"Er ist sich immer treu geblieben"
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Das Wendland habe der Lyriker Guntram Vesper besonders geliebt, sagt der Literaturkritiker Axel Kahrs. Trotzdem sei Vespers sächsische Heimat Frohburg immer Kern seines künstlerischen Schaffens geblieben, das weit über das Schreiben hinausging.
Guntram Vesper habe das Wendland geliebt und literarisch verarbeitet, sagt sein Freund, der Literaturkritiker Axel Kahrs. Trotzdem sei Vespers sächsische Heimat Frohburg der Kern seiner Literatur geblieben. "Der Nukleus ist und bleibt Frohburg. Es gibt ja auch einen frühen Gedichtband, der 'Frohburg' heißt und immer wieder ist Guntram Vesper auf seine Heimatstadt zurückgekommen." Für "Frohburg" erhielt Vesper 2016 den Preis der Leipziger Buchmesse.
Liebe zum Wendland
Als langjähriger Leiter der Stipendiatenstätte Künstlerhof Schreyahn im niedersächsischen Wendland hat Kahrs Guntram Vesper 1983 als einen der ersten Stipendiaten dort kennengelernt. Daraus habe sich eine jahrzehntelange Freundschaft entwickelt, so Kahrs. Immer wieder sei Vesper ins Wendland zurückgekehrt. "Ich liebe das Wendland – jedes Jahr bin ich dort", sei einer seiner schönsten Sätze – das habe Vespers in der Zeitschrift Natur 1986 geschrieben.
"Er war er zu Hause in dieser Region und hat sich dort wohlgefühlt. Aufgrund gemeinsamer Interessen und Kontakte wurde der Lebensweg parallel geführt: Er in Göttingen und ich hier im hannoverschen Wendland in Lüchow-Dannenberg."
Als Sachse, der 1957 die DDR verlassen hatte, habe Vesper sich in der Geschichte des Landes Niedersachsen glänzend ausgekannt. Kahrs erinnert an Porträts und Forschungen Vespers über Autoren wie Gottfried August Bürger in Göttingen und Georg Christoph Lichtenberg.
Eindrücke der deutsch-deutschen Grenze
Die deutsch-deutsche Grenze habe für Vesper eine besondere Bedeutung gehabt, dies sei auch bei gemeinsamen Fahrten auf der Seite der Bundesrepublik entlang der Grenze deutlich geworden:
"Die DDR-Grenze so kennenzulernen, wie sie 1983 hier im Wendland existierte, das man rangehen konnte an den Zaun, dass man die Beobachtungstürme gesehen hat, das war für ihn eine Erfahrung, die ihn auch verunsichert hat, weil er das in dieser Form nicht kannte." Denn DDR-Bürger hätten wegen einer Sperrzone keine Möglichkeit gehabt, an die Grenze heranzugehen, so Kahrls.
Diese Eindrücke und auch die von Fahrten zur zerstörten Elbbrücke Dömitz habe Vesper aufgesogen, "wie ein trockener Schwamm" und dann in seinen lyrischen Texten und Geschichten verdichtet: "Er hat ja ein wunderbares Porträt 'Die Inseln im Landmeer' geschrieben, in dem das Wendland noch einmal genau aufgegriffen wird und dargestellt wird."
Unabhängig von den Moden des Literaturbetriebs
Schon früh habe Vesper viele Erfolge gehabt und auch viel Zuspruch mit seinen Hörspielen und anderen Texten erhalten. Dass es dann später einige Jahre stiller um ihn wurde, sei auch schmerzlich gewesen: "Es ging ihm ebenso, wie vielen Schriftstellern seiner Generation. Die Verlage änderten ihre Programme, und Lyrik war nicht mehr so gefragt." Seine Erzählungen, seien eben in seiner Sprache auch für sich sehr kunstvoll, sehr artifiziell gebaut gewesen. "Und sie beanspruchten auch kluge, kundige Leser", sagt Kahrs.
Sein Weggang vom Fischer- und Hanser-Verlag* zu kleineren Verlagen habe Vesper aber nicht bedrückt: "Er hat gesagt: 'Ich schreibe für mich. Das ist etwas, was mir wichtig ist und was mein Leben und mein selbst Verständnis und mein Bewusstsein von dieser Welt stärkt und festigt. Und ob das in großen Verlagen erscheint oder in einer kleinen Edition, ist mir im Grunde genommen gar nicht wichtig'." Das habe ihn auch unabhängig gemacht von allen Modeerscheinungen des Literaturbetriebs.
Entscheidend sei gewesen, dass Vesper "immer bei sich geblieben" sei und dass er dieses auch ausgedrückt habe. "Er hatte diesen festen inneren Kern und auch in den letzten Wochen, wo er merkte, dass es mit ihm zu Ende geht, ist er immer dabeigeblieben und hat gesagt, er habe sein Leben so gelebt, wie ich es haben wollte, wie er es sich vorgestellt hatte."
Begabungen über das Literarische hinaus
Vespers habe über die Texte hinaus noch viele weitere Dinge gemacht, und - ähnlich wie Günter Grass - auch gezeichnet. "Viele seiner früheren Bücher sind mit Zeichnungen versehen, wunderschöne Strichzeichnung. Guntram Vesper war einer, der das Schriftbild immer geliebt und angereichert hat und der gelebt hat vom Wechsel zwischen der grafischen Darstellung, der bildnerischen Darstellung und der Beschreibung, die er dann dazu gegeben hat - das war schon eine Doppelbegabung."
(mle)
*Wir haben den Namen des Verlags korrigiert.