Programmtipp: Freitag, 22.4.2016, 20.03 Uhr - Wir übertragen das festliche Konzert aus dem Berliner Konzerthaus.
"Wir mussten ihm nicht die Hausschuhe bringen"
Zamira Menuhin-Benthall erinnert sich gern an ihren Vater. Der Stargeiger habe von seinen Reisen "fantastische Mitbringsel" mitgebracht. Das Berliner Konzerthaus widmet Yehudi Menuhin zum 100. Geburtstag eine Hommage.
Bach, Beethoven, Brahms, die drei großen Bs der klassischen Musik, waren auch für den Jahrhundertgeiger Yehudi Menuhin die Fixsterne der Karriere. Als Musiker bis heute weltweit verehrt, ein Mythos schon zu Lebzeiten. Vor allem aber war er ein Mensch wie alle anderen, sagt seine 1939 geborene Tochter Zamira Menuhin-Benthall. Sie erinnert sich noch ganz genau wie es war, als sie ihren Vater zum ersten Mal in einem Konzert erlebte. Es war die Uraufführung von Bela Bartóks Solosonate, die der Ungar für eigens Yehudi Menuhin komponiert hatte:
"Ich war fünf Jahre alt und beugte mich über die Logenbrüstung in der New Yorker Carnegie Hall. Da stand er ganz allein auf der Bühne. Das faszinierte mich schon, und außerdem war die Musik großartig. Ich sah ihm zu, wie er spielte. Der Applaus danach war total verblüffend. Da erlebte ich zum ersten Mal den Mythos und den Musiker."
Wunderbare Geschenke des reisenden Vaters
Berühmte Männer sind nicht immer auch gute und liebevolle Väter. Zamira Menuhin-Benthall betont aber, ihr Vater habe sich immer um seine Kinder gekümmert, wenn er denn zu Hause war:
"Er war nicht der Vater, der die Kinder von der Schule abholt oder dem die Kinder seine Hausschuhe bringen mussten. Er war ein reisender Musiker. Und dann kam er zurück mit großartigen Geschichten, wunderbaren Fotografien und fantastischen Mitbringseln aus Südamerika oder Japan. Das war eigentlich sehr romantisch. Aber natürlich haben wir ihn auch sehr vermisst."
Bis heute verehren viele Geiger Yehudi Menuhin für seine stilistische Vielfalt und seinen musikalischen Einfallsreichtum. Auch zu Hause spielte Musik eine große Rolle. Sei es, dass der Vater gemeinsam mit Freunden musizierte, sei es, dass die Kinder Plattenaufnahmen des abwesenden Vaters anhörten. Nur eines seiner vier Kinder wurde Musiker.
Zamira Menuhin-Benthall übernahm die Schirmherrschaft über die Live Music Now Stiftung ihres Vaters. Hier werden die Nachwuchskünstler ausdrücklich ermuntert, ihren eigenen Weg zu gehen und nicht bloß die Vorbilder zu kopieren:
"Das ist sehr wichtig. Man kann es nicht unterrichten. Ein junger Geiger muss seine ganze Persönlichkeit aus sich heraus entwickeln. Er muss auch lesen, muss andere Musik hören. Dazu gehört einfach alles, was ihm im Leben widerfährt. Man hofft dann, dass er an diesen Erfahrungen wächst. So war mein Vater und so hat er es uns und den anderen Musikern durch sein eigenes Vorbild beigebracht."
Unerschrockener Kämpfer für Menschenrechte
Yehudi Menuhin war ein unerschrockener Kämpfer für die Menschenrechte. Als einer der ersten Musiker trat er direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Deutschland auf, setzte sich unermüdlich für die Aussöhnung ein. Die Anfeindungen waren immens:
"Das hat er vielleicht nicht ganz richtig eingeschätzt, denn die Überlebenden der Konzentrationslager hatten Schreckliches durchgemacht, haben fürchterlich gelitten, ihre Familien verloren. Das hatte mein Vater nicht. Vielleicht hatten deshalb auch viele Juden etwas gegen sein Verhalten. Mag sein. Aber ich glaube, dass mein Vater damals für ihn selbst richtig gehandelt hat."
Ab heute steht das Berliner Konzerthaus für zehn Tage ganz im Zeichen einer Hommage an den Musiker, den Mythos, den Menschen Yehudi Menuhin. Symphoniekonzerte, Kammermusik, Filme und eine Ausstellung werden ein umfassendes Porträt des Künstlers schaffen. Und seine Tochter Zamira Menuhin-Benthall feiert begeistert mit, wenn ihr Vater zum 100. Geburtstag gewürdigt wird:
"Es ist das großzügigste Geschenk, dass man sich nur vorstellen kann. Ich freue mich sehr darüber, genau wie die gesamte Familie. Ich bin auch sehr, sehr gerührt. Das ist fantastisch."