Zum Tod von Friedrich Knilli

Vater des modernen Hörspiels

08:29 Minuten
Friedrich Knilli blickt in die Kamera.
Radikaler Wegbereiter und streitbarer Wissenschaftler: Friedrich Knilli. © imago-images / United Archives
Götz Naleppa im Gespräch mit Britta Bürger |
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Der Hörspieltheoretiker und -autor Friedrich Knilli ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Knillis Theorie des Hörspiels aus dem Jahr 1961 habe diese Kunstform revolutioniert, sagt Götz Naleppa, Ex-Hörspielchef von Deutschlandfunk Kultur.
Friedrich Knilli gilt als großer Erneuerer des Hörspiels. In den 1960er-Jahren erschütterte er den damals herrschenden Mainstream mit seinem radikal neuen Ansatz. Statt der vorherrschenden Innerlichkeit mit lediglich vorgelesenen Texten setzte er auf körperliche Spielweise und reizte als Erster die technischen Möglichkeiten in den Studios aus.
In seinem wegweisenden Buch "Das Hörspiel. Mittel und Möglichkeiten eines totalen Schallspiels" aus dem Jahr 1961 schuf er eine neue Theorie des Hörspiels und setzte sich intensiv mit seiner Wirkung auseinander. Dem Deutschlandradio war Friedrich Knilli als Hörspiel- und Featureautor verbunden. Nun ist er mit 92 Jahren gestorben.

Manifest für eine neue Form des Hörspiels

Die Veröffentlichung des Buchs habe wie eine Bombe in die Hörspielszene eingeschlagen, sagt Götz Naleppa, langjähriger Hörspielchef des Deutschlandradios. Das damalige Primat lag auf der Sprache und Geräuscharmut.

Dann kam Knilli und sagte: Das Hörspiel kann mehr! Für mich und andere junge Hörspielmacher war das ein Aha-Erlebnis. Knilli hat für das heutige Hörspiel die theoretischen Grundlagen gelegt.

Götz Naleppa, Hörspielregisseur, Autor und Dramaturg

Knillis Buch sei zu einem Manifest für eine neue Form des Hörspiels geworden und habe es revolutioniert. Er habe die verhaltene Innerlichkeit weggewischt und sich in öffentlichen Debatten über das Hörspiel als streitbarer Wissenschaftler erwiesen.

Auseinandersetzung mit dem Judenbild in den Medien

In seinem letzten Feature "Höllenfahrt" für das Deutschlandradio hat sich Knilli 2018 mit seiner eigenen Grazer Familiengeschichte auseinandergesetzt. Götz Naleppa hat es zusammen mit Knilli produziert.
"Das war seine Biografie. Es geht um seine Herkunft und seine Familie, um einen Herrenschneider, der sein Geschäft von einem Juden ergaunert hat. Er beschmutzt sozusagen seine Familie, allerdings mit Augenzwinkern", sagt Naleppa.
Zeitlebens hat sich Knilli mit der Darstellung von Juden in den Medien befasst. Seine Biografie "Ich war Jud Süß" über den Schauspieler Ferdinand Marian bildete die Vorlage für den Film "Jud Süß" von Oskar Roehler.
"Er hat sich über die Beschäftigung mit diesem Thema mit den Widersprüchen in seiner Familie und in sich selbst auseinandergesetzt", sagt Naleppa. "Er hat immer gegen Verlogenheit gekämpft. Er war ein außerordentlich streitbarer und nicht immer einfacher Partner. Seine Geradlinigkeit war faszinierend und das Ringen um Themen mit ihm war immer anstrengend, aber auch ein Vergnügen."
(rja)
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