Zum Tod der Konzeptkünstlerin Geta Brătescu

"Sie war eine Powerfrau"

Das Kunstwerk "Mrs Oliver in her traveling costume" von Geta Brătescu. Ein Schwarz-Weiss-Foto das die in ganz in schwarz gekleidete Künstlerin mit einer mechanischen Schreibmaschine zeigt.
Die rumänische Künstlerin Geta Brätescu. © Mihai Brătescu/Galerie Barbara Weiss
Brigitte Kölle im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Die Künstlerin Geta Brătescu ist hochbetagt in Bukarest gestorben. Kunsthistorikerin Brigitte Kölle kuratierte eine Ausstellung mit ihren Werken in Hamburg und erinnert die rumänische "Grande Dame" als eine kraftvolle und faszinierende Persönlichkeit.
Erst 2011 kam die Hamburger Kunsthistorikerin Brigitte Kölle in Kontakt mit Werken von Geta Brătescu und war sofort begeistert, sagte sie im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Als sie ein Jahr später in Paris eine Ausstellung mit Brătescus Kunst besuchte, wusste sie, dass sie die rumänische Künstlerin unbedingt kennenlernen musste:
"Ich habe sie dann in Bukarest mehrfach besucht und kennen und schätzen gelernt. Sodass sie dann 2016 eine große Ausstellung bei uns in der Hamburger Kunsthalle hatte."
Das Besondere an Brătescus Werk sei die große Vielfalt, die Nutzung verschiedenster Medien - diese ungeheure Spiel- und Experimentierfreude habe ihr Werk bis ins hohe Alter so auszeichnet.

Schaffenskraft bis zuletzt

Bei ihren zahlreichen Besuchen der Künstlerin in Bukarest sei es Brătescu im Gespräch immer nur um ihr aktuelles Kunstwerk gegangen. Bis zu ihrem Tod mit 92 Jahren habe die Künstlerin täglich in ihrem Atelier gearbeitet, sagt Kölle:
"Das waren dann oft so kleinformatige Werke, die sie in ihrem hohen Alter gemacht hat – weil sie sich ja dann auch nicht mehr so groß bewegen konnte. Das waren so farbige Cutouts; also aus farbigen Papieren und Karton geschnittene abstrakte, sehr farbige, sehr freudige, fröhliche Arbeiten."

"Querschnitt durch das menschliche Gehirn"

Drei großen Themen gab es in Brătescus Werk: Erinnerung, Medea und Atelier. Mit der griechischen Mythologie habe sie sich sehr beschäftigt.
"Sie hat es geschafft auf einer abstrakten Ebene sehr viel zu sagen", fasst Kölle zusammen. "Zur Figur der Medea hat sie fantastische Stoffarbeiten gemacht. Da hat sie regelrecht mit der Nähmaschine, mit dem Faden, gezeichnet. Das sind Arbeiten, da hat man das Gefühl, da hat man so eine Art Querschnitt durch ein menschliches Gehirn. Aber doch irgendwie abstrakt. Als ob sie versucht hätte sich in den Kopf dieser unglaublich starken und tragischen Frauenfigur hineinzuversetzen."

Das Atelier als Ort der Freiheit

Über die rund 25-jährige Diktatur in ihrer Heimat Rumänien habe sie nicht sprechen wollen. Trotzdem sehe man die Auseinandersetzung damit in ihrem Werk:
"Diese großen Fragen nach der Identität. Oder die Frage nach der Bedeutung und der Funktion des Ateliers: das Atelier, wie so ein geistiger Freiraum. Das war für sie ungeheuer wichtig und zentral – eben gerade in diesem totalitären Regime Ceaușescu."

Nicht das politische Schicksal steht im Zentrum

Brătescus besondere Lebensgeschichte sei nicht der Grund, dass ihr Werk in den letzten Jahren auf vielen Biennalen zu sehen war. Vielmehr liege das Interesse an ihr in ihrem erstaunlich vielfältigen und eigenwilligen künstlerischenWerk.
"Und sie war einfach auch ein ganz faszinierende Mensch. Sie war so eine kleine Person, aber hat dennoch diesen Titel ‚Grande Dame‘ bekommen. Und auch zu Recht, weil sie einfach so eine Präsenz hatte und so eine Powerfrau gewesen ist."
(mle)
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