Zum Tod des Satirikers

Bei Wiglaf Droste war nie "alles gut"

04:31 Minuten
Wiglaf Droste sitzt auf einer Bühne mit Zigarette im Mund. Im Hintergrund steht ein Mikrofon.
Wiglad Droste im November 1996: Als streitbarer Kolumnist wurde er mehr als einmal verklagt. © Imago / Teutopress
Von Knut Cordsen |
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Bei der taz und dem Satiremagazin Titanic war Wiglaf Droste kurz Redakteur. Dann entschied er sich für das freie Schriftstellerdasein - schrieb Gedichte sowie ätzend-brillante Sprachglossen und Polemiken. Droste starb mit 57 Jahren.
Diese bittere Pointe hätte ihm vermutlich gefallen. Das letzte Gedicht, das der Satiriker und komische Lyriker Wiglaf Droste erst vor wenigen Wochen für das Radio einlas, trug den Titel "Alles gut".
Und es nahm in der wohlvertrauten sprachkritischen Manier, die Wiglaf Droste mit seiner Band, dem "Spardosen-Terzett", auch das Lied "In 80 Phrasen um die Welt" singen ließ, jene modische Beschwichtigungsphrase auseinander, die man heute an allen Ecken und Enden hören kann: "Alles gut".
Wiglaf Droste:
"Alles gut!", "Alles gut!" /
warum ist jetzt "Alles gut?" /
Immer, immer "Alles gut!", /
bis das Hirn im Hintern ruht, / sagen alle: "Alles gut!" /
Nicht nur manches, "Alles gut!" /
Manches aber ist "empörend!" /
oder "schlimm!", das wirkt sehr störend. /
Dann ist nicht mehr "Alles gut!" /
Und schnell packt sie zu, die Wut. /
Gibt es irgendeinen Zwist, /
ist es gut, wenn "Alles gut!" ist. /
"Alles gut!" ist nämlich Pflicht. /
Ohne "Alles gut!" geht's nicht. /
Und so sprach selbst Hamsuns Knut: /
"Adolf Hitler? - Alles gut!" /
Alle, sogar Karlmays "Schut" /
sagen ständig: "Alles gut!" /
Und sie lehren ihre Brut, /
zu erklären: "Alles gut!" /
Ist so schön herbeigezogen, /
ist nicht wahr und nicht gelogen, /
ist ideal als Passe-par-tut: /
"Alles gut!", ja: "Alles gut!" /
Sagt dir jemand: "Alles gut!" /
Mensch, sei besser auf der Hut. /
Und dem "Alles gut!"-Getute /
wünsche freundlich "Alles Gute!" /
Wer, als wär' er ferngesteuert, /
ständig "Alles gut!" beteuert, /
muss ins Purgatorium, /
kommt im "Alles Gut!"en um. /
Yepp!, Er schmort im Fegefeuer /
und muss schlucken: "Phrasenstreuer!" /
Muss auch schucken: Phrasensteuer! /
"Alles gut!"? - Das wird gut teuer. /
Die Rhetorik-Müllabfuhr /
kutscht das "Alles Gut!" retour. /
"Alles Gut!" ist nichts als Leergut. /
Ab dafür und: Danke, sehr gut!
Bei Wiglaf Droste war nie "alles gut", er wollte sich nicht abfinden mit dem Unsinn, der verzapft wird, mit den "Dämlackereien", die in Umlauf gebracht werden.

"Man schreibt das ja nicht, um verklagt zu werden"

Zur Welt gekommen war er in Herford, Ostwestfalen, und nannte sich einen "Westfalian Alien": "Harry Rowohlt hat gesagt Ostwestfalen ist Quatsch. Ost und West heben sich gegenseitig auf und übrig bleibt Falen."
Als streitbarer Kolumnist, der seiner provokanten Äußerungen etwa über die Bundeswehr immer wieder auch Gerichtsprozesse über sich ergehen lassen musste, stand Wiglaf Droste ganz in der Tradition des von ihm verehrten Kurt Tucholsky. "Vor Gericht ist das ein Va-Banque-Spiel", sagte er:
"Es gibt Richter, für die ist das durch die Meinungsfreiheit gedeckt, und andere wiederum halten das für eine ganz schwere Beleidigung, die bestraft werden muss. Man schreibt das ja nicht, um verklagt zu werden, sondern weil das ganz selbstverständlich ist und man es selbst für die richtige Formulierung hält. Und hin und wieder bekommt man dann von einem Richter gesagt: Das darfst du nicht."
Mit großer Lust legte sich Droste mit allen an – als erklärter "Grouchomarxist" auch gern mal mit humorlosen "Karlmarxisten". Die israelische Armee forderte er mal in einem Artikel auf, statt Beirut besser die Richard-Wagner-Stadt Bayreuth zu bombardieren:
"Dass das kein ernstgemeinter Vorschlag war – es war ja ein Offener Brief an die Israelische Armee, der sie kaum erreicht haben dürfte –, zu der Abstraktionsleistung sind dann manche nicht fähig."

Freies Schriftstellerdasein

Bei der taz und dem Satiremagazin Titanic war Wiglaf Droste kurz Redakteur, entschied sich dann aber für das freie Schriftstellerdasein und schrieb zum Beispiel Gedichte, aber auch immer wieder ätzend-brillante Sprachglossen, Polemiken und er gab als Gourmet zusammen mit seinem Freund, dem Sterne-Koch Vincent Klink, jahrelang die kulinarische Vierteljahreszeitschrift "Häuptling Eigener Herd" heraus.
Kostproben seines Könnens liefert ein jeder seiner Verse, etwa diese wenigen hier, in denen Wiglaf Droste dem von ihm neben Bob Dylan meistgeliebten Musiker Joe Cocker nachrief:
Wiglaf Droste:
"Gute Rocker /
sehn das locker. /
70 Jahre ward Joe Cocker. /
Ich sah ihn zweimal live /
er hat sich backstage übergeben, /
der liebe Gott gibt ihm High Five, /
es war ein hartes, also gutes Leben, /
wie sichʼs gehört, er stieg und fiel /
und er stand auf mit 'Sheffield steel'. /
So zu singen! /
So zu klingen! /
Die Sehnsucht erfassen, /
diesseits aller der Menschheit angelogenen Klassen. /
The White Cliffs of Dover ... /
Finally it‘s all over. /
The Cruel Sea, the Beautiful Ocean /
Übrig bleiben Love und Devotion."
Zuletzt lebte Wiglaf Droste im oberfränkischen Pottenstein. Von dort erreichte den Verfasser dieser Zeilen erst vor ein paar Monaten ein langer Brief, in dem Wiglaf Droste unter anderem von seinem gerade fertiggestellten Gedichtband "Tisch und Bett" erzählte, der hoffentlich bald veröffentlicht werde. Dieses Werk wird nun posthum erscheinen. Ein großer Satiriker, ein begnadeter Polemiker ist viel zu früh gestorben.
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