Zum Tod des Posaunisten Chris Barber

Ein Jazzer, bekannt wie die Beatles

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Der britische Posaunist, Sänger und Jazz-Bandleader Chris Barber spielt mit geschlossenen Augen Posaune beim dem Soundcheck zu einem Konzert.
Ein Garant für volle Konzertsäle: Der Jazz-Posaunist Chris Barber hatte in Deutschland viele Fans. © picture alliance /dpa/Horst Ossinger
Von Michael Laages |
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Nicht Glenn Miller, sondern Chris Barber hat Deutschland nach dem Krieg den Swing gebracht. Der Brite und seine Band waren hier in den 1950er-Jahren so bekannt wie später die Beatles. Jetzt ist der Posaunist mit 90 Jahren gestorben.
Wenn es jemanden gab, der in den allerersten Nachkriegsjahren ausgerechnet in Deutschland eine Musik popularisieren half, die zu hören kurz zuvor noch mit Gefängnis und Schlimmerem bestraft worden war, dann ist das Christopher Donald – kurz "Chris" – Barber gewesen, geboren im April 1930 im Städtchen Welwyn Garden City in der englischen Grafschaft Hertfordshire.

Mit 20 Jahren die erste Band

Er war noch nicht 20, als er das erste Amateurensemble gründete. Später wurde mit ihm und den frühen Partnern Ken Colyer, dessen Band er Anfang der 50er-Jahre übernahm, Monty Sunshine, Lonnie Donegan und auch mit Barners langjähriger Ehefrau Ottilie Patterson der Jazz aus ganz frühen Zeiten auch bei uns heimisch: als große Zaubermusik nach der großen Zerstörung.
Nicht Glenn Miller, sondern Chris Barber hat Deutschland den Swing gebracht – und damit das Gefühl für die neue Zeit.
Und irgendwie war er und ist er immer da und bei uns geblieben, auch wenn die Moden wechselten und die große Begeisterung für Oldtime- und Dixieland-Jazz spätestens in den 70er-Jahren stark nachgelassen hat, ja weithin geschrumpft ist auf die Nische der Sonntagsfrühschoppen hier und da.

Auch Auftritte in der DDR

In den besten Zeiten aber, und über Jahrzehnte hin, garantierte speziell Chris Barbers Band volle Säle, überall und immerzu, übrigens auch in DDR: Drei Jahre nach Louis Armstrongs legendärer Reise durchs kleinere Deutschland war Barber im Berliner Friedrichstadt-Palast zu Gast. Dort entstand eine der bis heute aufregendsten Live-Aufnahmen dieser Band.
Dixieland, Swing, ein Quäntchen Moderne und ganz viel Liebe zum Blues haben Barbers Profil geprägt. Es kann sein, dass Barber so etwas wie den Geist und Seele der Zeit, seiner Zeit, zu fassen bekommen hatte.

Charmant und bekannt wie die Beatles

Prominent war er wie die Beatles, freundlich war er, charmant – eine Ikone der Entspannung in unruhigen Zeiten. Der Hamburger Kollege Werner Burkhardt, 2008 verstorben, hat mal für Hamburg den Ehrentitel "Freie und Barber-Stadt" erfunden.
Aber irgendwie hat er uns alle gepackt. Unendlich viele haben Jazz – oder was Mister Barber als Jazz ausgab – überhaupt erst durch den freundlichen Engländer kennengelernt. Erst vor eineinhalb Jahren hatte er sich nach einem Sturz aus dem Musikleben zurückgezogen.
Nun hat die Band, die Barbers Namen trägt, ihn sogar noch überlebt. Als Nächstes wird sie ganz bestimmt viele Memory-Konzerte spielen.
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