Zum Tod des Fotografen Erasmus Schröter

"Er war unheimlich vieldeutig"

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Die Arbeit "Contest 19", 2011, von Erasmus Schröter bei einer Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg ist auf dem Handy einer Frau zu sehen. Auf dem Foto ist ein Teilnehmer des Wave-Gotik-Festivals in Leipzig zu sehen, der sich dafür verkleidet und geschminkt hat.
Porträts – wie hier von Teilnehmern des Leipziger Wave-Gotik-Festivals – waren ein wichtiger Teil von Erasmus Schröters Werk. © picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt
Andreas Höll im Gespräch mit Eckhard Roelcke |
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Der Fotograf Erasmus Schröter verließ die DDR aus Protest, kehrte in den 90ern in seine Heimatstadt Leipzig zurück, wo er nun starb. Der Kulturjournalist Andreas Höll erinnert an ihn: Er habe "keine platten Zeugnisse unserer Kultur" abliefern wollen.
Der Fotograf Erasmus Schröter lebte und fotografierte zunächst in der DDR, die er 1985 aus Protest gegen die politischen Verhältnisse verließ. Er zog nach Hamburg. 1997 kehrte der gebürtige Leipziger in seine Heimatstadt zurück. Nun ist er dort am vergangenen Sonntag im Alter von 64 Jahren gestorben.

Chiffren für die Atmosphäre der Repressionen

Auch wenn Schröter mit der Politik der DDR nicht einverstanden gewesen sei, sei er "auf jeden Fall kein Agitator, also im politischen Sinne," gewesen, sagt der Kunstjournalist Andreas Höll, der im Jahr 2018 die Ausstellung "Montevideo" mit Arbeiten von Erasmus Schröter kuratierte. "Aber er war unheimlich vieldeutig und hat tolle Chiffren gefunden, auch für die Atmosphäre der Repressionen der DDR."
Schon als Student seien ihm eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Porträts von nächtlichen Passanten gelungen, die er mit einer Infrarotkamera aufgenommen hat, so Höll. "Diese Aufnahmen von wartenden Menschen in der Nacht brachten die bleierne Zeit der DDR der 1980er-Jahre gleichsam auf den Punkt." Aber er habe sich auch mit der deutschen Vergangenheit beschäftigt und mit seiner lichtinszenierten Fotografie für Aufsehen gesorgt.
Anfang der 90er-Jahre fotografierte Schröter die verfallenen deutschen Bunker am französischen Atlantikwall mit "der geballten Kraft von riesigen Scheinwerferbatterien", sagt der Kulturjournalist. "Da hat er die Schrecken des Krieges in ein grellbuntes Zwielicht getaucht."

Mehrdeutigkeit als künstlerische Strategie

Eine besondere Rolle hätte bei Schröter aber die Porträtfotografie gespielt, erläutert Andreas Höll. Hier habe der Fotograf in seiner künstlerischen Strategie sehr auf Mehrdeutigkeit gesetzt. "Zum Beispiel bei den Aufnahmen von jungen Männern, die sich ja sehr exhibitionistisch inszenieren, alljährlich beim Leipziger Wave-Gotik-Festival."
Die Arbeit "Contest", von Erasmus Schröter, ist im Kunstmuseum Moritzburg zu sehen. Auf dem Foto ist ein Teilnehmer des Wave-Gotik-Festivals in Leipzig zu sehen, der sich dafür verkleidet und geschminkt hat. Davor stehen  drei Frauen - zwei im seitlichen Profil und eine der Kamera zugewandt.
Er habe die „neuen Bilder der Männlichkeit“ ausgestellt, sagt Andreas Höll über Erasmus Schröter. © picture alliance/dpa/Hendrik Schmidt
Mit der Präzision eines Anthropologen habe Schröter "diese Maskeraden, diese exhibitionistische Subkultur" porträtiert, aber auch gleichzeitig die "neuen Bilder der Männlichkeit, die da entworfen werden", ausgestellt.

Sammelleidenschaft in Werke integriert

Neben seinem Beruf als Fotograf sei Schröter auch "passionierter Flohmarktgänger" und Sammler von DDR-Kinderspielzeug und DDR-Architekturpostkarten gewesen, erzählt Andreas Höll. Beides habe er auch immer wieder in seine Werke und Ausstellungen einfließen lassen. Bis zuletzt war Schröter präsent – nicht nur in zahlreichen Museen und Galerien in Deutschland, sondern auch bei vielen internationalen Ausstellungen, vor allem in England und Kanada.
Faszinierend an den Arbeiten von Erasmus Schröter sei, dass sie "ganz stark unsere Alltagskultur unter die Lupe nehmen" und dabei "immer auch eine unglaubliche ästhetische Verführungskraft" haben, so der Kulturjournalist.
(kpa)
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