Zum Tod der US-Schriftstellerin

"Ich bin von Paula Fox bezaubert gewesen"

Die verstorbene Schriftstellerin Paula Fox auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2001.
Die verstorbene Schriftstellerin Paula Fox auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2001. © imago / ZUMA PRESS
Bernadette Conrad im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Die US-Schriftstellerin Paula Fox, die erst mit 44 Jahren ihren ersten Roman veröffentlichte, ist im Alter von 93 Jahren gestorben. Ihr Werk zeichne eine große Beobachtungsgabe und psychologische Klugheit aus, sagt ihre Biografin Bernadette Conrad.
Gaby Wuttke: Der erste Roman der Amerikanerin Paula Fox erschien 1967, da war sie 44 Jahre alt. Sie schrieb für Erwachsene und Kinder, und mit 78 ihre Memoiren. Für die Gabe, im Kleinen das Große zu beschreiben, verehrte sie nicht nur Jonathan Franzen. Nun ist Paula Fox, wie ihre Biografin Bernadette Conrad erfuhr, mit 93 Jahren in New York gestorben. Frau Conrad: Eine große Dame der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur – was war für sie bewegter beziehungsweise bewegender: ihr Leben oder ihr Schreiben?
Bernadette Conrad: Ja, das ist eine gute Frage dahingehend, dass man das bei Paula Fox wie bei manchen anderen auch gar nicht trennen kann voneinander. Vielleicht könnte man sagen, in ihrer sehr bewegten ersten Lebenshälfte hat sie so geballt und so verdichtet krasse Dinge erleben müssen, die sie in ihrer zweiten Lebenshälfte, die, wie Sie sagten, nach 40 erst begann, das schreibend verarbeitete.
Paula Fox wurde ja wenige Tage alt von ihren Eltern in ein Findelheim gegeben, lebte dann in einer Pflegefamilie und wurde mit fünf Monaten von einem Pfarrer zu sich genommen. Und hatte da bis sechsjährig eine gute Kindheit, wurde da aber wieder herausgerissen von ihrer Oma, die sie abholte und an einen Ort holte, an dem Paula nicht sein wollte. Dann kamen später die Eltern zurück, haben auf regelrecht sadistische Art sozusagen (eingegriffen), sind im Leben aufgetreten und haben sich wieder zurückgezogen. Was diesem Kind, dieser Jugendlichen zugemutet wurde, da würde man schon meinen, daran hätte man auch zerbrechen können.
Paula Fox hatte dann eine sehr unruhige Jugend natürlich, auf dem ganzen amerikanischen Kontinent hat sie gelebt, sie hat mit 21 ein kleines Mädchen bekommen, das sie zur Adoption freigab. Ihre Tochter Linda, die hat sie erst gefunden, als Paula 70 war. Schon allein das, wenn man sich das vergegenwärtigt, ist ein extremes Erlebnis.
Dann, 40-jährig, begann sie, Jugendbücher und Romane zu schreiben für Erwachsene, sechs Romane, 23 Kinder- und Jugendbücher, ganz oft von Themen wie vernachlässigte Kinder, alleingelassene Kinder, Kinder mit unzuverlässigen Eltern, aber auch ganz andere Geschichten. Also zum Beispiel "Desperate Characters", eben jener Roman, den Jonathan Franzen so verehrt hat, die Geschichte einer zerbröckelnden Ehe.
Was Paula Fox literarisch unglaublich ausgezeichnet hat, war eine aus ihrer eigenen Wachheit hervorgehende Beobachtungsgabe, eine solche scharfe Beobachtung, die ich selbst immer in Verbindung gebracht habe mit der Alarmiertheit, mit der sie vermutlich ihr Leben gelebt hat.

Bewunderung und Verehrung für sie als Mensch

Wuttke: Wie haben Sie denn Paula Fox für sich entdeckt?
Conrad: Ja, das ist jetzt 17 Jahre her, ich habe das Buch "Kalifornische Jahre" gelesen, das damals als eines der ersten im Beck-Verlag erschien. Es handelt ja von einer jungen Frau, Annie, die durch Kalifornien so ein völlig rastloses, unstetes Leben führt. Ich war fasziniert davon, wie hier jemand einerseits über so, ja, so ein eigentlich freakhaftes, völlig zielloses Leben erzählen und dabei gleichzeitig so genau, so messerscharf, so psychologisch klug auch sein kann. Und seitdem hat sie mich nie mehr losgelassen.
Ich habe sie dann im Jahr 2005 kennengelernt, habe sie seither auch immer wieder besucht, bin einfach auch tatsächlich immer wieder als Mensch von ihr sehr bezaubert gewesen. Und die Bewunderung und Verehrung, die ich für sie als Menschen habe, mit der Wertschätzung ihres Werkes, das kann ich gar nicht auseinanderhalten.

Schreiben als Eigentherapie?

Wuttke: War denn das Schreiben für Paula Fox so etwas wie eine Eigentherapie?
Conrad: Ja, die Antwort auf diese Frage hängt wahrscheinlich davon ab, wie man grundsätzlich dazu steht. Ich weiß gar nicht genau, was sie dazu gesagt hätte. Sicher hätte sie zugestimmt, dass sie etwas abgearbeitet hat.
Ich nehme mal ein Beispiel, ihr Roman "Lauras Schweigen" erzählt nur von einem einzigen Abend im Restaurant, wo sich eine disparate Familie trifft, und vom nächsten Morgen. Da ist einer extrem manipulativen Frau – Paula Fox' Mutter steht da sozusagen im Hintergrund – ein Denkmal gesetzt. Paula würde nie widersprechen, dass das eben die Figur ihrer Mutter ist, aber sie hat das natürlich, wie das gute Schriftsteller können, hat das ein Eigenleben gehabt, nicht wahr.
Und die Gabe zu erfinden und natürlich vieles noch drum herum zu erfinden, sodass der Roman eine Autonomie hat, die hat sie, denke ich, unbedingt besessen.
Wuttke: Sagt Bernadette Conrad, die Biografin von Paula Fox, die im Alter von 93 Jahren in New York gestorben ist. Die Biografie heißt "Die vielen Leben der Paula Fox" und ich danke Ihnen sehr, dass Sie hier im Studio waren!
Conrad: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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