Zum Tod des Can-Bassisten Holger Czukay

"Seine Fantasie war zu groß für diese Welt"

Holger Czukay, aufgenommen bei einem Konzert auf dem Berliner Pfefferberg im Jahr 2009
Holger Czukay, aufgenommen bei einem Konzert auf dem Berliner Pfefferberg im Jahr 2009 © imago/Votos-Roland Owsnitzki
Wolf Kampmann im Gespräch mit Vivian Perkovic |
Musikjournalist Wolf Kampmann kannte den verstorbenen Can-Bassisten Holger Czukay aus vielen gemeinsamen Begegnungen persönlich. In der Sendung "Tonart" erinnert sich der Autor des Buches "Can Box" an die außergewöhnlichen Seiten des Künstlers Holger Czukay.
"Holger Czukay war sehr schwer zu greifen gewesen. Er lebte in seinem eigenen Universum und war ein Künstler, dessen Fantasie zu groß für diese Welt war",
sagte Musikjournalist Wolf Kampmann im Deutschlandfunk Kultur.
"Er hat einen stets mit Geschichten überhäuft – ein Füllhorn an Geschichten."
Holger Czukay trat bei Can nicht nur als Musiker, sondern auch als Tontechniker in Erscheinung. Wolf Kampmann beschreibt ihn jedoch als jemanden, der nicht daran geglaubt hat, Aufnahmen durch den Mehrspur-Mix perfektionieren zu können. "Der Mix muss schon in der Aufnahme drin sein", lautete Czukays Mantra.
Als Bassist von Can war Holger Czukay Mitglied einer Band, die mit ihrem experimentellen Klangkosmos etwas ganz Außerordentliches geschaffen habe. Das Besondere an Can sieht Wolf Kampmann vor allem in den unterschiedlichen Persönlichkeiten, die in der Band aufeinandertrafen.
"Keyboarder Irmin Schmidt war der Analytiker, Gitarrist Michael Karoli war der psychedelische Rockertyp, Schlagzeuger Jaki Liebezeit war der Eremit und Holger Czukay war der Musketier."

"Er hat immer in der weiten Ferne nach neuen Dingen gesucht"

Czukay habe schon von frühester Kindheit intensiv in seiner Fantasie gelebt.
"Mit seiner Mischung aus Alexandre Dumas, Catweazle und Daniel Düsentrieb konnte Holger Czukay Räume entdecken, in die kein anderer jemals vorgedrungen war."
Eine weitere Antriebskraft, etwas Neues zu erfinden, war die Unzufriedenheit der Can-Musiker mit der damaligen Rockmusik, so Kampmann.
"Czukay fand Rockmusik zwar toll, in der etablierten Form aber langweilig. So versuchten sie, den Rock mit dem Werkzeugkasten, den sie von Karlheinz Stockhausen mitbekommen haben, neu zu erfinden."
Dem Musiker Czukay sei es immer darum gegangen, neue, "unerhörte Musik" zu entdecken. Das Ferne sei ihm stets näher als das Nahe gewesen, so Kampmann.
"Er hat immer in der weiten Ferne nach neuen Dingen gesucht."
Musikalisch hinterlassen er und seine Band Can mit ihrem Experimentiergeist der Welt eine Ästhetik des "Musizierens in großen Zyklen", die es vorher noch nicht gegeben habe.
"Die ganze Musikwelt hat sich durch diese Herangehensweise an Rhythmusteppiche und rhythmische Zyklen verändert."
(Online-Text: Tarik Ahmia)
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