss es doch eine Idee geben, was machen wir damit.

Herm: Also ein wichtiger Punkt: die touristische Erschließung. Aber wir werden sicherlich auch überlegen müssen, ob Solarenergienutzung oder forstwirtschaftliche Nutzung möglich sein wird. Letztendlich sind hier eine ganze Reihe von Ideen, aber die wirtschaftliche Tragfähigkeit aus diesem ehemaligen Truppenübungsplatz wird also sozusagen für die Region nur ein kleiner Teil sein. Wir müssen also überlegen, wie wir den Tourismus besser aufstellen, noch besser aufstellen als in der Vergangenheit, ohne diesen Truppenübungsplatz.

Brink: Ich stelle mir das ein bisschen schwierig vor, allein vom Image eines Bombenabwurfplatzes. Über 5000 Hektar sind ja extrem belastet durch die Blindgänger, und die sowjetische Armee war ja da recht großzügig im Umgang mit Munition, die sie beim Abwurf verloren hat. Haben Sie überhaupt einen Überblick über die Belastung, wo man hingehen kann und wo nicht?

Herm: Die Bundeswehr hat eine recht genaue Kartierung, wo also weniger belastete Zonen sind, wo hoch belastete Zonen sind, und wir werden uns sicherlich bemühen, erst mal die weniger belasteten Zonen zu rekultivieren beziehungsweise nutzbar zu machen, und ähnlich wie in anderen Gebieten hier mit Schneisen arbeiten oder mit Wegen, die erst mal hindurchführen, natürlich mit den entsprechenden Sicherheitsbereichen.

Brink: Und Sie denken, das lässt sich so einfach umwandeln vom Image her, ein Gebiet, in dem, ja, noch Bomben im Boden liegen? Und dann sollen Kinder da spielen und Radfahrer fahren?

Herm: Ja, also dieses Image, da werden wir sicherlich viele Jahre und Jahrzehnte mit zu tragen haben. Wir werden dieses schrittweise umwandeln können, nur indem wir also sozusagen positive Beispiele bringen, an welcher Stelle man also sozusagen mit Natur und entsprechenden Projekten hier die Sache wieder touristisch interessant machen kann.

Also letztendlich, dieses gesamte Gebiet touristisch zu vermarkten, halte ich für sehr schwer oder fast nicht lösbar. Also es wird nur Abschnitte geben davon.

Brink: Dann wird es vielleicht wieder mehr Wölfe geben, ist ja auch eine Art, wie die Natur sich das Gebiet zurückholt. Die ganze Aufarbeitung des Geländes, also die ganze Bergung der Munition, soll 220 Millionen Euro kosten. Selbst wenn es weniger wäre, wer finanziert das?

Herm: Diese Sache ist sicherlich noch auszustreiten. Wir werden mit der Planungsgemeinschaft, also mit den Anrainerkommunen versuchen, hier das Land und auch den Bund aufzufordern, ihren Beitrag zu leisten, denn dieses kann nicht bei den Kommunen hängen bleiben.

Brink: Und muss sich auch die Bundeswehr beteiligen, fordern Sie das?

Herm: Ja nu, Bundeswehr hat jetzt ihr Vermögen an das Bundesfinanzministerium abgegeben. Wer auch immer sozusagen das Geld nachher am Ende zur Verfügung stellen wird, werden wir sehen.

Brink: Dieter Herm war das, stellvertretender Bürgermeister von Wittstock an der Dosse. Und wir sprachen über die künftige Nutzung des Bombodroms in Brandenburg, die Bundeswehr hat den Standort dort aufgegeben. Vielen Dank für das Gespräch!

Herm: Danke, gerne!