Eine leicht gekürzte Fassung dieses Interviews haben wir am 9. September in der Sendung "Im Gespräch" ausgestrahlt.
"Ich habe ein sehr erlesenes Publikum"
54:19 Minuten
Paul Nizon ist ein Pariser Schriftsteller deutscher Sprache mit Schweizer Pass. Seine Bücher feiern das Leben, beschreiben aber auch die Einsamkeit. Am 19. Dezember wird Paul Nizon 90 Jahre alt – wir haben ihn besucht.
Es ist der Vormittag des 2. September 2019, Benjamin Dummer von der Tontechnik und ich, Susanne Führer, stehen in einem Pariser Hinterhof, vor dem Eingang zur Wohnung des Schriftstellers Paul Nizon. Wir sind zum Interview verabredet. Aber die Concierge sagt: "Monsieur Nizon ist ausgegangen." – Sollte die ganze Reise umsonst gewesen sein?
Irgendwann stellt sich heraus, dass Paul Nizon in das Studio unseres Paris-Korrespondeten gefahren ist. Wir telefonieren. Nizon blafft mich an; er ist sauer, weil ich nicht im Studio bin. Erst als ich dagegen halte und erkläre, dass wir im Hof sind – man braucht einen Zahlencode, um hereinzukommen – und vor dem richtigen Hauseingang zu seiner Wohnung stehen – es gibt mehrere Hauseingänge – ist er bereit, in Erwägung zu ziehen, dass ich all diese Angaben nur von ihm haben kann und dass wir uns tatsächlich in seiner Wohnung verabredet hatten.
Ärgern, schimpfen, versöhnen
Schließlich kommt er mit dem Taxi, wir gehen gemeinsam in seine kleine Zwei-Zimmer-Erdgeschoss-Wohnung. Kunst an den Wänden, der Schreib- und Esstisch voller Papier und Bücher. Paul Nizon bietet uns Wein an, vom Vorabend sei noch ein Rosé offen. Inzwischen ist er sehr freundlich und auch dankbar für unseren Besuch.
Eine Abfolge, die sich im Interview wiederholen sollte: Verärgerung wegen gefühlter Missachtung – schimpfen – dagegen halten – Versöhnung.
In der kommenden Woche wird Paul Nizon 90 Jahre alt. Im Gespräch mit ihm entsteht ein Bild von einer Welt, die uns zwar noch bekannt, aber zugleich schon fremd geworden ist. Viele empfinden das als Gewinn. Für Paul Nizon ist es hörbar ein Verlust.
(sf)