Nestor des postdramatischen Theaters
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Er prägte mit dem von ihm gegründeten Gießener Theaterinstitut eine ganze Generation von Theatermachern. Nun ist Andrzej Wirth im Alter von 91 Jahren gestorben. Lisa Lucassen von "She She Pop" erinnert sich an ihn als Grandseigneur und Gentleman.
René Pollesch, Hans-Werner Kroesinger, Moritz Rinke, die Köpfe der Gruppen "Rimini Protokoll", "She She Pop" oder "Gob Squad": Sie alle stehen für ein neues, anderes Theater – und sie alle waren seine Schüler, haben an dem von ihm gegründeten Gießener Institut für angewandte Theaterwissenschaften gelernt: beim Theaterwissenschaftler und Kritiker Andrzej Wirth. Nun ist Wirth im Alter von 91 Jahren verstorben.
Wirth betätigte sich als Theater- und Literaturwissenschaftler sowie als Kritiker, Übersetzer und Publizist. Nachdem er an renommierten Universitäten wie Stanford, Harvard, Yale sowie in Oxford doziert hatte, gründete er 1982 das Institut für Angewandte Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität Gießen und leitete es bis zu seiner Emeritierung 1992.
"Mit ungeordneten Inspirationen beworfen"
"Das war ein Grandseigneur, Gentleman und eine Erscheinung, die in diesem Kleinstadt-Uni-Kontext natürlich wahnsinnig rausstach", erinnert sich Lisa Lucassen vom Performance-Kollektiv She She Pop an ihre Begegnung mit Wirth während ihrer Studienjahre in Gießen.
Weswegen das Institut ein so reicher Nährboden für die Entstehung des Postdramatischen Theaters war, beschreibt Lucassen so:
"Der Witz dieses Instituts bestand darin, dass man uns mit ungeordneten Inspirationen beworfen hat. Da standen nebeneinander ganz viele, ganz merkwürdige und schlecht zusammenpassende Lerninhalte, aus denen man sich die schönsten aussuchen konnte. Daraus Sinn zu generieren, war einem selbst überlassen."
(lkn)