Hommage an einen Meisterregisseur
36:25 Minuten
Federico Fellini zählt unbestritten zu den wichtigsten Filmemachern des 20. Jahrhunderts. Seine Filme feiern die Fantasie, den Traum und die Sinnlichkeit. Am 20. Januar wäre der italienische Regisseur 100 Jahre alt geworden.
Platz 5: "La Strada – Das Lied der Straße" (1954)
Noch Gesicht einer Schauspielerin? Oder schon andere Realität? Schwarzweiß-Ästhetik, Fellini noch in der Tradition des Neorealismus – Visconti, Rossellini, De Sica, Armut, soziales Elend -, dann dieses erstes Bild von Giuletta Masina. "Die" Masina – bis zu Fellinis Tod war sie 50 Jahre mit ihm verheiratet - als Gelsomina, die an den Schausteller Zampanò verkauft wird.
Gelsominas Gesicht: Kind? Frau? Unschuldig. Naiv, ja. Aber gleichzeitig das Leid der Armut ausdrückend und tragend, das ihr ganzes bisheriges Leben durchzog und weiter durchziehen wird. Anthony Quinn kann Zampanò so brillant spielen, wie er will, gegen die Wucht dieses Gesichts von "der" Masina kommt er nicht an.
Platz 4: "La dolce vita – Das süße Leben" (1960)
Die Szene im Trevi-Brunnen: Anita Eckberg, schwarzes Abendkleid, das tiefe Dekolleté – ewige Brunnen-Nixe. Aber Fellini wäre nicht Fellini, wenn in dies Bild nicht etwas hinzutreten würde, wenn in dieser Szene irritierend nicht auch die Unsicherheit spürbar wäre von Marcello Mastroianni, dem Journalisten, der diese Frau verführen will, aber von ihrer erotischen Wucht verunsichert wie erschlagen ist.
Wie er sich, um Sylvia in den Brunnen nachzusteigen, die Schuhe, wahrscheinlich auch die Socken auszieht – da schaudert es einen angesichts dieser antisinnlichen Unbeholfenheit.
Platz 3: "Fellinis Casanova" (1976)
"Venedig! Werde ich Venedig je wiedersehen?", ruft der greise Casanova. Da, wo Casanovas Reise in dieser überbordenden Masken- und Schattenwelt begann. Dann, als Bibliothekar in Böhmen, erscheinen dem Ex-Libertin – gespielt von Donald Sutherland - die Frauen in seinem Leben, um gleich wieder auf einer weiten Eisfläche zu entschwinden. Ein Mann, der sich der Liebe, der Lust, der Sinnlichkeit, dem Sex verschrieben hat, aber in der Unmöglichkeit der Erfüllung seines Begehrens zum tragischen, auch lächerlichen Helden wird.
Eine tiefe Traurigkeit verbindet sich mit diesem Bild des alten Frauenhelden da in seinem Lehnstuhl: tiefe Falten, ausgefallene Haaren. Einer, der sich der Illusion hingab, ein Frauenheld zu sein. Radikale Dekonstruktion männlicher Selbstvergötterung.
Platz 2: "Achteinhalb" (1963)
Der Regisseur – Marcello Mastroianni, wieder Alter Ego Fellinis – in der Schaffenskrise. Fellini ist ganz bei seinem Credo, Geschichten von sich zu erzählen. Als Traum? Als Realität? Ach! Am Anfang erhebt er sich von der Realität, schwebt, flieht nach oben und muss mit einem Strick, das am Bein festgebunden ist, heruntergezogen werden. Dann beginnt seine Geschichte, die durch Träume und Realität führt, ohne dass die Übergänge genaus auszumachen wären.
"Achteinhalb" endet mit diesem unendlichen Reigen, in dem alle – zur Musik einer Zirkuskapelle –, alle, die in dem Leben dieses Menschen eine Rolle gespielt haben, tanzen und tanzen. Und Guido alias Marcella alias Federico sagt zu Luisa: "Es ist eine Freude zu leben. Lass uns unser Leben gemeinsam leben. Ich kann dir nicht anderes sagen, weder dir noch den anderen." Nicht nur ein Satz über die Lebensfreude, auch ein Bild, das Freude zeigt.
Platz 1: "Fellinis Schiff der Träume" (1980)
Und dann natürlich die Meere aus gigantischen Plastikplanen, die – wenn wir nur einen Blick drauf werfen – die Realität schon transzendiert haben. Im Schiff in "Fellinis Schiff der Träume" wurde sehr viel transportiert. Auch die Attraktion: ein riesiges Rhinozeros.
Und am Ende, nach einigen Katastrophen, nach dem Sinken des Schiffs (nach dem Verschwinden der Träume? Fragezeichen!), sieht man den Erzähler, der durch den Film geführt hat, mit dem Rhinozeros zusammen im engen Rettungsboot. Der Mann hält einen Becher in die Luft in dem Boot mit dem Rhinozeros vor ihm auf dem Meer aus Plastikplanen und sagt: "Rhinozeros-Milch ist wirklich nicht zu verachten." Von wegen die Fellini-Träume sind verschwunden!
Außerdem in unserem Fellini-Spezial: Patrick Wellinski im Gespräch mit der Filmkritikerin Anke Leweke über das Werk Fellinis. Zudem wirft Jörg Seisselberg einen Blick nach Italien, wie dort der Jahrestag begangen wird.