Michael Hirsch: "Überwindung der Arbeitsgesellschaft"
Springer VS-Verlag 2016, 39,99 Euro
Arbeit ist nicht das ganze Leben
07:24 Minuten
Die bezahlte Arbeit wird überschätzt, sagt der politische Philosoph Michael Hirsch. Die Gesellschaft sollte umlernen und Arbeitszeiten weiter verringern. Unbezahlte Tätigkeiten in Haushalt und Familie verdienten mehr Anerkennung.
Der politische Philosoph Michael Hirsch kritisiert die zentrale Rolle, die Erwerbsarbeit im Leben vieler Menschen einnimmt. Er halte das für einen "historischen Anachronismus", sagte Hirsch im Deutschlandfunk Kultur mit Blick auf den Tag der Arbeit am 1. Mai. Da das Angebot von bezahlter Arbeit in Zukunft durch technische Entwicklungen weiter zurückgehe, sollten die Gesellschaft umlernen.
"Man muss sich klar machen, dass der größte Teil der geleisteten Arbeit in allen Gesellschaften der Welt immer noch der unbezahlte ist", sagte der Philosoph. Es sei deshalb eine "Blickverengung", zu behaupten, die bezahlte Arbeit sei das allerwichtigste. Dabei überwiege rein statistisch die unbezahlte Tätigkeit, vor allem in Haushalt und Familie. "Die gesellschaftliche Frage ist, ob wir diese Tätigkeiten nicht etwas besser sichtbar machen und anerkennen sollten."
Trend zu "1,5-Erwerbspersonen-Haushalten"
Dabei gehe es weniger darum, diese Arbeit zu bezahlen. Mehr Anerkennung sollte sich vor allem darin ausdrücken, dass die tariflich verbindlichen Arbeitszeiten gesenkt würden, sagte Hirsch. Das sei in der Geschichte der Arbeiterbewegung der zentrale Fortschritt gewesen.
Heute gebe es einen Trend zu "1,5-Erwerbspersonen-Haushalten" mit einer Tendenz zur Mehrarbeit. Das führe zu Überlastung und dazu, dass viel zu viele Menschen arbeiteten. Es bleibe deshalb zu wenig Zeit für andere Dinge, die im Leben auch wichtig und schön seien.
(gem)