Zum Kotzen schön

Von Uschi Götz |
Als Schöpfer "entarteter Kunst" trieben die Nationalsozialisten den Maler Otto Dix als einen der ersten Kunstprofessoren aus seiner Stellung. Von Dresden kam er 1933 mit seiner Familie an den Bodensee. Eigentlich wollte er bald wieder weg - "zum Kotzen schön" fand er die Idylle am See. Doch Otto Dix blieb bis zu seinem Tode 1969. 40 Jahre nach seinem Tod übernimmt das Kunstmuseum Stuttgart nun das Anwesen als Außenstelle.
Viele bekannte Künstler, zog es während der Zeit des Nationalsozialismus auf die Bodensee Halbinsel Höri. Sie wollten sich eine mögliche Flucht in die angrenzende Schweiz sichern. Otto Dix bezog mit seiner Frau Martha 1936 ein Haus auf der Höri hoch über dem Untersee mit Blick auf die Schweizer Bodenseeseite.

Ein geräumiges zweigeschossiges Haus, umgeben von einem großen Garten. Ein Gang durchs Haus ist bis heute erlebbare Erinnerung. Michael Kicherer, Vorsitzender des Fördervereins Otto Dix Haus:

"Der Salon, wo man Gäste empfangen hat, ein großes Speisezimmer und das Musikzimmer von der Frau Dix. Musik oder Klavier, sie war ausgebildete Pianistin Und deshalb ihr eigenes Musikzimmer gehabt. Und in dem Musikzimmer hing auch bis 1971, bis es dann nach Stuttgart kam, hing das Großstadt Triptychon. Also es war hier, in Hemmenhofen zuhause und ging dann, damals gab es ja einen großen Aufschrei, wie man für so viel Geld ein Bild kaufen kann, ging es dann nach Stuttgart."

Im Atelier von Otto Dix finden sich bis heute persönliche Gegenstände, auch originale Einrichtungsgegenstände, wie ein Ofen, die von der Arbeitsweise des Künstlers geprägt sind:

"Also es war eher ein Ofen wie ein Kochofen, auf dem er seine Öle und seine Lasuren auf die entsprechende Temperatur gebracht hat, also der steht auch am Originalstandort. Hier sind auch ein paar Dinge eben von ursprünglichen Beständen: sein Stuhl an dem er gearbeitet hat, sein Stuhl auf den er sich hingesetzt hat wenn er las oder da auch noch so einer kleiner Klappstuhl und sein Malkittel, den er hat immer wie ein Arzt oder wie ein Chirurg hat er seine guten Kleider und drüber dann sein Malkittel, der dann beschmutzt werden durfte."

Bautechnisch befindet sich das Haus der Familie Dix in einem schlechten Zustand. Von den Fenstern blättert die Farbe ab, die Wohnräume sollten dringend restauriert werden. Dennoch ist das Haus dank der Hilfe des Fördervereins und der Familie Dix seit Jahrzehnten öffentlich zugänglich. Doch mit dem fortschreitenden Verfall des Hauses fehlte es den ehrenamtlichen Förderern zunehmend an Geld für den weiteren Erhalt des Hauses. An eine Restaurierung war erst recht nicht zu denken.

Nun kommt das Kunstmuseum Stuttgart zur Hilfe; die Stuttgarter übernehmen das Anwesen auf der Höri als Außenstelle. Der Künstler hatte vor seinem Tod bestimmt, dass Stuttgart zum Ort sein Nachlasses werden sollte. Im Kunstmuseum findest sich nach Angaben der Stadt die weltweit bedeutendste Dix-Sammlung. Neben den Stuttgartern beteiligen sich weitere Sponsoren und Förderer am Erhalt des Hauses. Insgesamt stehen nun rund 1,5 Millionen Euro zur Restaurierung des Hauses und des großen Grundstückes zur Verfügung. Michael Kicherer, Vorsitzender des Fördervereins:

"Das heißt, nach einer Sanierung des Hauses, das Haus wird sich also viel schöner noch präsentieren als man es jetzt erahnen kann, nach einer Sanierung des Hauses, die orientiert ist am Zustand der 40er-Jahre; sie haben das Haus ja 1936 gebaut, ein Haus verändert sich natürlich auch permanent, aber Orientierung heißt 40er-Jahre, und an diesen 40er-Jahren orientiert, werden Bilder, Originale und ich denke eine Dokumentation zu Dix in seiner Zeit hier am Bodensee vorgestellt. Und das ist geplant, dass das im Laufe des nächsten Jahres realisiert wird."

