"Er war ein wichtiger Vermittler zwischen den Kulturen"
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Der aus dem Iran stammende Dichter SAID ist im Alter von 73 Jahren in München gestorben. Vielfach ausgezeichnet, machte er die Literatur seiner persischen Heimat im Westen bekannt. Seine eigenen Gedichte verfasste er auf Deutsch.
Der Schriftsteller SAID lebte seit 1965 in Deutschland. Seine Gedichte und Bücher wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis, der Goethe-Medaille und dem Bundesverdienstkreuz. Von 2000 bis 2002 war er Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums.
Kritik am Iran und am Westen
Kennengelernt habe er SAID im Jahr 2002 im Goethe-Institut, erzählt der Islamwissenschaftler und Autor Stefan Weidner. Bei der gemeinsamen Arbeit an einer Zeitschrift für den Dialog mit der islamischen Welt sei ihm SAID aufgefallen:
"Da spielte er eine ganz ungewöhnliche Rolle als jemand, der die islamische Welt, aber eben auch den Westen stark kritisierte. Er hat natürlich auch die Ausgrenzung in Deutschland kritisiert, den Rassismus, die politischen Vereinfachung, die Kulturkämpfe, die bei uns betrieben werden. Er war eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, sehr höflich, aber zugleich sehr bestimmt."
Hilfe für verfolgte Intellektuelle
SAID habe durchgehend eine enge Verbindung zu Intellektuellen und Schriftstellern im Iran gehalten.
"Er war ja Ende der 90er, Anfang der 2000er-Jahre im P.E.N.-Zentrum sehr aktiv – teilweise auch Präsident – und hat sich dort intensiv um die verfolgten iranischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller gekümmert. Er hat vielen von ihnen geholfen." In dieser Zeit habe es im Iran kontinuierlich Anschläge auf Autorinnen und Autoren gegeben. Manche von ihnen habe SAID nach Deutschland geholt.
Wichtiger Vermittler für Irans Literatur
Zudem habe er als Mittler zwischen den Kulturen gewirkt und die iranische Literatur überhaupt bekannt gemacht, so Weidner.
"Er hat Lyriker übersetzt oder die Übersetzung begleitet. Er war ein kontinuierlicher Literaturvermittler, und er hat die iranische Literatur geliebt – die alte und die neue."
Sein Persisch sei auch nach Jahrzehnten im deutschen Exil immer noch sehr gut gewesen: "Das war für ihn extrem wichtig. Das gehörte einfach zu seiner Zwischenexistenz zwischen den Kulturen."
Eigentlich sei SAID nach Deutschland gekommen, um Ingenieur zu werden. Doch dann sei er in den Sog der 68er Proteste geraten, kurz nachdem der iranische Schah Deutschland besucht hatte. Damals habe sich der künftige Dichter politisiert, sich gegen den Schah engagiert und mit dem politischen Iran gebrochen, sagt Weidner.
"Als der Schah 1979 gestürzt wurde, kehrte SAID zum ersten Mal wieder zurück, aber nur für sechs Wochen, denn er begriff, dass dieses Regime genauso schlimm sein würde wie das des Schahs." SAID habe das früher erkannt als viele andere. Seitdem habe er fast kontinuierlich in Deutschland gelebt.
Gedichte über die Liebe auf Deutsch
Die Ursache dafür, dass SAID auf Deutsch geschrieben habe, finde sich in der 68er Studentenbewegung. Exil-Iraner hatten sich damals gegen den Schah verbündet, und niemand habe sich für unpolitische, auf Persisch verfasste Gedichte interessiert, so Weidner:
"Er wollte auch über die Liebe schreiben. Es gab viele Liebesgedichte, die er geschrieben hat." Darum habe SAID Zuflucht in der deutschen Sprache gefunden. "Im Kern ist dies der Grund, warum er auf Deutsch geschrieben hat – weil er darin freier war. Er konnte sich so auch jenseits der Politik äußern."
(mle)