Gefürchtet und gefeiert
Hermann Kants Romane erreichten in der DDR Millionenauflagen. Doch als Präsident des DDR-Schriftstellerverbands brachte der gefeierte Autor viele Kollegen um ihre Existenz. "Er saß auf dem Schoß der Macht", sagt zum Beispiel Günter Kunert.
Hermann Kant hat die Schriftstellerei in den Dienst seiner politischen Überzeugung gestellt. Kritiker loben seinen Wortwitz, andere wiederum halten ihm sarkastische, menschenverachtende Wortakrobatik vor. Kants bekanntester Roman "Die Aula", 1965 erschienen, verklärt mit viel Ironie die Aufbaujahre in der DDR. Der Roman wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt, war Pflichtlektüre an den DDR-Schulen, aber auch im Westen beachtet, wie von Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki:
"Das Buch ist letztlich ein vollkommen verlogenes Buch, denn es zeigt die DDR als ein Land des Lächelns. Als ein glückliches, wunderbares Land des Lächelns. Aber Kant hat versucht, zu erklären, warum er die Welt der DDR so sieht."
"Ich habe es getan, weil ich diese Sache wollte. Das ist ja etwas ganz anderes, wenn man Kritik übt, weil man eine Sache, der man anhängt, ohne Fehl und Tadel will oder ob man diese Sache aus der Welt kritisieren möchte."
Als wertvollster Roman von Kant gilt "Der Aufenthalt", erschienen 1977. In ihm verarbeitet der Autor die Frage nach individueller Schuld im Krieg. Er selbst musste als Jugendlicher noch für vier Wochen an die Front, erlebte danach vier Jahre Gefangenschaft.
Das Gefühl der Schuld treibt Kant ein Leben lang an - in dem Bemühen, sie zu tilgen, lädt er neue auf sich. Er macht Polit-Karriere in der DDR, sitzt im Zentralkomitee der SED, und als Präsident des Schriftstellerverbandes prügelt er elf unliebsame Schriftsteller nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann aus dem Verband, unter ihnen Stefan Heym.
"Er hat eine ganz schäbige Rolle gespielt" (Günter Kunert)
Hunderte Künstler verlassen die DDR. Viele sind entsetzt von Kants menschlicher Kälte, wie die Autoren Günter Kunert oder Erich Loest. Kant und Kunert werden nie wieder miteinander reden.
Günter Kunert: "Er hat natürlich eine ganz schäbige Rolle gespielt. Er saß ja auf dem Schoß der Macht praktisch und war abhängig. Und er war offenkundig gern abhängig, denn er hat davon ja auch profitiert."
Hermann Kant: "Es ist absolut richtig und da hilft gar kein Kunststück dran vorbei, dass gemessen an den Möglichkeiten anderer DDR-Bürger die Schriftsteller einfach als Kaste privilegiert waren. Wir hatten Möglichkeiten - ich nenne nur die begehrteste: des Reisens -, die aber natürlich durchgesetzt worden ist von Leuten wie mir."
"Nah an der Macht zu sein, hat ihm geschmeichelt" (Erich Loest)
Erich Loest "Nah an der Macht zu sein, hat ihm geschmeichelt. Und manchen Leuten hat er Gutes getan, indem er ihnen eine Reise befürwortet hat. Aber schon mal sich selber in diese Position hineinzubewegen, Gnade erweisen zu können: 'Ich darf sagen, der eine darf fahren, die anderen zehn dürfen nicht fahren.' Und wie er dann alles, was nach Opposition roch, wie er das kaputt gemacht hat: Er war ein Täter wie wenige."
Erich Loest hat zwar nach der Wende mit Kant gesprochen, aber eine Entschuldigung ist von dem Ex-Funktionär Kant, der viele Schriftstellerkollegen um ihre Existenz gebracht hat, auch im Alter nie zu hören gewesen.