Hören Sie anlässlich des Todes von V. S. Naipaul das Gespräch mit der Literaturkritikerin Sigrid Löffler in "Studio 9 kompakt":
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Wanderer zwischen den Welten
Der Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul galt als schnörkelloser Erzähler und Essayist. Seine eigene Zerrissenheit zwischen verschiedenen Kulturen prägte den Sohn indischer Eltern. Jetzt ist er kurz vor seinem 86. Geburtstag gestorben.
Der britische Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul ist tot. Der Autor zahlreicher Romane, Erzählungen und kritischer Schriften sei im Alter von 85 Jahren am gestrigen Samstag gestorben, teilte seine Familie mit. "Er war ein Riese in allem, was er erreicht hat, und er starb im Kreis seiner geliebten Menschen, nachdem er ein Leben voll wunderbarer Kreativität und Streben gelebt hatte", heißt es in einer Erklärung seiner zweiten Frau Lady Nadira Naipaul.
Geboren wurde Sir Vidiadhar Surajprasad Naipaul, der 1989 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde, am 17. August 1932 auf der Karibikinsel Trinidad als Sohn einer indischen Familie. Ein Stipendium ermöglichte dem 18-Jährigen ein Studium in Oxford.
Zahlreiche Reisen nach Afrika, Südamerika und Asien
Nach ersten Jahren als Journalist begann Naipaul Romane zu schreiben. Geprägt haben ihn seine eigene Biografie zwischen indischer und karibischer Kultur sowie seine zahlreichen Reisen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Naipaul war ein Wanderer zwischen den Kulturen - dies und seine Reiseeindrücke schlugen sich in seinen Werken nieder.
In "Land der Finsternis" (1964) analysierte er kritisch die Verhältnisse in Indien, dem Land seiner Vorfahren. In "Eine Islamische Reise" (1981) wurde er zum Islamkritiker. Er selbst sagte über dieses Buch:
"Ich hatte großes Glück. Als ich mit meiner islamischen Reise begann, hatte ich nicht viel in den Zeitungen gelesen. Ich war ein Unschuldiger. Ich bin gereist, um zu wissen, um wahrhaftig zu wissen. Dabei habe ich herausgefunden: Wenn du extrem einfache Fragen stellst, bekommst du gute Antworten, aber Du musst sehr aufmerksam zuhören."
Schnörkellos und genau
Der Roman "An der Biegung des großen Flusses" (1979) beschrieb Chaos und Gewaltherrschaft in den unabhängig gewordenen Staaten Afrikas. Literaturkritiker lobten Naipauls schnörkellose Sprache, seine umfassenden Recherchen und seine Fähigkeit, genau zu beobachten. Für sein Gesamtwerk wurde Naipaul 2001 mit dem Literaturnobelpreis. In seinem Spätwerk behandelte er in Romanen wie "Ein halbes Leben" (2001) oder "Magische Saat" (2004) wieder die Frage von Identität und Heimatlosigkeit.
Gleichwohl gab es auch viele kritische Stimmen, die dem Autor Arroganz, Ruppigkeit, Sexismus vorwarfen. Zudem wurde immer wieder kritisiert, Naipaul nehme in seinen Werken und seinen Analysen zu sehr den Blickwinkel der ehemaligen Kolonialherren ein. Der britische Autor Hanif Kureishi lieferte in "Das letzte Wort" (2015) ein ebenso scharfzüngiges wie schonungsloses Porträt seines Kollegen ab.
(mkn/dpa)