Zum Tod der Comic-Zeichnerin Claire Bretécher

Pionierin des Alltäglichen

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Die französische Cartoonistin Claire Bretecher in ihrem Atelier am 1.1.1979
Resolute weibliche Perspektive: die französische Cartoonistin Claire Bretécher 1979 in ihrem Atelier. © Getty Images / Sygma / Li Erben
Christian Gasser im Gespräch mit Sigrid Brinkmann |
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Die Französin Claire Bretécher widmete sich in ihren Comics als eine der ersten überhaupt der schnöden Normalität. Nun ist Bretécher mit 79 Jahren gestorben. Ihr Einfluss auf andere Comic-Zeichner ist kaum zu überschätzen.
Die französische Comic-Zeichnerin Claire Bretécher ("Die Frustrierten", "Agrippina") ist tot. Bretécher sei im Alter von 79 Jahren gestorben, teilte der Verlag Dargaud mit. Das Werk der gebürtigen Westfranzösin besteht aus rund 30 Alben, ihre ersten Zeichnungen hatte sie in den 70er Jahren veröffentlicht. 2016 erhielt sie den Max- und Moritz-Hauptpreis des Comic-Salons in Erlangen.
"Claire Bretécher ist in mehrerer Hinsicht eine Pionierin in der Comicszene, und deswegen ist ihre Rolle wahrscheinlich gar nicht zu überschätzen", sagt Christian Gasser, Schriftsteller und Mitherausgeber der Comic-Zeitschrift STRAPAZIN. Dass sie anstelle von Fantasiefiguren und -welten alltägliche Situationen, Schwächen und Krisen dargestellt habe, sei ehemals etwas ganz Neues gewesen.

Unglaublicher Erfolg in einer Männerdomäne

Aber das eigentlich "Unerhörte" sei gewesen, dass sie mit ihrer "resolut weiblichen Perspektive" auf die Gesellschaft in der Männerdomäne Comic bereits Mitte der 70er Jahre einen "unglaublichen" Erfolg gehabt habe, so Gasser - und zudem noch eine Leserschaft fand, "die weit über die Grenzen des Comics hinausging".
In den Panels aus "Agrippina" sitzt die Protagonistin auf einem Sofa und fragt am Telefon: "Was ist das denn wieder für'n Unsinn? Welches Antidepressivum nimmst du zurzeit?"
In Claire Bretéchers Reihe "Agrippina" steht eine Teenagerin am Rande des Nervenzusammenbruchs.© Reprodukt / Claire Bretécher
Ihr Strich sei "sehr locker, sehr nervös und skizzenhaft" gewesen, erklärt Gasser. Diese "karikaturistischen Elemente", die Bretécher pflegte und die damals in Frankreich auch relativ neu gewesen seien, hätten ihr den Vorwurf eingebracht, nicht zeichnen zu können. "Was natürlich ein absoluter Humbug ist, weil Inhalte und Zeichnungen in ihren Comics Hand in Hand gehen." Es sei Bretécher nicht um "idealisierte Helden" gegangen, sondern darum, Menschen in ihrer "alltäglichen, mittelmäßigen Hässlichkeit zu entlarven".

Vorbild über die Grenzen Frankreichs hinaus

Sich mit dem Alltag auseinander zu setzen und auch politisch zu sein, habe eine "Signalwirkung" gehabt, erklärt Gasser. Das habe andere Zeichnerinnen und Zeichner, wie Franziska Becker und Ralf König, sehr beeinflusst: "Man sieht, dass Claire Bretécher auch über die Grenzen Frankreichs hinaus als Vorbild gewirkt hat."
(kpa)
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