Schauspiel Stuttgart spielt "Ehen in Philippsburg"
Vor 60 Jahren erschien "Ehen in Philippsburg", der Debütroman Martin Walsers, der am 24. März seinen 90. Geburtstag feiert. Zum doppelten Walser-Jubiläum bringt das Schauspiel Stuttgart jetzt die erste Bühnenfassung des Romans heraus.
Vor kurzem hat der Schriftsteller Martin Walser - am 24. März wird er 90 - im Schauspiel Stuttgart aus seinem vor 60 Jahren erschienenen Debutroman gelesen "Ehen in Philippsburg". Walser erzählte am Rande, das er den Namen Philippsburg erfunden habe - die Geschichte spiele eigentlich in Stuttgart, wo er Anfang der 1950er Jahre als Radiojournalist gearbeitet hat. Zum doppelten Walser-Jubiläum bringt das Schauspiel Stuttgart jetzt die erste Bühnenfassung dieses Romans heraus – inszeniert von Stefan Kimmig.
Mit einer kleinen Szene macht Regisseur Stephan Kimmig deutlich, worum es in dieser Gesellschaft geht: um Aufstieg um jeden Preis. Dr. Alexander Alwin hat ihn geschafft, er tänzelt ein wenig über die Bühne, und der junge Journalist Hans Beumann macht es ihm nach, deutlich darum bemüht, die richtigen Schritte zu machen. Und er wir es ja auch in die oberen Ränge der Stadt Philippsburg alias Stuttgart schaffen, die Fabrikantentocher Anna heiraten und nebenher eine Geliebte haben wie alle Honoratioren der Stadt.
Ein böses Porträt der Nachkriegsgesellschaft
Walser hat ein böses Porträt der Nachkriegsgesellschaft gezeichnet und Kimmig bringt es auf die Bühne: Eine Welt anno 1957, durch eine Wochenschau zu Beginn angedeutet wie auch durch Mobiliar und Kleidung, aber nur behutsam, denn mit ein paar Umformulierungen könnte dieser Roman/dieses Stück auch 2017 spielen. Es geht um eine Gesellschaft, in der Moral nichts zählt, nur der Schein, der Willen dabeizusein, die Mühe, mit den Oberen mitzuhalten. Das spielen die Schauspieler in dieser Inszenierung famos aus, schon lange wurde unter der Intendanz Petras in Stuttgart nicht mehr so subtil differenziert gesprochen und agiert.
Doch einen Roman auf die Bühne zu bringen ist heikel, zumal einen wie diesen, in dem die einzelnen Kapitel stets aus der Perspektive einer Figur beschrieben werden, allerdings in der 3. Person. Kimmig, der den Roman mit Jan Hein für die Bühne bearbeitet hat, macht daraus die 1. Person. Ein Satz: "Er hupte dreimal, damit Ilse wusste, das er da war" heißt dann: "Ich hupe dreimal, damit Ilse ...". So erleben wir minutenlange Monologe, die ironische Distanz der Romanfassung geht verloren und zudem werden Passagen wie Partyzauber unnötig lange ausgespielt, wichtige andere Passagen dafür unterbelichtet. So wird beliebig, was bei Walser grandios präzis ist.