Zum 100. Geburtstag von Ravi Shankar

Der Sitar-Virtuose

06:32 Minuten
Der indische Musiker Ravi Shankar bei einem Konzert im Barbican Centre in London
Gilt als Jahrhundertmusiker: Ravi Shankar hier bei einem Konzert im Jahr 2008. © dpa / picture alliance / Photoshot
Von Olga Hochweis |
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Ragas, Filmmusik, Jazz, Klassik, Pop: Ravi Shankar hat wie kein anderer indische Musik in die Welt getragen - quer durch alle Genres. In den 60er-Jahren löste der Musiker geradezu eine Sitar-Explosion aus. Am 7. April 1920 wurde er geboren.
Die Entfaltung der Schönheit. So nannte Ravi Shankar die Einleitung der Ragas-Grundformen klassischer indischer Musik. Bestimmte Melodieverläufe, Tonskalen und Stimmungen sind ihnen zugeordnet, ja sogar Jahreszeiten wie in diesem Frühlings-Raga. Dazu kommt Rhythmus und Improvisation.
Ein Musizieren, das wenig mit harmonischen Strukturen zu tun hat, viel aber mit innerer Leidenschaft und äußerer Disziplin.
Undenkbar ohne die Sitar, wie Ravi Shankar im Interview 1999 bekannte: "Sie ist das Wichtigste in meinem Leben. Eigentlich ist sie mein ganzes Leben. In diesen seltenen Momenten, wenn ich durch meine Ragas und meine Improvisation in die höchsten geistigen Höhen gelange, das ist die Ekstase."

Mit der Sonne im Namen

Nomen est omen. Ravi Shankars ekstatische Strahlkraft leuchtete schon aus seinem Namen. Die Sanskritversion Ravindra, verkürzt zu Ravi, bedeutet Sonne. Die Familie betrieb in den 1930er-Jahren ein Tanzensemble, reiste durch Europa und die USA.
Der junge Ravi begeisterte sich für europäische Klassik und amerikanischen Jazz. Als 15-Jähriger dann die Rückkehr: Er hatte seinen Guru und Lehrer gefunden, den Hofmusiker Alaaudin Khan. Sieben Jahre umfasste die musikalische und moralische Ausbildung während des Zweiten Weltkriegs in Indien.
"Also, wenn ich ehrlich sein soll: Ich bin nicht mein ganzes Leben lang spirituell gewesen", gab er zu. "Mein Leben war sehr vielgestaltig und bewegt. Aber natürlich ist das Spirituelle so mit meinem Leben verbunden, dass ich nicht anders kann, als große Hingabe zu empfinden. Nicht religiös. Spiritualität ist das richtige Wort – sie bedeutet mir sehr viel. Denn sie ist so mit unserer Musik verbunden."

Sitar-Unterricht für George Harrison

Heerscharen von Bands, die Yardbirds, Donovan, Traffic, selbst die Rolling Stones wollten den flirrenden Sitar-Klang in ihren Songs - allen voran die Pioniere David Crosby von den Byrds und die Beatles, deren Song "Norwegian Wood" 1965 das erste veröffentlichte Pop-Stück mit Sitar-Begleitung war – gespielt von George Harrison, der bei Shankar Sitar-Unterricht nahm.
Dasselbe Jahrzehnt, in dem sein erstes Album "Three Ragas" erschien und sein erster Soundtrack zum indischen Film "Pather Panchali", dem viele weitere folgten. Darunter die Musik zum Filmklassiker "Gandhi", für den Shankar 1982 einen Oscar erhielt, längst als Botschafter der indischen Musik.
"Ich habe nie wirklich westliche Musik gespielt", sagte er. "Doch als Komponist - das ist eine völlig andere Identität - habe ich mit vielen Sachen experimentiert – mit westlichen Musikern und westlichen Instrumenten. Aber im Grunde versuche ich hauptsächlich die indische Musik zu bewahren, sei sie klassisch oder zeitgenössisch oder Folklore- auch in meinen Kompositionen."

Globale Wirkung bis heute

Ragas, Filmmusik, Jazz, Klassik, Pop. Ravi Shankar hat eine von ihm inspirierte weitverzweigte musikalische Landkarte hinterlassen: eine Kathedrale der Musik mit unterschiedlichsten Räumen.
Bis heute wirkt Shankars Musik in die globale Musikwelt hinein. Ob im Bhangra-Sound mit Pop und Punjab-Traditionen, ob bei Elektronik wie Karsh Kale oder Shankar Tucker. Oder bei Anoushka Shankar, die dem Vater und langjährigen Lehrer nach seinem Tod gemeinsam mit der Halbschwester Norah Jones ein Lied widmete. "The Sun Won‘t Set": Die Sonne - Ravi – wird nicht untergehen.
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