Peter Hoeres, geboren 1971, ist Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte der Universität Würzburg und Autor des Sachbuchs "Zeitung für Deutschland - Die Geschichte der FAZ" (Benevento Verlag).
Wie müsste die konservative Zeitung der Zukunft aussehen?
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Lange Zeit war die FAZ das konservative Leitmedium. Dass dies auch heute noch gilt, bezweifelt der Historiker Peter Hoeres. Für ihn muss die konservative Zeitung der Zukunft vor allem gegen den Zeitgeist opponieren.
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) wird 70. Ein reifes Alter, und die Jubilarin kann auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken. Für Jahrzehnte wurde die FAZ als das konservative Leitmedium angesehen. Ob sie immer noch als solches gelten kann, ist allerdings fraglich. Im Politikteil ist man wieder auf Merkel-Kurs eingeschwenkt, das Wirtschaftsbuch hat etwas seiner ordoliberalen Schärfe verloren und das Feuilleton ist mehrheitlich linksliberal.
Nicht nur das Wahlverhalten der Deutschen, auch zahlreiche Publikationen der jüngsten Zeit, die nach dem Konservativen fragen oder dieses beschwören, zeigen aber einen Bedarf nach einer genuin konservativen Orientierung. Wie müsste also eine konservative Zeitung der Zukunft aussehen?
Ein Plädoyer für Traditionsschonung
Eine konservative Zeitung müsste eine schöne Zeitung sein. Sie müsste anspruchsvoll typografisch gestaltet sein, sie müsste sich einer gehobenen Sprache befleißigen und sie müsste für die Schönheit in der Mode, in der Architektur, in der Sprache, in den Umgangsformen und in öffentlichen wie religiösen Ritualen eintreten. Sie müsste ein Plädoyer für Traditionsschonung und gegen die Vernutzung und Funktionalisierung von Traditionsbeständen darstellen.
Eine konservative Zeitung müsste ein spezielles Verhältnis zur Geschichte pflegen. Dieses müsste gegen die allseitige Kriminalisierung der europäischen Geschichte opponieren, gegen die Wendung gegen die kaum mehr ironisch markierten "alten weißen Männer". Sie müsste zeigen, dass wir diesen von Bach bis Wagner, von Dürer bis Richter, von Eichendorff bis Walser, von Benz bis Zuse, von Albertus Magnus bis zur Reformation, vom Deutschen Idealismus bis zu Heidegger, vom Minnegesang bis zur Klassik und Romantik und von den Kathedersozialisten bis zum Ordoliberalismus doch ein gewaltiges kulturelles Erbe verdanken. Dieses müsste sie durch Aufsätze, Porträts und Fotografien lebendig werden lassen, ohne ihren Schattenseiten ängstlich auszuweichen.
Politischen Konjunkturen mit Skepsis begegnen
Eine konservative Zeitung dürfte nicht altbacken sein und sie dürfte sich nicht ihrer Haltung schämen. Sie müsste von einem offensiven Geist getragen werden, einen Gegner kennen, der gestellt, kritisiert und ironisiert werden müsste. Sie müsste politischen Konjunkturen wie der Klimapolitik mit Skepsis, aber nicht Ignoranz begegnen. Sie müsste eigene Themen setzen und Debatten anzetteln. Sie müsste eine Stimme freier, unerschrockener Geister sein. Sie müsste die Wahrheit sagen, ob es anderen oder ihr selbst ins Konzept passt.
Eine konservative Zeitung müsste eine Zeitung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit sein. Diese im Grundgesetz manifestierten Bürgerrechte waren im 19. Jahrhundert genuin liberale Forderungen. Mittlerweile sind diese vornehmsten Rechte des Bürgers zu einem konservativen Postulat geworden. Angesichts der aus den USA zu uns schwappenden Welle der linken Identitätspolitik und Political Correctness, in deren Geist vornehmlich Konservative und Liberale wie unlängst in Hamburg Bernd Lucke oder in Göttingen Thomas de Maizière am Vortragen gehindert wurden, ist dies nicht nur aus Selbstschutz, sondern auch ganz grundsätzlich ein Kernanliegen von Konservativen geworden.
Freiheit des Wortes verteidigen
Eine Zeitung in diesem Geiste muss konsequent und ohne Ansehen der jeweils geäußerten Meinung die Freiheit des Wortes verteidigen. Das gilt auch für eine vom Parteienprivileg des Grundgesetzes geschützte Partei wie die AfD genauso wie es für die Linke gilt. Das Recht auf Widerspruch bleibt unbenommen und gehört ebenfalls zum Kern der Meinungsfreiheit. Nicht aber die gesellschaftliche und moralische Vernichtung unliebsamer Politiker.
Eine konservative Zeitung von morgen wäre angesichts eines dominanten linken und linksliberalen Politik- und Medienbetriebes nicht mehr status-quo-orientiert und vordergründig staatstragend. Vielmehr wäre sie eine Oppositionszeitung gegen den Zeitgeist und seine Sprachdiktate. Sie wäre damit eine anarchische und unkonventionelle Zeitung, die alternative Sichtweisen, vergessene Einsichten und originelle Begriffe vorbringt. Eine aufregende Zeitung.