Zukunftszentrum in Halle

Gesucht: ein Pendant im Westen

06:37 Minuten
Marktkirche St. Marien in Halle an der Saale bei Nacht.
Die Entscheidung über den Standort des „Zukunftszentrums Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ ist gefallen: Es soll in Halle an der Saale entstehen. © picture alliance / dpa / imagebroker / Schoening
Ein Kommentar von Niklas Ottersbach |
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Das Zukunftszentrum ist in Halle an der Saale gut aufgehoben. Ein zweites Zentrum in Westdeutschland wäre allerdings auch eine gute Idee. Vielleicht sogar in Bonn?
Halle überrascht alle: Die Standortfrage für das Zukunftszentrum Deutsche Einheit und Europäische Transformation ist geklärt.
Klar, dass es auch Verlierer gibt. Vor allem Frankfurt an der Oder ist enttäuscht. Verständlich, denn die Grenzstadt zu Polen hatte auch gute Argumente. Aber was nützt ein schönes Zukunftszentrum, das am Ende nur für das Berliner Großstadtpublikum erreichbar ist?
Halle punktet mit der guten ICE-Anbindung an viele deutsche Großstädte. Aber eben nicht nur. Im damaligen DDR-Bezirk Halle, bekannt für die dreckigen Chemiekombinate, fanden die großen Umweltverheerungen statt. Stichwort: Bitterfeld, wo der Dreck vom Himmel fällt. Und die Umweltbewegung, die sich dagegen formiert hat, ist ein wichtiger Bestandteil der friedlichen Revolution.

Begegnungsort zwischen Ost und West

Wichtiger als die Standortfrage ist aber sowieso: Was soll in einem Zukunftszentrum stattfinden? Wie kann ein Begegnungsort zwischen Ost und West aussehen? Denn es fehlt eine gemeinsame Erzählung, für das gemeinsame Deutschland nach 1990.
Dabei gibt es ja viele persönliche Beziehungen. Ich persönlich bin in Westdeutschland geboren, die Hälfte meiner Familie kommt aus Ostdeutschland.
Meine Kinder sind in Halle geboren. Sie wachsen mit der Animationsserie Paw Patrol und dem Traumzauberbaum auf. Sie kennen diese Kindergeschichte von Reinhard Lakomy nicht? Einen der wichtigsten ostdeutschen Komponisten? Dann leben Sie wahrscheinlich in Westdeutschland.
Es braucht ein gemeinsames Haus, um das Nichtwissen abzuarbeiten und um sich kennenzulernen. Wahrscheinlich bräuchte es sogar noch ein zweites Zukunftszentrum zum Beispiel in Bonn. Damit die Menschen in Westdeutschland begreifen, dass deutsche Einheit auch was mit ihnen zu tun hat.
Nicht falsch verstehen: Mit dem geplanten Zentrum in Halle darf zukünftig keine nationale Nabelschau stattfinden. Der Blick muss sich sowieso weiten: nach Osteuropa. Und auch Zumutungen für die ostdeutsche Gesellschaft zutage fördern.
Warum gibt es hier einen nicht gerade kleinen Anteil an Menschen, die aus ihrer DDR-Biografie viel Verständnis ableiten für russischen Imperialismus? Ja, geradezu gleichgültig den russischen Menschheitsverbrechen in der Ukraine gegenüberstehen?

Zwei Wünsche zum Schluss

Waren es nicht dieselben Ostdeutschen, die Anfang der Neunzigerjahre froh waren, dass die Russen mit ihren Militärstützpunkten Ostdeutschland verlassen haben? Diese Widersprüche aufzuarbeiten, wissenschaftlich zu unterfüttern und mit dem Blick osteuropäischer Forscher zu erweitern: Das muss dieses Zentrum in Halle leisten.
Zum Schluss noch zwei Wünsche: Ich hoffe, dass es, wenn meine Kinder groß sind, so in 15 bis 20 Jahren, dann keine Kommission mehr braucht: 50 Jahre deutsche Einheit. Und zweitens, dass meine Kinder dann sagen können: Ich komme aus Halle. Kennste bestimmt. Das ist dieser europäische Treffpunkt, die Stadt mit dem Zukunftszentrum.
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