Eigentlich hatte das Ehepaar Dix nur ein Landhaus am Bodensee haben wollen. Denn geplant war die Rückkehr nach Dresden oder auch nach Berlin. Eine Erbschaft von Martha Dix machte die Finanzierung des Hauses möglich. Und doch musste Architekt Arno Schelcher mit Einschränkungen planen:

"Wenn sie sich hier vorstellen, in der Eingangshalle, hat er ganz großzügig bis oben eine Treppe geplant und die Frau Dix hat das gesehen und hat gesagt: Aber Herr Professor, diese Treppe, wie soll ich das jemals bewirtschaften? Das geht doch überhaupt nicht. Und als Antwort kam dann nur: Liebe Frau Dix, Sie werden immer Personal haben."

Martha Dix setzte eine kleinere Treppe durch, doch der Herr Professor sollte nicht Recht behalten. Personal gab es bis auf ein Kindermädchen nicht. Dafür immer wieder Besuch. Vor allem von der Verwandtschaft:

"Daher kam auch der Ausspruch von der Frau Dix, die da mal gesagt hat, sie findet es grässlich auf der Höri, im Winter der Nebel und im Sommer die Mischpoke, also die ganze Verwandtschaft, die dann kam, und das mochte sie nicht so gern. Also es war zwar sicher ein offenes Haus, aber dass jetzt permanent auch Künstlerfreunde hier gewesen wären, das war es sicher nicht."

Auch zu Hermann Hesse, der im benachbarten Gaienhofen wohnte, hatte Otto Dix nur wenig Kontakt. Aus einfachen Verhältnissen stammend, suchte der isoliert lebende Künstler wenn überhaupt Kontakt mit zupackenden Menschen:

"Er war befreundet mit verschiedenen Personen hier. Also er hat zum Beispiel zum Fischer Kontakt gehabt, er hat ihn auch verschiedene Male gezeichnet, auch zu verschiedenen Bauern. Also es war schon immer der Herr Professor, der dann auch ins Dorf runter ging und sich mit den Leuten unterhalten hat, und jeder wusste auch, dass er seine täglichen Spaziergänge macht. Jeder wusste auch, dass er manchmal auch etwas mürrisch war und nicht ohne Weiteres jederzeit ansprechbar war."

Die Kinder Nelly, Ursus und Jan sorgten für Leben im Haus, auch ein Hund gehörte zur Familie. Ein Grossteil seines künstlerischen Werkes entstand hoch über dem Bodensee:

"Also das im Obergeschoss, das waren die Schlafräume, also die Privaträume der Familie Dix und dann sein Atelier. Das Atelier ist der größte Raum Im Haus, auch über eineinhalb Geschosse, besonders groß, und die schönsten zwei Zimmer, die zum See vorgehen, das war Ankleidezimmer und Schlafzimmer von der Frau Dix."

Nicht nur Martha Dix hatte einen unverstellten herrlichen Blick auf den Bodensee, auch Otto Dix konnte von seinem Atelier aus bei klarer Sicht bis nach Konstanz sehen. Zeitlebens haderte Dix mit der ländlichen Idylle, die er unfreiwillig mit dem Großstadtleben eintauschen musste. Eine aktuelle Ausstellung im Otto-Dix-Haus zeugt von seiner Zerrissenheit. "Zum Kotzen schön" so der Titel:

"Es ist ein Zitat von Dix, der an einen Freund nach Dresden schrieb: Diese Landschaft hier ist zum Kotzen schön. Er hat da einfach gemeint, dass man als Künstler, wenn man mit zu viel Schönem konfrontiert wird, dass man dann einen Weg finden muss, wie man damit umgehen kann und was man daraus machen kann."